Lehrerarbeitszeit. „Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig.“ Warum diese Aussage zur Arbeitszeit eine absolute Frechheit ist erklärt Patricija Zanka.
Donnerstag spätabends schreibe ich irgendwann zwischen Korrekturen und Vorbereitungen diesen Artikel. Weil ich nicht zu diesem Genies gehöre, die ihre Arbeit so organisieren können, dass sie Dienstagmittag fertig sind. Aber gibt es die überhaupt? Laut Herrn Häupl schon. Für ihn zählt nur die sichtbare Arbeit, d.h. die Stunden, in denen wir als LehrerInnen in den Klassen stehen.
Nun gut, Herr Bürgermeister! Ich habe Sie 2015 etwa insgesamt eine Stunde im Fernsehen gesehen, rechne Ihnen aus voller Güte aber auch diverse Grußworte in Zeitschriften an und rechne großzügiger Weise schon im Voraus den 1. Mai ein, um Ihnen zu sagen: Wenn ich nur vier Stunden arbeite, bin ich Montags um 12:00 fertig. Nun sagen Sie: Aber die viele administrative Arbeit, die Empfänge, die trotz Spritzwein-Atmosphäre knallharte Geschäfte und die hohe Politik betreffen ... ist das nichts?
Herr Häupl weiß nicht, wofür er sich entschuldigen soll? Da helfe ich ihm gerne weiter:
Zum Beispiel für das Aufhetzen von Berufsgruppen gegeneinander, das normalerweise zum Repertoire der Konservativen gehört, die von ihrer gesamtgesellschaftlichen arbeitnehmerfeindlichen Politik ablenken soll.
Zum Beispiel für das Ignorieren der Tatsache, dass in einer Welt der Standardisierungen, der Durchökonomisierung des Bildungsbereichs LehrerInnen ohne Zusatzpersonal gesellschaftliche Widersprüche lösen sollen, denen SchülerInnen und Eltern unterworfen sind und die eigentlich die Politik lösen müsste.
Das sind Probleme, die Menschen überfordern können und nicht zwei Stunden mehr Unterricht, wenn sonst alles im Lot wäre.
Ich habe mir geschworen, meine SchülerInnen aufzubauen, zu ermutigen und auf das Leben vorzubereiten, sie zu kritischen und mündigen BürgerInnen zu erziehen. Ich habe mir geschworen, nie die Stimme vor ihnen zu erheben, sondern sie mit Respekt zu behandeln. Es ist aber an der Zeit, als Lehrerin gemeinsam mit SchülerInnen, Eltern und allen, denen Bildung nicht nur aus politischem und wirtschaftlichen Kalkül ein Anliegen ist, die Stimme vereint gegen die derzeitige Politik und ihre realen und verbalen Auswüchse zu erheben.
Die Autorin ist Junglehrerin an einer Schule in Wien
Her mit der Bildungsmilliarde!
Die Verteidigungslinie der SPÖ lautet: Gemeint sind nicht die LehrerInnen, sondern ihre Gewerkschaft. Blöd nur: die Sachargumente der Gewerkschaft sind richtig, jene der SPÖ falsch.
- Unterrichtszeit ist nicht Arbeitszeit. Aufgrund der international nicht vergleichbaren Schulorganisation fallen für LehrerInnen in den einzelnen Ländern unterschiedliche Arbeitszeiten an. Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit der heimischen Lehrkräfte liegt mit 1776 Stunden über dem OECD-Durchschnitt.
- Die Lehrergehälter in Österreich liegen um 40% unter dem Durchschnitt der Gehälter von anderen AkademikerInnen.
- Der Regierungsvorschlag bedeutet eine Ausweitung der Arbeitszeit um 10% bei stagnierendem Gehalt.
- Fortbildung muss in Anspruch genommen werden, wann sie angeboten wird, aber nur die wenigsten Kurse werden im Sommer angeboten.
- Der Ausbau des Ganztagsunterrichts verlangt bauliche Investitionen. Heute können Kinder mittags nicht mal ausgespeist werden, die Schulgebäude sind nicht für einen Ganztagesaufenthalt für Kinder ausgelegt.
- Es gibt baulich keine Arbeitsplätze für LehrerInnen an Schulen.
- Das österreichische Bildungsbudget ist im internationalen Vergleich unterdotiert. Werden im OECD-Durchschnitt 3,9 % des BIP für schulische Ausbildung ausgegeben, sind es in Österreich nur 3,6%. Die Differenz macht jährlich 1 Mrd. € aus!
Der neuerliche Vorstoß der Regierung bei den Lehrerarbeitszeiten ist ein reines Sparpaket für den Bildungsbereich. Wir stehen für eine öffentliche Bildung auf höchstem Niveau. Dazu braucht es die nötigen Mittel aus dem Budget. Daher sagen wir: Nein zu Kürzungen, her mit der Bildungsmilliarde. Wenn wir solidarisch mit den LehrerInnen stehen, stehen wir solidarisch mit der Jugend, die bessere Bedingungen an den Schulen verdient hat.