Das Thema „Flüchtlinge“ ist nach wie vor ein heiß debattiertes in Österreich und der EU. Doch im Vergleich zum Sommer werden Berichte über Solidarität zunehmend zugunsten von Panikmache abgelöst. Von Yola Kipcak.

Seit Ungarn seine Grenzen dichtgemacht hat, führt die Hauptroute für vor Armut und Krieg flüchtende Menschen über Slowenien nach Österreich. Hier werden sie in dürftigen Notunterkünften untergebracht, um dann mit Zügen und Bussen weitertransportiert zu werden. Der österreichische Staat ist mit dieser Aufgabe heillos überfordert und verlässt sich nach wie vor auf die unermüdliche Unterstützung von ehrenamtlichen HelferInnen.

Die Regierung spielt indes mit beim Spiel, jeweils anderen Staaten den „schwarzen Peter“ zuzustecken und ist froh, die meisten Flüchtlinge nach Deutschland loswerden zu können. Seit September wurden in der EU 320.000 Asylanträge gestellt, davon etwa 8% in Österreich. Die Raiffeisen-Fraktion der ÖVP rund um Außenminister Kurz macht nun gemeinsam mit der bayrischen Regierung Druck nach Berlin und Wien um die Rollbalken gemeinsam runtergehen zu lassen.

Doch auch für diejenigen, die in Österreich bleiben wollen, wird der Weg zunehmend erschwert. Ab Mitte November gilt „Asyl auf Zeit“, wonach Flüchtlinge erst nach drei Jahren längeren Aufenthalt genehmigt bekommen und auch Angehörige nachholen können. Länder wie der Kosovo oder Pakistan, werden nun als „sicher“ eingestuft und Asylsuchende somit leichter wieder abgeschoben. „Hot Spots“ an der EU-Außengrenze zwischen Griechenland und Türkei sollen dafür sorgen, dass Leute gar nicht erst weit genug kommen.

Während im Sommer die überwältigende Welle an Solidarität mit den Flüchtlingen dazu führte, dass sich kaum jemand traute, in der Öffentlichkeit negativ darüber zu berichten, hat der Diskurs inzwischen die „Menschlichkeit“ zugunsten eines „Krisenmanagements“ verdrängt. Nachrichten über die Lage der Flüchtlinge oder die Anstrengungen der HelferInnen weichen Horrorszenarien über Chaos und hohe Kosten.

Einerseits ist das ganz im Sinne einer Innenministerin Mikl-Leitner, die nun endlich ohne Vorbehalt davon reden darf, eine „Festung Europa“ zu errichten und „bauliche Maßnahmen“ an der Grenze zu Slowenien ankündigt (deren Kosten, wenn man sich im Vergleich die 94 Mio. des Zaunes zwischen Serbien und Ungarn ansieht, in tatsächlich hilfreiche Maßnahmen wohl besser angelegt wären).

Andererseits ist zu viel der schlechten Stimmung auch nicht zuträglich: Die Flüchtlingskrise ist eine weitere Zerreißprobe für die EU. Während EU Politik überall massive Umverteilung von der Arbeiterklasse hin zum europäischen Kapital vorschreibt, ist es ungünstig, anti-Europäische Ressentiments zu weit gehen zu lassen. In der Flüchtlings-Frage zeigt sich die EU gespaltener als je zuvor. Nicht einmal Angela Merkel gelingt es einen vollzähligen EU-Gipfel zum Thema einzuberufen.

Die zunehmende rechte Dynamik rund um die Flüchtlingsfrage wird aufgrund des destabilisierenden Charakters des Nationalismus für die EU ungern gesehen. Merkel und Faymann bleibt daher nichts anderes übrig als ihre Willkommens-Politik formal aufrecht zu erhalten.Wenn die Regierung und der Bundespräsident auch „bauliche Maßnahmen“ um Österreich für angebracht hält, so ist das vornehmliche Ziel weiterhin nicht die Errichtung von Grenzzäunen innerhalb der EU. Hier sind sich Mikl-Leitner und Faymann in Wirklichkeit einig. Die humanitäre Katastrophe soll bleiben, wo sie ist, und daher ist für sie die unmittelbare Aufgabe der „Schutz der EU-Außengrenze“, also die Errichtung einer tatsächlichen „Festung Europas“ an den EU-Außengrenzen.

Außerhalb dieser „Festung“, in den Kriegsgebieten des Nahen Ostens, zeigt sich allerdings keine Verbesserung der Lage. Der letzte Syriengipfel in Wien verdeutlichte ein weiteres Mal die Gräben zwischen den unterschiedlichen Interessen der kriegsführenden Parteien wie Russland und den USA, dem Iran und Saudi-Arabien. Für die Menschen aus Syrien und dem Irak bleibt somit weiterhin die Flucht trotz aller Risiken und Gefahren die einzige Option.

Unterdes müssen die Flüchtlinge auch sonst als Sündenböcke herhalten. Am Arbeitsmarktgipfel der Regierung und der Sozialpartner beschrieb Wirtschaftskammerpräsident Leitl die Flüchtlingsproblematik als „dramatisch“ und stilisierte die 30.000 für den Arbeitsmarkt relevanten Flüchtlinge als das Hauptproblem. Dass der Grund für die Arbeitslosigkeit von bald 500.000 Menschen in Österreich allerdings nicht im Flüchtlingsstrom zu suchen ist, sondern in der um sich greifenden Wirtschaftskrise, liegt auf der Hand. Als Rezept werden die üblichen Maßnahmen vorgeschlagen: Die ArbeitgeberInnen sollen weniger zahlen – etwa werden 790 Millionen hergeschenkt, indem die Beiträge zum Familienentlastungsfonds gesenkt werden, welcher Familienleistungen finanziert; die ArbeiterInnen sollen dafür mehr ausgepresst werden – u.a. durch eine Ausweitung des 12-Stundentages auf weitere Branchen. MigrantInnen werden immer gerne als LohndrückerInnen eingesetzt.

Deutschland, wo im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise über die Senkung des Mindestlohnes diskutiert wird, zeigt vorbildlich, in welche Kerbe diese Debatte nach dem Willen der Bürgerlichen schlagen soll. Ein menschlicher Ausweg besteht nur im internationalen Kampf gegen den Kapitalismus, der Ursache der Wirtschaftskrise und der Kriege:

  • Nein zu Grenzkontrollen und der Festung Europa.
  • Arbeit für alle: Organisation von Flüchtlingen in Gewerkschaften, um Sozialdumping durch Aufklärung und Organisation zu unterbinden. Die vorhandene Arbeit bei vollem Lohnausgleich aufteilen und für eine Offensive von öffentlichen Investitionen, um gesellschaftliche Bedürfnisse wie Bildung, Gesundheit und Pflege zu befriedigen.
  • Weg mit der EU, für die Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas in einer sozialistischen Welt.

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