Eine Welle der Massenentlassungen rollt übers Land. Die Bank Austria soll zerschlagen werden, die Handelskette Zielpunkt geschlossen werden. Zielpunkt folgte auch dessen Fleisch- Zulieferer Schirnhofer. Tausende werden in die Arbeitslosigkeit geschickt. Von Florian Keller.
Besonders Zielpunkt ist ein trauriges Beispiel dafür, wie das Leben von arbeitenden Menschen zerstört wird und sie gegenüber großen Kapitalbesitzern systematisch den Kürzeren ziehen. Jahrzehntelang hatten verschiedene Besitzer mit der harten und schlecht bezahlten Arbeit der Beschäftigten (hauptsächlich Frauen) Milliardengewinne gemacht. Gerade bei der jetzigen Pleite wird dieser tiefe Graben, der durch die Gesellschaft geht, wieder deutlich. Der Besitzer Georg Pfeiffer geht mit 770 Mio. € Privatvermögen aus der Pleite, während 3000 MitarbeiterInnen der Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit ins Auge blicken müssen. Noch im September wurde ein Zielpunkt- Betriebsrat gekündigt, weil er bei Einlassungen von einem „sozialen Genozid“ sprach. Doch anders kann man diese Vorgänge nicht nennen.
Im Mittelpunkt des Interesses steht ein Immobiliendeal von Pfeiffer. Fast zeitgleich mit der Ankündigung der Insolvenz kaufte er Liegenschaften von Zielpunkt-Märkten für knapp 38 Mio. € auf. Die Gewerkschaft GPA-djp hat in diesem Zusammenhang auch schon angekündigt, eine Klage gegen Pfeiffer zu prüfen. Im Nachhinein rechtfertigt Pfeiffer sich, dieser Immobiliendeal sei „leider“ schon lange vor dem Bekanntwerden der Insolvenz geplant gewesen und war nicht mehr aufzuhalten, es sei ein „unglücklicher zeitlicher Zufall“. Er geht sogar so weit zu sagen, dieser Deal sei Teil des Versuches gewesen, Zielpunkt zu retten: Dadurch wäre eine Mietreduktion von 4 Mio. € möglich gewesen. Dieser Zufall muss schon gewaltig gewesen sein, wurde der Deal doch genau einen Tag vor der Bekanntgabe der Insolvenz abgeschlossen. Und auch die erste Erklärung zum Kauf hörte sich noch ganz anders an: Es handele sich dabei um eine „Optimierung des Immobilienportfolios“ der Pfeiffer-Gruppe, so eine Sprecherin des Unternehmens.
Tatsächlich plünderte Pfeiffer Zielpunkt schon seit Jahren. Schon 2013 übernahm Pfeiffer die oberösterreichischen Zielpunkt-Filialen in seine Unimarkt-Kette, die im letzten Jahr ein Umsatzplus von 5% erzielte und regional in Oberösterreich stark verankert ist. Der Eindruck drängt sich auf, dass die Causa Zielpunkt für Pfeiffer eine abgekartete Sache war, um sich im immer härter werdenden Wettbewerb im Einzelhandel Vorteile zu verschaffen und regional expandieren zu können.
Während Pfeiffer also ein fettes Weihnachtsfest feiern können wird, bekommen ZielpunktmitarbeiterInnen kein Weihnachtsgeld und auch den Novemberlohn nicht mehr ausbezahlt und sind jetzt von der Kulanz von Banken abhängig um ihre täglichen Ausgaben begleichen zu können. KundInnen können keine Gutscheine mehr einlösen. Pfeiffer vergießt riesige Krokodilstränen, wie schrecklich das sei. Aber er hat völlig recht damit, dass seine gesamte Vorgansweise legal ist. Mehr noch, Pfeiffer argumentiert, dass alles andere als ein Konkurs der Restmasse von Zielpunkt „Insolvenzverschleppung“ oder „Gläubigerbevorzugung“ sei. Doch diese Gesetze gelten nur dann, wenn es um einfache ArbeiterInnen geht: Als die Hypo Alpe Adria mit Milliarden an Steuergeldern gerettet wurde, sprach niemand von „Insolvenzverschleppung“. Als die Spekulanten ausbezahlt wurden, stattdessen aber die Menschen in Kärnten und im ganzen Bundesgebiet Einsparungen für die versenkten 20 Mrd. € bei Bildung, Gesundheit und Pensionen hinnehmen müssen, sprach niemand von „Gläubigerbevorzugung“! Es ist so, wie der altgriechischer Philosoph Anacharsis einmal sagte: Das Recht ist wie ein Spinnennetz – kleine Fliegen werden gefangen, während die Großen es zerreißen.
Die Zielpunkt-Pleite findet in einer Wirtschaftskrise statt, in der die Entlassenen nicht schnell wieder einen neuen Job finden. Im Gegenteil: Kürzlich wurde bekannt gegeben, dass es im November über 430.000 ArbeitslosenbezieherInnen gibt, das sind 5,6% mehr als noch vor einem Jahr. Allein im Handel warten fast 60.000 auf einen Job. In dieser Situation ist der Kampf um jeden Arbeitsplatz absolut notwendig. Leider beschränkt sich die Führung der Gewerkschaft darauf, auf eine Einhaltung der Sozialpartnerschaft zu drängen: Die MitarbeiterInnen und die Gewerkschaft hätten früher informiert werden sollen, ein Sozialplan für die Pleite hätte gemeinsam ausgearbeitet werden können, etc.
Doch das vom Unternehmen zu erbitten ist utopisch, und ändert nichts an der Tatsache, dass wieder tausende mehr auf der Straße stehen. Jeder Kapitalist ist auf das schärfste darauf bedacht, seine „Geschäftsgeheimnisse“ zu wahren. Wenn alle erfahren hätten, dass Zielpunkt wirtschaftlich schlecht da steht, hätten sich wohl viele ArbeiterInnen schon seit langem um einem neuen Job umgesehen, hätten sich auf systematischen Widerstand gegen diese unsoziale Abwicklung vorbereiten können – das „normale“ Funktionieren des Unternehmens bis zur Pleite wäre dadurch gefährdet gewesen.
Konkret ist der Kampf für eine Öffnung der Geschäftsbücher eine zentrale Forderung, um sich gegen Massenentlassungen und Pleiten zu wappnen: Wo sind die Milliarden hingeflossen? Wer hat profitiert? Versucht sich ein Unternehmer an den Beschäftigten zu bereichern? Verbirgt er den schlechten Zustand eines Unternehmens, um noch kräftig abzusahnen? Nur wenn alle Beschäftigten, angefangen bei gewählten VertreterInnen, Betriebsräten und Gewerkschaften Einblick nehmen und die Vorgänge kontrollieren können, ohne der Schweigepflicht unterworfen zu sein, kann eine tatsächliche Kontrolle stattfinden, die solche Dinge in Zukunft verhindert. Die UnternehmerInnen werden antworten, dass damit das Geschäftsgeheimnis aufgelöst wäre, und sie einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten hätten. Doch das ist eine Lüge: Heute beschäftigen gerade die großen Konzerne Heerscharen von AnalystInnen, die keine andere Aufgabe haben, als ein genaues Bild von der „Situation am Markt“, sprich dem Zustand der mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen zu erhalten. Das „Geschäftsgeheimnis“ dient in der heutigen Zeit nahezu ausschließlich dazu, die Geheimnisse des Großkapitals vor den Beschäftigten und der Öffentlichkeit zu bewahren!
Der Fall Zielpunkt steht exemplarisch für eine Reihe von Pleiten und Massenentlassungen, die die MitarbeiterInnen völlig überraschend und wehrlos trifft. Deswegen ist es von äußerster Wichtigkeit, dass wir uns auf weitere solche Fälle richtig vorbereiten, nicht schutzlos gegenüber zu stehen. Dazu muss aktiv sichergestellt werden, dass die Gewerkschaft und die Betriebsräte die Interessen aller ArbeiterInnen repräsentieren, und nicht nur eine kleine Schicht von Privilegierten, wie das leider oft der Fall ist. Dazu ist ein aktiver Kampf um alle unsere Rechte notwendig – von nichts kommt nichts!
- Kontrolle der Geschäftsbücher durch die Beschäftigten – Nein zum systematischen Betrug durch die Chefetagen!
- Für eine kämpferische Gewerkschaftsbewegung – Widerstand organisieren statt sozialpartnerschaftlicher Selbstlähmung!
- Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit durch eine breite und kämpferische gewerkschaftliche Kampagne zur Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!
- Enteignung des Privatvermögens von UnternehmensbesitzerInnen bei Massenentlassungen und Insolvenzen, um damit die Weiterführung der Geschäfte unter ArbeiterInnen-Kontrolle sicherzustellen.