Wien-Donaustadt. Immer noch springen HelferInnen dort ein, wo der Staat versagt. Aufgrund der stärker werdenden Hetze der FPÖ und der restriktiven Asylpolitik der Regierung muss die Flüchtlingshilfe jetzt auch politische Antworten formulieren.
Der Rollbalken geht hoch, vor der Essensausgabe haben sich schon mehrere Dutzend Flüchtlinge angestellt und warten ungeduldig auf das Abendessen. Es gibt Reis mit Hühnerfleisch, nach der Zucchinisuppe von zu Mittag etwas, das den Magen wenigstens ordentlich füllt. Als HelferInnen auch noch mit zwei riesigen Kisten Orangen und ein paar Bananen kommen, werden die Augen immer größer. Ein kleiner Bub überspringt gleich das Abendessen und bettelt um eine Orange. Nachdem alle 160 Flüchtlinge ihre Plastikschüssel Reis bekommen haben, beginnt der Run auf die „Nachspeise“. Jeder versucht möglichst viel Obst zu ergattern. Die Bananen sind gleich weg. Als dann noch gespendete Schokolade aus nicht verkauften Adventkalendern verteilt wird, kommt fast schon Festtagsstimmung auf. Mütter fragen nach Milch für ihre Kinder, aber es ist nicht genügend da. „Milch gibt es erst wieder zum Frühstück“, lautet die Antwort der Rotkreuz-Mitarbeiterin.
Die Essensausgabe ist die einzige Abwechslung im faden Alltag. Als das ehemalige Verwaltungsgebäude auf dem Kraftwerksgelände in der Lobau für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt wurde, war das Haus ursprünglich als Transitunterkunft gedacht. Da nach der Vorstellung irgendwelcher Bürokraten die Flüchtlinge nur über Nacht bleiben sollten, waren auch nur ein Abendessen und ein Frühstück eingeplant, das vom Bundesheer geliefert wurde. In der Praxis gab es aber keine Unterkünfte, wo man die Menschen hinbringen hätte können, weshalb sie meist bis zu einer Woche blieben. Mittagessen gab es trotzdem keines. Die Idee, mit privaten Spenden selber zu kochen, wurde vom Gesundheitsamt vereitelt. Der Grund, es konnten in der Küche keine Desinfektionsspender montiert werden, weil der Hauseigentümer, WienEnergie, keine baulichen Veränderungen erlaubt. So hieß es Hunger schieben und hoffen, dass Menschen aus dem Bezirk privat Essensspenden bringen.
Wo die Hausleitung ebenfalls zur Gänze von Privatspenden abhängig ist, ist die Versorgung mit Hygieneartikeln und Kleidung. Vor allem bei Kleidung, und da speziell bei Schuhen, fehlt es aber hinten und vorne an brauchbaren Dingen. Bei winterlichen Temperaturen ist die Ausstattung vieler Flüchtlinge schlicht und ergreifend untragbar.
Ein absoluter Missstand war, dass bis vor kurzem die Menschen im Kraftwerk auf dem Boden schlafen mussten. Wieder war es die Hausleitung, die nicht nachgab und schlussendlich doch Betten und Matratzen organisierte. Deutschkurse, kulturelle, sportliche Unterhaltung, Spielangebote für Kinder gibt es nur, wenn Menschen das ehrenamtlich anbieten.
Scharfer Gegenwind
Mit der Gründung von „Connect.Donaustadt“ durch die Kinderfreunde wurde ein Netzwerk geschaffen, um diese private Flüchtlingshilfe im Bezirk besser zu organisieren und nicht völlig dem Zufall zu überlassen. Seither haben sich SchülerInnen, LehrerInnen, Kulturinitiativen, linke SozialdemokratInnen, GewerkschafterInnen, Menschen, die selbst vor Jahren als Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind, und andere engagierte Menschen aus der Donaustadt zusammengefunden und machen aktive Solidaritätsarbeit.
Hier wird täglich Großes geleistet. Aber den FlüchtlingshelferInnen weht ein immer schärferer Wind entgegen. Die FPÖ hat mittlerweile eine Hetzkampagne sondergleichen gestartet. Die Blauen fordern die Schließung beider Flüchtlingsunterkünfte in der Donaustadt mit dem Argument, dass die Flüchtlinge allesamt eine Gefahr für Kinder und Frauen darstellen würden. Die Medienhysterie nach den sexuellen Übergriffen in Köln ist dabei Wasser auf ihre Mühlen. Und diese Hetze zeigt eindeutig Wirkung in Teilen der Bevölkerung. „Connect.Donaustadt“ hat bislang aber sehr offensiv auf diese Kampagne reagiert. Den blauen Störversuchen bei den „Tagen der offenen Tür“ in der Polgarstraße wurde von den vielen anwesenden FlüchtlingshelferInnen gut gekontert, und als aus dem rechten Eck die Ankündigung einer Protestkundgebung gegen die Unterkunft im Kraftwerk kam, wurde sofort eine Gegenmobilisierung gestartet. Mit Unterstützung der „Offensive gegen rechts“ war dieser Aufruf auch derart erfolgreich, dass die rassistischen Hetzer doch von diesem Plan abließen. Das war aber nur der Anfang einer längeren politischen Auseinandersetzung, die noch sehr heiß werden wird.
Mittlerweile haben die Freiheitlichen schon mit der Gründung einer Bürgerwehr gedroht. Mit einer Veranstaltung in der Kantine des Fußballvereins Hellas Kagran wurde eine rassistische Kampagne ins Rollen gebracht, die im Bezirk Wellen schlägt. Dieser Ort wurde nicht zufällig gewählt. Der Hellas Kagran, dessen Präsident der ehemalige Nationalratspräsident Graf ist, gilt als Treffpunkt für die rechtsextreme Szene im Bezirk vom RFJ, den Identitären, Burschis und Fußballnazis. Die selbsternannte Bürgerwehr, die die FPÖ gründen will, würde sich wohl nicht zuletzt aus diesen Milieus rekrutieren.
Die kommenden Wochen werden sie versuchen, die SPÖ im Bezirk vor sich herzutreiben. Der neue Kurs der SPÖ-Spitze in der Asylpolitik (Stichwort Obergrenzen, schneller und noch mehr Flüchtlinge abschieben usw.) zeigt, dass die Sozialdemokratie der rechten Offensive nichts entgegenzusetzen vermag und selbst auf diesen Kurs voll einschwenkt. Die Erfahrung zeigt aber, dass man die FPÖ nicht stoppt, nur weil man der direkten Konfrontation ausweicht, oder schlimmstenfalls sich deren Kurs anpasst, sondern dass dies sie erst recht stark macht.
Die nächsten Schritte
Die Flüchtlingshilfe in der Donaustadt wird zu einem guten Teil auch von SozialdemokratInnen, allen voran aus dem Umfeld der Kinderfreunde, getragen. In den kommenden Wochen heißt es somit abseits der konkreten Flüchtlingshilfe 1) auch ein politisches Zeichen gegen die rechten Umtriebe im Bezirk zu setzen, und 2) politischen Druck zu machen, gegen eine Verschärfung der Asylpolitik und dafür, dass in einem der größten Wiener Bezirke ausreichend Plätze in menschlichen Flüchtlingsunterkünften geschaffen wird. Und zwar nicht nur in einem Werksgelände weit abseits von Wohngebieten, sondern dort wo es Infrastruktur gibt und die menschlichen Bedürfnisse der Schutzsuchenden allumfassend erfüllt werden können. Flüchtlingshilfe darf sich nicht als Lückenbüßer für die unmenschliche Asylpolitik eines Staates sehen, zu dessen Fundamenten struktureller Rassismus gehört. Projekte wie „Connect.Donaustadt“ werden nur erfolgreich sein, wenn sie dieser rassistischen Politik eine politische Alternative entgegensetzen können. Dazu gehört, dass man aufzeigt, wo das Geld wäre, um eine Politik der „Willkommenskultur“ zu finanzieren. Das muss einhergehen mit der Forderung nach einem Ende von Sparzwang und Bankenrettung.
Als erster Höhepunkt einer solchen Kampagne ist im Mai ein großes Solidaritäts- und Begegnungsfest geplant, wo ein politisches und kulturelles Zeichen gesetzt werden soll, dass es auch in der Donaustadt heißt „Refugees welcome“!