Metall. In Langenegg lässt die Hoeckle-Unternehmensgruppe Pleuelstangen und Kurbelwellen für deutsche Luxusautos produzieren. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal. Seit zwei Jahren kämpft die Belegschaft um einen Betriebsrat.
Die Belegschaftsgröße des größten Werks des Konzerns fluktuiert enorm, von fast 400 Leuten vor zwei Jahren auf derzeit etwa 200 ArbeiterInnen.
Der Ausbruch der Krise 2008 brachte für das Werk zunächst einen Einbruch und massiven Arbeitsplatzabbau. Die weitere Entwicklung am Automobilmarkt eröffnete aber im Luxussegment neue Expansionsperspektiven. Da jede Krise die Armen ärmer, die Reichen aber reicher macht, entstehen global neue (super)reiche Schichten. Reiche Säcke wollen Luxuskarren, eben BMW, Mercedes und Porsche. Ab 2010 setzte Hoeckle deshalb auf Expansion. Die Belegschaft in Langenegg verdreifachte sich auf beinahe 400.
Dieser Aufbau verlief vollkommen planlos. Das Management war mit dem Herankarren von Maschinen und Arbeitskräften beschäftigt, auf einen effizienten und fehlerfreien Produktionsablauf wurde schlicht vergessen, weshalb der Arbeitsdruck in Langenegg damals niedrig war.
Ein effizienter Produktionsablauf existiert in Langenegg nach wie vor nicht. Die Ausschusszahlen sind aufgrund der lächerlich miesen Produktionslogistik gigantisch. Stattdessen wird nach Erreichen der gewünschten Werksgröße die Belegschaft scharf auf Stückzahlen gedrillt. Innerhalb eines halben Jahres wurden die Stückzahlen pro Maschine bis zu vervierfacht. Langeweile ist passé, das Management erzwang schnell eine Betriebskultur, in der jedes betriebsbedingte Päuschen an der Maschine als Sündenfall gilt, die Ausübung von Scheintätigkeiten, während das Werkstück in der Maschine ist, wurde zur Norm.
Dreck, Druck, Unfälle
Diese chaotische Werksgeschichte, die Unfähigkeit der Leitung und der Profitdruck sorgen so in Langenegg für eine Arbeitsrealität, die an viele Aspekte des 19. Jahrhunderts erinnern. Mit Hygiene sieht es mau aus: eine Reinigung des Arbeitsplatzes muss von nun an regelrecht erstritten werden, da jede Verlangsamung des Bandes unterbunden werden muss. Wer gefährliche Ölflecke um die Maschine oder um scharfkantige Werkzeug-Ablagen beseitigen will, muss sich dafür regelmäßig mit den Vorgesetzten anlegen.
Neben diesem Dreck am Boden ist bei Hoeckle Langenegg besonders die Verschmutzung der Luft eine massive Belastung. Die Klimaanlage ist unterdimensioniert, Kühlschmierstoffe werden kaum gewechselt und schimmeln in den Tanks vor sich hin, Absauganlagen fehlen oder sind defekt – so arbeiten die Leute bei bis zu 40 Grad und atmen dabei die reinsten Pestwolken. Eine Arbeiterin sah den Betriebsleiter im Sommer 2014 nach fünf Minuten mit den Worten „Ich muss hier raus, diese Hitze!“ aus der Halle laufen. Ein Arbeiter kaufte sich kürzlich wegen Lungenproblemen eine Gasmaske, lief damit demonstrativ durch die Hallen und erhielt lachenden Applaus von den KollegInnen.
Das sind alles nur Momentaufnahmen, die Arbeitsbedingungen sind in jeder Hinsicht schlecht: hoher Kündigungsdruck, deshalb krank arbeitende Leute, Ignoranz wichtiger Sicherheitsbestimmungen und grobe Unfälle. Ganz besonders krass: das Vorgehen in den Werkswohnungen, in der die hauptsächlich osteuropäischen ArbeiterInnen ständigen unangemeldeten Kontrollen ausgesetzt sind – obwohl ihnen eine ganz normale Miete vom Lohn abgezogen wird.
BR – Neustart!
2014 gründete die Belegschaft gegen den massiven Druck des Managements (Motivkündigungen usw.) einen Betriebsrat. Das war ein riskanter und mutiger Einsatz der Beteiligten - der sich allerdings bisher nicht bewährt hat. Darüber sind sich alle bei Hoeckle einig. Der freigestellte Betriebsratsvorsitzende verplemperte die letzten eineinhalb Jahre in absoluter Untätigkeit und war innerhalb kürzester Zeit im gesamten Werk verhasst.
Bei der Gründung glaubten die InitiatorInnen, dass es reicht, die sieben Mitglieder für den BR zusammenzutrommeln, die Liste wählen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass der freigestellte Vorsitzende von ganz allein die Interessen der Belegschaft vertreten wird. Das erwies sich als falsch. Im Gegenteil: einige Betriebsratsmitglieder vertreten nicht die Interessen der ArbeiterInnen, sondern haben begonnen Management-Aufgaben zu übernehmen, indem sie die Belegschaft zu schnellerer Produktion antreiben. Sie argumentieren, dass nur auf Basis höheren Unternehmensprofits bessere Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden könnten.
Auf Basis dieser Erfahrung ist nun eine neue Gruppe von ArbeiterInnen aktiv dabei, organisierten Widerstand zu leisten. Wir vom Funke sprechen dieser Initiative unsere Solidarität aus. Auf der ersten, von unten erzwungenen Betriebsversammlung wurde dem aktuellen Betriebsrat von der gesamten Belegschaft verbal die Rechnung für seine Ignoranz geliefert. Ein Rücktritt des Vorsitzenden wurde nur durch juristisches Fachsimpeln des anwesenden Gewerkschaftssekretärs verhindert, der sich hinter den Freigestellten stellte. Es ist wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass die Belegschaft hier durch Einigkeit und geschlossene Aktion die Situation absolut verändert hat – der Betriebsrat steht nun massiv unter Druck!
Damit ein Neustart der Interessenvertretung gelingt, wollen wir auf eine Notwendigkeit hinweisen: Es reicht nicht, den aktuellen BR einfach zu ersetzen. Es braucht eine Gruppe von AktivistInnen, die konkrete Ziele nennt und sich damit kontrollierbar macht. Ein solches Programm soll am besten unter breiter Beteiligung aller interessierten KollegInnen erarbeitet werden. Auf Basis dessen kann eine neue BR-Liste entstehen, die eng zur Belegschaft steht und umgekehrt steht die Belegschaft so eng hinter ihren zukünftigen Betriebsräten, dass diese nicht mehr unter dem Druck der Betriebsleitung umfallen können. So entwickeln wir eine Chance auf tatsächliche Verbesserungen.
Wenn die Belegschaft diese Chance erkennt, kann Hoeckle Langenegg schon morgen konkrete Verbesserungen erreichen und von einem Ausbeuter-Werk zu einem Ort des Widerstands werden.
Dieser Text basiert auf Informationen, die ehemalige und aktuelle ArbeiterInnen aus Hoeckle-Langenegg dem Funke bereitstellten.