Bildungsministerin Gabrielle Heinisch-Hosek sieht bei der am 17. November präsentierten Bildungsreform wesentliche Verbesserungen für SchülerInnnen, LehrerInnen und Eltern. Bei genauerer Betrachtung findet man außer flächendeckendem WLAN bis 2020 aber kaum wirkliche Verbesserungen, im Gegenteil. Von Paul Ziermann.
Den großen Wurf hatte sich wohl im Vorfeld niemand von dieser Bildungsreform erwartet, zu sehr sind die letzten Versuche von Bildungsreförmchen noch präsent, die vor allem von dem Streit zwischen ÖVP und SPÖ über die Einführung einer gemeinsamen Schule für alle 6- bis 14-Jährigen dominiert war. Wie zu erwarten war, kommt eine größere Reform in Richtung einer Gesamtschule auch dieses Mal nicht. Man entfernt sich sogar wieder von einer flächendeckenden Einführung dieser. In der neuen Konzeption ist es zwar möglich, dass Modellregionen mit einer flächendeckenden Gesamtschule gebildet werden. Diese können bzw. dürfen aber keinesfalls ein Bundesland umfassen. Es dürfen auch nicht mehr als 15% aller Schulen eines Bundeslandes Gesamtschulen sein. Neue finanzielle Mittel für die Neue Mittelschule gibt es ebenfalls keine. Das Konzept der Gesamtschule wird damit quasi zu Grabe getragen. Die Neue Mittelschule ist daher nur eine Umbenennung der Hauptschule.
Ein weiterer Punkt in vergangenen Bildungsdiskussionen war auch stets die Möglichkeit der Vereinheitlichung und Entschlackung der Verwaltungsebene des österreichischen Schulsystems. Auch hier gibt es nicht wirklich Verbesserungen. Zwar werden die Landesschulräte abgeschafft, allerdings werden sie nun durch sogenannte „Bildungsdirektionen“ ersetzt, was heißt, dass der/die LandesschulratspräsidentIn des jeweiligen Bundeslandes sich nun BildungsdirektorIn nennen darf. Wirklich relevante Möglichkeiten in der Reform der Verwaltung wurden ausgelassen. So können LehrerInnen nach wie vor beim Bund oder bei den Ländern angestellt sein. Dass die Schulen auf vier Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden, Schulen) verwaltet werden, griff man genauso wenig an. Hier sind eine Entschlackung des bürokratischen Apparates und eine Vereinheitlichung des LehrerInnendienstrechtes zugunsten der ArbeitnehmerInnen längst überfällig, wurden jedoch aufgrund des ewigen Kompetenzstreites zwischen Bund und Ländern wieder auf die lange Bank geschoben.
Die Bildungsreform soll nach Ministerin Heinisch-Hosek bereits im Bereich der Kindergärten Veränderungen bringen. Zum einen soll es nun ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr geben. Dies ist allerdings nicht viel mehr als ein reiner Etikettenschwindel, besuchen doch mittlerweile ohnehin schon über 95% aller 4- bis 5-Jährigen einen Kindergarten. Zum anderen wird das verpflichtende zusätzliche Jahr durch eine Opt-Out-Möglichkeit in sich karikiert.
Eingeführt werden soll des Weiteren ein ominöser „Bildungskompass“. Dieser ist quasi die Weiterführung der neoliberalen Bildungspolitik, die sich bereits in einer Zentralmatura und der flächendeckenden Einführung von „Bildungsstandards“ manifestiert hat. Die SchülerInnen und jetzt auch die Kindergartenkinder sollen von klein an auf den Einstieg in die Berufswelt vorbereitet werden. Schule und Kindergarten dienen als Ausbildungsstätte dafür. Die Möglichkeit, als VolksschullehrerIn nun bis zu 5% (!) vom Lehrplan abweichen zu dürfen, die unter dem Begriff „Freiraum“ vermarktet wird, ändert daran wenig.
Als „Innovationspaket“ wird die längst überfällige Einführung einer modernen Infrastruktur an den Schulen verkauft. Diese beschränkt sich allerdings im Konkreten nur auf den Zugang zu Breitbandinternet und WLAN. Weitere notwendige infrastrukturelle Verbesserungen, etwa Lernplätze für SchülerInnen oder ordentliche Arbeitsgelegenheiten für LehrerInnen, sind nicht vorgesehen.
Alles in Allem eine recht maue „Reform“.
Was es braucht
Die vorgestellte Bildungsreform zeigt wieder einmal die Unfähigkeit der österreichischen Bundesregierung, dringende Probleme im Bildungswesen anzugehen und wirkliche Verbesserungen einzuführen. Sämtliche Reformen der vergangenen Jahre waren entweder reine Umbenennungsmaßnahmen oder bedeuteten Verschlechterungen für die SchülerInnen (bspw. Zentralmatura) oder die LehrerInnen (Gehaltskürzungen). Mit Normierungen und Standardisierungen geht man auf der anderen Seite den Weg einer neoliberalen Schule, die im Interesse des Kapitals agiert und SchülerInnen auf zukünftige LohnarbeiterInnen reduziert.
Das österreichische Bildungssystem ist nach wie vor enorm sozial selektiv. Insofern ist es natürlich, dass die bürgerlichen Eliten das Konzept eines Gymnasiums verteidigen, können sie doch ihre Kinder auf eine „bessere“ Schule schicken und sich von der Arbeiterklasse abheben. Eine Gesamtschule bietet ansatzweise die Möglichkeit, dieses System zu durchbrechen. In ihrer derzeitigen Form kann sie dies aber nicht leisten, ersetzt sie doch schlichtweg nur die Hauptschulen.
Auch ist es keinesfalls Teil der bürgerlichen Krisenbewältigungspolitik Geld in Bildung zu investieren, obwohl dies an allen Ecken und Enden fehlt. Es braucht mehr und gut bezahlte LehrerInnen, es braucht ordentliche infrastrukturelle Verbesserungen an den Schulen. Die Kasernenbauten und Unterrichtscontainer müssen abgerissen werden. Her mit modernen, von Luft und Licht durchfluteten Bildungstempeln! Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, SchülerInnen individuell und in ihren Interessen zu fördern, also auf ihre Bedürfnisse einzugehen, anstatt gemäß einer neoliberalen Bildungspolitik den Bildungsbegriff auf die Verwertbarkeit durch das Kapital zu reduzieren.
Was kann man also zusammenfassend sagen?
Viel hat sich wieder nicht getan. Die neoliberale Standardisierung wurde nun auch in den Kindergarten getragen. Die Verwaltung wurde umbenannt und die Frage der Gesamtschule, die natürlich auch wieder zu Streitigkeiten zwischen den Koalitionspartnern geführt hätte, wurde ausgespart. Und zu guter Letzt: Ab 2020 hat jede Schule WLAN. Yeah!