Das Wiener Landesgericht verhängt eine Geldstrafe über Jahn B. Die Signalwirkung dieses Urteils sind eindeutig: Die Kriminalisierung von Antifaschismus in Österreich schreitet weiter voran. Von Thomas K.

Am 4. April 2014 setzen in Wien hunderte DemonstrantenInnen ein Zeichen gegen die Selbstdarstellung nationalistischer Burschenschaften. Nach dem Ende der Demonstration wird bei der U-Bahn Station Schottentor Hüseyin S. unverhältnismäßig brutal von der Polizei festgenommen. Der damals 20-jährige Student Jahn B. will einschreiten und fordert, dass man Hüseyin, dessen Kopf blutet, ins Krankenhaus bringt. Daraufhin wird er selbst festgenommen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung.

Jahn B. plädiert zu Beginn des Prozesses auf „unschuldig“. Bei der Befragung des Studenten wird von einem unverhältnismäßig brutalen Vorgehen der Polizei berichtet. Der Hauptbelastungszeuge ist einer der Polizisten, die den helfen wollenden Jahn B. angehalten und festgenommen hatten. Eine Verletzung die er sich dabei zugezogen hat, will er auf Jahn B. zurückführen. Die konkreten Vorwürfe sind, dass Jahn B. „mit den Armen herumgefuchtelt“ haben soll und sich die Stiegen hinunter fallen habe lassen. Bei letzterem will sich der Polizist einen Sehnenriss im linken Bizeps zugezogen haben. Weder die Befragung der anderen Zeugen, noch das vorgelegte Videomaterial können die Vorwürfe bestätigen. Das angeforderte medizinische Gutachten schließt eine Beteiligung von Jahn B. an der Verletzung nicht aus, stellt aber auch fest, dass solche Verletzungen auch in Alltagssituationen passieren können. Der Prozess endet am 9.11.2015. Jahn B. wird zu Schadenersatz in der Höhe von 14.800 € verurteilt.

Antifaschismus im bürgerlichen Staat

Jahn B. ist kein Einzelfall. Eine Auseinandersetzung mit der Systematik und Gesetzmäßigkeit, die hinter diesem Urteil steht, ist wichtig für die weiteren Perspektiven des antifaschistischen Kampfes.

Es ist nicht das erste Mal, dass Zivilcourage und Antifaschismus in Österreich kriminalisiert werden. Schon die Prozesse gegen Josef, Hüseyin, und die Komintern-Gewerkschafter, die verurteilt wurden, obwohl sie sich als Angegriffene nur gegen eindringende Hooligans wehrten zeigen, dass der Staat nicht nur auf der Straße, sondern auch vor Gericht Antifaschisten zunehmend feindlich gegenübertritt. Der Richter brachte diese Einstellung so auf den Punkt: der Angeklagte hätte sich doch gar nicht einmischen brauchen und hätte die Veranstaltung generell meiden können. Bereits am letzten Gerichtstag, lag eine schriftliche Ausfertigung des Urteils vor – geschrieben noch bevor der Prozess beendet war.

Im Fall Jahn B. wird unmissverständlich klargestellt, dass die „Intensität“ (besser: „fehlende Intensität“) des Eingreifens von Jahn B. keine Auswirkungen auf den Tatbestand „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ hat. Oder anders: Widerstand gegen staatliche Repression und Polizeigewalt ist ein Verbrechen, das damit beginnt eine polizeiliche Maßnahme in Frage zu stellen. Die Frage nach Verhältnismäßigkeit ist dabei nicht relevant.

Der Prozess gegen Jahn B. ist exemplarisch für den alltäglichen Umgang des Staates mit AntifaschistenInnen, und es könnte JedeN treffen. Die praktische Konsequenz dieser Entwicklung ist Solidarität. Diese gilt es jetzt mit Jahn B. zu zeigen und weiterzuentwickeln. Es ist davon auszugehen, dass wir lernen müssen mit staatlicher Repression auf Straße und im Gerichtssaal zu leben und umzugehen.

Spenden für Jahn B. :
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Verwendungszweck: „Spende für Prozesskosten“


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