Speditionswesen. Ein Kollege berichtet über schlechte Bezahlung, unmenschliche Arbeitszeiten und diktatorische Verhältnisse.

Ich arbeite in einem großen Speditionsunternehmen. Bei uns im Betrieb liegt vieles im Argen. Die Missstände fangen schon bei den Fahrzeugen an, die teilweise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sind. An einem Bus waren die Reifen glatt wie ein Babypopo, und das in einem Fahrzeug, in dem bis zu 50 Passagiere fahren! Bremsbeläge wurden schon mehrfach so weit abgefahren, dass das blanke Metall geglüht hat. Um das zu verschleiern, wurden die entsprechenden Dokumente gefälscht. Wenn Sicherheitsgurte, Scheibenwischer oder Scheinwerfer kaputt sind, ist das noch lange kein Grund, die Fahrzeuge sofort aus dem Verkehr zu ziehen. Die Fahrer werden teilweise gezwungen, damit noch tausende Kilometer zu fahren. Und für all das gilt: Werden bei Kontrollen diese Mängel entdeckt und eine Strafe verhängt, muss diese natürlich von den Fahrern selbst gezahlt werden!

Neben Mängeln an den Fahrzeugen gibt es auch direkten Betrug. Das digitale Kontrollgerät zeichnet Lenkzeiten und Ruhezeiten auf. Diese werden immer wieder manipuliert, um damit längere Lenkzeiten zu ermöglichen. Das hat zweierlei zur Folge: Die Arbeiter müssen länger arbeiten, wollen sie nicht mit Konsequenzen rechnen. Der Chef verdient sich damit eine goldene Nase.

Das ist überhaupt das Ziel von für allem, was in der Firma passiert. So ergibt sich ein Bild von enormer Ausbeutung für die Arbeiter. Bulgarische LKW-Fahrer werden mit 400€ Hungerlöhnen im Monat abgespeist, und das bei einer Arbeitszeiten von 12 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche! Auch als Einheimischer verdient man wenig und arbeitet lange. Doch anscheinend reichen solche Hungerlöhne noch nicht, um den Chef reich genug zu machen. Deswegen gibt es auch Dienstanweisungen, die jeder Beschreibung spotten. In einer dieser Anweisungen verlangt das Unternehmen, dass bei selbstverursachtem Schaden (wie einer Delle in der Stoßstange) der Fahrer 50% der Kosten übernehmen soll (siehe Bild)!

Damit die Arbeiter sich solchen Verrücktheiten fügen und auch wissentlich Gesetze brechen, werden sie regelmäßig vom Chef bedroht. Von Abmahnungen und Kündigungen reicht das Spektrum bis zu Beleidigungen, Gewaltandrohungen („Ich sorge dafür, dass du Prügel bekommst“; „Deiner Familie wird es bald sehr schlecht gehen“) und der Androhung, dass „die Bude angezündet“ werden würde! „Eigenmächtige Entscheidungen“ wie Touren tauschen, Reifen wechseln oder auch nur eine Fahrtroutenänderung bei Stau werden nicht geduldet, selbst dafür gibt es eine eigene Dienstanweisung!

Wer in dieser Situation das Wort „Betriebsrat“ nur erwähnt, ward nie mehr gesehen. Wer immer noch glaubt, dass wir in einer Demokratie leben, kann sich gerne in diesem Unternehmen selbst vom Gegenteil überzeugen.


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