DeutschtrainInnen, also LehrInnen für Deutsch als Fremdsprache, kämpfen mit prekären Arbeitsbedingungen und sind in vielerlei Hinsicht gegenüber ihren KollegInnen in staatlichen Schulen benachteiligt. Die Gründe dafür erläutert eine Genossin vor Ort.

Als einer der größten Deutschschulen für MigrantInnen in Wien sind wir einem enormen Arbeitspensum ausgesetzt: meist neun Stunden pro Tag Unterrichtszeit, das sind 3 Kurse in Gruppen von durchschnittlich 10 Personen pro Tag, als 36 Stunden pro Woche reine Unterrichtszeit! Branchenüblich werden wir dafür in unserem Betrieb nach dem kollektiven Mindestlohn bezahlt, der 1.500 bis 1.600 Euro netto ausmacht – und das trotz akademischen Abschlusses und meist einer Fachausbildung. Die Erwachsenenbildungsinstitute, die vom AMS projektorientiert über Ausschreibungen beauftragt und bezahlt werden, sind in privater Hand und arbeiten somit profitorientiert.

In unserem Arbeitsalltag unterrichten wir nicht nur Deutsch, zu unseren Aufgaben zählen AMS- und fachfremde Aufgaben: die Hausordnung erklären, Anmeldeformulare ausfüllen, Karrierepläne mit persönlichen Daten, Kursergebnissen und Berufswunsch erstellen, Lebensläufe für die fortgeschrittenen Gruppen ausarbeiten, Entschuldigungen (Arzt- und Zeitbestätigungen der Schüler für Fehlstunden) kopieren und abgeben, Mails der Projektleitung und anderen lesen und beantworten, wir sind Kontakt zu den Sozialarbeitern und dem AMS im Haus, Prüfungsan- und ummeldung, freiwillige Exkusionen und Workshops bewerben etc.

Das niedrige Lohnniveau in der Branche lässt sich dadurch erklären, dass es unterschiedliche Erwartungshaltungen daran gibt: Der überwiegende Prozentsatz an TrainerInnen sind Frauen, die generell sehr oft in Teilzeit arbeiten und oft (auch wegen Familie) nicht die Ressourcen haben, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Mehr als die Hälfte der TrainerInnen in der Branche sind MigrantInnen, vor allem hoch qualifizierten Arbeitskräfte aus Osteuropa. Sie sind zwar auch unzufrieden mit den vorherrschenden Arbeitsbedingungen, nehmen aber aufgrund mangelnder, vergleichbarer Alternativen am Arbeitsmarkt in ihren Heimatländern ein höheres Frustrationspotential in Österreich hin. Unter den ArbeitgeberInnen genießen sie dadurch einen guten Ruf, da sie weniger „aufmümpfig“ sind und die DienstgeberInnen bei ihnen gesetzliche Bestimmungen oft nicht immer so genau einhalten müssen. Doch gibt es auch hier Ausnahmen: manche unter den internationalen KollegInnen, die schon länger in der Firma sind, fordern lauthals eine richtige Einstufung laut Kollektivvertrag ein. So gibt es seitens der DienstgeberInnen immer wieder Versäumnisse, Kollegen automatisch in der Gehaltsstufe vorzurücken.

Ein weiterer, belastender Faktor sind die Verantwortungen, die viele ArbeitnehmerInnen zusätzlich zu tragen haben: In der weiblich dominierten Branche gibt es zahlreiche Alleinerzieherinnen bzw. -verdienerinnen, die auf das zu niedrige Einkommen angewiesen sind und nach den neun Stunden Reizüberflutung in den Kursen psychisch und physisch am Ende sind, nach einem Arbeitstag aber familiäre Arbeiten und Verantwortungen zu erledigen haben: Kochen, putzen, Wäsche waschen und die Kinder erwarten sie. Physische Beeinträchtigungen wie Rückenschmerzen und Knieschmerzen durch das lange Stehen oder Heiserkeit sind häufige Beschwerden.

Es bleiben nicht mehr viele der gut ausgebildeten Lehrkräfte, die sich eine kraft- und nervenaufreibende Auseinandersetzung mit der repressiven Geschäftsleitung unter diesen Bedingungen antun können. Resultat dieser beruflichen Bedingungen ist ein häufiger Jobwechsel innerhalb der Branche: Nur eine Hand voll KollegInnen sind vier, fünf Jahre im Betrieb. Nach dieser Zeit zu kündigen macht insofern Sinn, als dass maximal vier Jahre bei anderen Sprachschulen an Vordienstzeiten angerechnet werden können.

In der Klasse werden von Anfängern (A1) bis Maturaniveau (B2) sämtliche SchülerInnen zwischen 8 und 17 Uhr in drei Stunden Kursen unterrichtet. Mit 60 Lehrern und 1.000 SchülerInnen sind wir schon jetzt einer der größten Anbieter in Wien, in den kommenden Monaten werden wir noch um vieles wachsen. Wo die Firma bei zahlreichen Kündigungen all die Arbeitskräfte her nimmt, bleibt ein Rätsel. Ein Teil davon wird von jenen Firmen kommen, welche die AMS-Ausschreibung nicht gewonnen haben, zuvor aber aufgrund der Möglichkeit, sie zu gewinnen, massiv eingestellt haben. Diese sind gezwungen, Arbeitskräfte abzubauen. Gerüchteweise wird es 60 Kündigungen bei Ibis Acam geben. Die Geschäftsleitung der KollegInnen hat schon zugesagt, ihnen bei der Jobvermittlung zu helfen. Der Verdacht, dass sich die Geschäftsleitungen der beiden Firmen zusammen gesprochen haben, liegt nahe. Um den unsicheren Anstellungsverhältnis Ausdruck zu verleihen, werden DeutschtrainerInnen im privaten Bereich als Insiderwitz auch „Wanderhuren“ genannt. All diese Umstände führten dazu, dass nun ein Kern von KollegInnen sich dazu entschlossen hat, den Kampf für gesellschaftlich akzeptable Arbeits- und Lebensbedingungen aufzunehmen.

Die Rolle des Betriebsrates und der Gewerkschaft

Mit den Lohnverhandlungen des BABE-Kollektivvertrags forderte die Gewerkschaft bis Mai die 35 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich. Die Mehrzahl der BetriebsrätInnen spricht von niedriger Solidarität und einem niedrigen kollektiven Bewusstsein in der Branche, weshalb es nicht möglich war, diese gegenüber den Eigentümern der Institute durchzusetzen. Allerdings wird es von Seiten der BetriebsrätInnen auch völlig versäumt, dieses herzustellen. Den meisten KollegInnen war bis vor kurzem nicht klar, was die Arbeit eines Betriebsrats ist, und sie haben ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Verstöße gegen das Recht werden, wenn überhaupt, direkt an das Management herangetragen, ohne den Kündigungsschutz des Betriebsrats für die Durchsetzung individueller und kollektiver Rechtsverstöße zu nutzen.

Die Betriebsversammlung Ende Juli konnte entgegen der wiederholten Zusage des Betriebsrates gegenüber der Basis nur einberufen werden, als der Regionalsekretär der Gewerkschaft kontaktiert und von zwei Seiten Druck gemacht wurde, doch endlich eine Betriebsversammlung einzuberufen. Bei der Betriebsversammlung selbst gingen die Wogen hoch. Die Hälfte der TrainerInner konnte mobilisiert werden, was einen enormen Erfolg darstellt. Die Projektleitung saß vor, während und nach der Betriebsversammlung vor dem Konferenzraum, um zu beobachten, wer ein- und ausging.

Der Geschäftsleitungssekretär wurde insbesondere seitens einer Kollegin mit den Arbeitsbedingungen im laufenden Betrieb konfrontiert: Das Büro ist nur stundenweise zu Mittag offen und sonst zugesperrt, keine vorgesehene Pausenzeiten für die TrainerInnen usw.
Klar und deutlich wurde die Forderung einer 20%igen Vor- und Nachbereitungszeit samt fachfremder Tätigkeit von einem Trainer gegenüber der Geschäftsleitung kundgetan. Die BetriebsrätetInnen hatten im Vorfeld die Forderungen der DeutschlehrerInnen nicht schriftlich an die Geschäftsleitung weitergeleitet, angeblich war die Forderung 30 Stunden Unterricht plus 8 Stunden der Geschäftsleitung bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt. Es wurde mit Verwirrung gespielt.

Der Gewerkschaftsrepräsentant betont die Wichtigkeit der Gewerkschaftsmitgliedschaft für die Kollektivverhandlungen und die Verbesserung des Kollektivvertrags. Der Streik ist ein wichtiges Mittel, um Lohnforderungen gegen GeldgeberInnen und Firma durchzusetzen. Es bedarf eines guten Zusammenhalts und einer Einheit für Forderungen untereinander, er plädiert aber für einen Streik nur der ganzen Branche, nicht eines Einzelbetriebs. Auf Nachfrage an den Betriebsrat, warum die Betriebsvereinbarung nicht aufgekündigt werden kann, da diese keinen Vorteil für die DeutschtrainerInnen bringt, argumentiert der Betriebsrat damit, dass sich dieser aus der Vergangenheit ergeben hat und nicht mehr aktuell sei. Nach eineinhalb Stunden ist die Projektleitung in Gefolgschaft hereingekommen und hat die Versammlung de facto dadurch aufgelöst, dass sie eine Trainerin aufgefordert hat, in die Klasse zurückzugehen, da sie ihre Betreuungspflicht verletze, es wurde seitens der ArbeitnehmerInnenvertretung kein Einspruch erhoben.

Berufsbild

Wir DeutschlehrerInnen machen unsere Arbeit gern und unterrichten gerne, allerdings ist das Arbeitspensum unerträglich hoch. Es hat schon einen Grund, warum im staatlichen Bereich rund 24 Stunden in der Klasse verbracht werden und alle Vor- und Nachbereitungen ebenfalls vergütet werden. Diese Arbeit als LehrerIn für Deutsch als Fremdsprache in unserer Freizeit zu erledigen ist nicht akzeptabel und senkt die Qualität unseres Unterrichts und unseres Lebens an sich. Wir sind jene Menschen, die mit körperlichen Beeinträchtigungen, Traumata und psychologischen Problemen der Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigten und MigrantInnen umgehen müssen. Wohnungssuche, Behördengänge und Geldprobleme sind ebenfalls Themen, die oft zur Sprache kommen, weil die SozialarbeiterInnen im Haus bereits überlastet sind. Dem gegenüber steht: die SchülerInnen haben ein Recht auf eine hohe Qualität des Unterrichts, der nur durch entsprechende Bedingungen ermöglicht werden kann.

An dem bestehenden System ist weiters zu kritisieren, dass private Firmen aus der Erziehung und Ausbildung Profit erwirtschaften und ihre Dienstleistung auf Kosten der LehrerInnen zu Niedrigstpreisen anbieten. Im Sinne einer gesellschaftlich verantwortungsvollen Rolle der Bildung für die Gesellschaft ist es im Interesse aller, SchülerInnen, LehrerInnen, Staat und Gesellschaft, die Ausbildung von Erwachsenen in den staatlichen Sektor überzuführen und zentral zu verwalten. Nur so kann eine bessere Qualität entlang der und für die Bedürfnisse aller AkteurInnen sichergestellt werden.

Zu diesem Ziel ist es nötig, an die Öffentlichkeit zu gehen und uns branchenübergreifend zu vernetzen, um

  • für 30 Stunden in der Klasse, 8 Stunden Vor- und Nachbereitung, keine Übernahme von fachfremden Tätigkeiten
  • bessere Finanzierung für SozialarbeiterInnen im Haus,
  • eine systematische, psychologische Betreuung der Lernenden und SchülerInnen,
  • bezahlte Weiterbildungen während der Arbeitszeit entsprechend unserer beruflichen Herausforderungen in der Klasse sowie
  • die Eingliederung unserer Tätigkeit in den staatlichen Sektor unter demokratischer Mitbestimmung der SchülerInnen, LehrerInnen und der Gesellschaft zu kämpfen.

 

Sophie Fuchs


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