Folgt man der Inszenierung der Asyl-Debatte, dann wird 2016 das Jubeljahr aller Bedrängten: Frauen werden nie mehr Opfer sexueller Gewalt sein, Arbeitslose werden zwischen mehreren Traumjobs gustieren können, Wohnungslose wird es keine mehr geben, denn schöne Wohnungen werden zu Hauf auf neue BewohnerInnen warten. Oder doch nicht? fragt sich Emanuel Tomaselli.

Denn: Nur noch 37.500 Schutzsuchende pro Jahr werden in Zukunft über die österreichische Grenze gelassen.

Der Eingangsbereich in unser Land wird „so sicher wie an einem Flughafen gestaltet sein“. Ein Sicherheits-Leitsystem stellt anhand der greifbaren Daten (Ausweis, Fingerabdrücke, Gepäckkontrolle, Fragenbeantwortung) effizient innert weniger Stunden fest ob man „Schutzberechtigter“ ist oder nicht. Zweitere werden sofort ausgewiesen. Akzeptierte Asylantragssteller werden nach Wunsch der Behörden in eine Wartezone, also ein Anhaltelager, an der Grenze gebracht. Die Innenministerin will hier durch bürokratische Verschleppung des Asylantrages Menschen zur Verzweiflung und Aufgabe bringen. Wer sich wehrt, wird wohl den Schlagstock zu spüren bekommen. Es handelt sich um nichts weniger als die defacto Ausschaltung genau jener Menschenrechte, die sonst auf internationaler Ebene immer als Rechtfertigungen für militärische Interventionen, Sanktionen usw. hergenommen werden. Der Widerstand der Sozialdemokratie ist gebrochen, und dies ist keine Überraschung. Angesichts des penetranten rassistischen Druckes der konservativen ÖVP war dies eine Frage der Zeit.

Im Grunde leistete die SPÖ nur in zwei Fragen Widerstand: Erstens stellte sie fest, dass eine gesetzliche Obergrenze nicht rechtens sein kann, da ein solches Gesetz im Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention steht. Dies weiß auch die ÖVP, und daher wird das Unrecht nicht Gesetzesform gegossen, sondern an der Grenze gegenüber den Flüchtlingen praktisch durchgesetzt.

Zweitens profilierte sich die SPÖ als Partei der „europäischen Lösung“. Auch dabei geht es ihr nicht um die schutzbedürftigen Menschen, sondern um die Stabilität des Gesamtsystems, in diesem Fall um den EU-Schengen-Raum. Die Unmöglichkeit eine „gesamteuropäische Lösung“ in der Flüchtlings-Abwehr und -Verteilung durchzusetzen, stürzt die EU in eine neue und ihre bisher tiefste Krise. Führende EU-Politiker sprechen erstmals von einer konkreten Desintegration der EU. Dabei befürchten sie nicht das Ende des freien Menschenverkehrs in der EU-Schengen-Zone (die schon mehrmals ausgesetzt wurde), sondern sie beklagen das damit verbundene Ende des freien Warenverkehrs der Konzerne. 

Zweieinhalbtens, aber dies hat nach der geschlagenen Wahl in Wien kaum mehr eine Bedeutung, geht es um politische Prinzipien. Aber die hängen seit Jahren so tief, dass diese Frage keinem führenden Sozialdemokraten auch nur eine Minute Schlaf kostet (sofern er oder sie gerade keinen Wahlkampf führen muss).

Im Übrigen sind wir der Meinung, dass der Begriff „politische Werte“ zum Unwort des Jahres 2016 gekürt werden sollte. Keine der etablierten Parteien kennt einen anderen Wert als die Stabilität des herrschenden kapitalistischen Systems, alles andere ist Lüge.

Während nun mit der Flüchtlingsdebatte die Sau durchs Dorf getrieben wird, bietet die österreichische Bundesregierung den verbliebenen Hypo-Gläubigern -  Banken, Versicherungen, reichen Einzelinvestoren (mafiösen und „ehrlichen“)  an, ihre durch die Pleite wertlosen Zertifikate zum Nominalpreis von 75 % abzukaufen. Der liberale „Standard“ titelt jubelnd:  „Heta-Schuldenschnitt soll Steuerzahlern gut drei Milliarden Euro ersparen.“  Was im Umkehrschluss heißt: Nochmals mindestens 9 Mrd. für die parasitären Hypo-Kapitalisten! Und wir sagen hier voraus: viele Investoren werden dieses Angebot nicht annehmen, und werden 100 % Einklagen, und sie werden sich durchsetzen. Die Gesetze werden von Reichen für Reiche gemacht. Der Rassismus und der Sündenbock „Flüchtling“, der seit der Jahreswende gezielt in die verwirrte, zornige und verzweifelte Gesellschaft hineingetragen wird ist nur ein Manöver um unser aller Ausbeutung zu kaschieren und aufrecht zu erhalten.

„Reicher Mann und armer Mann
standen da und sahn sich an.
Und der Arme sagte bleich:
»Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich«.“
(Bertold Brecht)

Und diese Vernunft werden wir weiter argumentieren und demonstrieren. Denn täuscht euch nicht: Die Obergrenze gegen die Ärmsten der Armen wird nichts daran ändern, dass wir keine oder schlechte Jobs haben, dass die Krebs-PatientInnen in Wien monatelange auf den Beginn ihrer Behandlung warten müssen, und dass die Schulen unterfinanziert sind. Die Mindestsicherung wird trotzdem angegriffen werden und das Pensionssystem wird noch im Februar weiter verschlechtert werden.

Nieder mit diesem verrotteten System und seinen politischen RepräsentantInnen!


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