Steiermark. Die „Reformpartner“ SPÖ und ÖVP ergriffen kurz vor der Sommerpause die Initiative, ein asoziales Kürzungspaket bei der Wohnbeihilfe und der Mindestsicherung im Landtag zu verabschieden. Von Paul Ziermann.
Am 5. Juli verabschiedeten die steirischen Landesregierungsparteien nach der Kürzung des Sozialbudgets um 25% im Jahr 2010 einen erneuten sozialen Kahlschlag: Kürzungen der Mindestsicherung und Wohnbeihilfe. Dem autoritären Trend der Sparpolitik folgend, wurden sie mittels Geschäftsordnungstricks überraschend in den Landtag eingebracht und sofort beschlossen. Erst fünf Tage vor der Beschlussfassung wurde bekannt, dass hier ein neues Sparprogramm unterwegs ist. Die InitiatorInnen von SPÖ und ÖVP konnten dabei auf die Zustimmung der FPÖ zählen. Den konsequentesten Widerstand leistete die KPÖ-Landtagsfraktion, die gegen ihren Ausschluss aus dem parlamentarischen Prozedere protestierte und eine rasch improvisierte Protestkundgebung aktiv unterstützte.
Inhaltlich bedeuten die Beschlüsse einen weiteren Angriff auf die Lebensverhältnisse der Massen: Um künftig Wohnbeihilfe zu beziehen, muss man ein Einkommen unter der Armutsgrenze vorweisen. Sobald ein Euro darüber verdient wird, fällt die Wohnbeihilfe zur Gänze weg. Bei dieser Kürzung soll eine jährliche Einsparung von sechs Millionen Euro erzielt werden. Betroffen sind davon 30.000 BezieherInnen, die künftig weniger oder keine Unterstützung mehr bekommen.
Von der Kürzung der Mindestsicherung sind aktuell 20.000 BezieherInnen betroffen. Im Vorfeld wurde für mögliche Verschärfungen von SPÖ und ÖVP dabei kolpotiert: eine Umstellung von Geld- auf Sachleistungen, schnellere Sanktionsmöglichkeiten bei „Arbeitsunwilligkeit“ und zeitliche Beschränkung des Bezuges von Asylberechtigten. Hier würde der Bezug zusätzlich mit der Verpflichtung zur Teilnahme an in viel zu geringer Zahl angebotenen Deutschkursen verknüpft.
Scheinverhandlungen
Für Studierende forderte die Landesregierung die Koppelung der Wohnbeihilfe an den Bezug eines Stipendiums. Aufgrund der restriktiven Richtlinien des österreichischen Stipendiensystems wäre so die große Mehrheit der Studierenden automatisch aus der Bezugsberechtigung ausgeschlossen. Die Kleine Zeitung berichtete am 4. Juli von einem vermeintlichen Entgegenkommen der Landesregierung auf die Studierenden nach Verhandlungen mit deren VertreterInnen. Das Perfide daran: Nichts an dieser Aussage ist wahr. Zum einen hatte die SPÖ Steiermark keineswegs mit den gewählten StudierendenvertreterInnen verhandelt – alle Grazer ÖHs gaben bekannt, nie von der Landesregierung kontaktiert worden zu sein. Es stellte sich jedoch heraus, wer diese VertreterInnen der Studierenden tatsächlich sind. Es handelt sich um den VSStÖ Graz, der im letzten Jahr sämtliche KritikerInnen der bürgerlichen Politik der SPÖ-Spitze ausschloss oder hinausdrängte. Damit entledigte man sich gewählter MandatarInnen und agiert immer mehr als Jugendorganisation der SPÖ. Die von VSStÖ und SJ Steiermark verhandelten „Verbesserungen“ sind in Wahrheit eine massive Verschlechterung für die Studierenden: So wurde zwar die Koppelung der Wohnbeihilfe an ein Stipendium aufgehoben, allerdings wurde dieser Passus durch eine noch viel asozialere Maßnahme ersetzt. Künftig müssen Studierende in der Steiermark vorweisen können, dass beide (!) Elternteile unter der Armutsgefährdungsschwelle (1123€ monatlich) verdienen, unabhängig vom Gesamteinkommen der Familie. Diese Änderung kostet tausende Studierende die Wohnbeihilfe. Das Verhalten dieser GenossInnen ist nicht nachvollziehbar. Am ehesten lässt es sich noch durch eine völlige sozialpolitische Inkompetenz und Unwissenheit sowie ihre selbstgewählte Unterordnung unter den Schulterschluss mit den Bürgerlichen erklären. Die VSStÖ-Führung selbst gab bisher keine Stellungnahme zum Zustandekommen dieses faulen Deals ab. Die Landtagsabgeordnete Michaela Grubesa, die mit einem SJ-Wahlkampf gewählt wurde, stimmte diesen Kürzungen im Landtag zu.
Nein zu Sparpaketen!
Trotz der kurzen Frist begann sich recht schnell Widerstand in der Steiermark zu regen. Eine Petition des Kommunistischen StudentInnenverbandes (KSV) wurde bereits in den ersten Tagen von weit über 4000 Menschen unterschrieben. Zu einer Kundgebung vor dem steirischen Landtag kamen trotz des medialen Schweigens und der Kurzfristigkeit etwa 200 Menschen. Auch die Sozialistische Jugend Steiermark nahm schließlich an dieser Kundgebung teil. Wir müssen den GenossInnen sagen: Es ist gut, gegen solche Maßnahmen zu demonstrieren. Doch gleichzeitig legt die Führung der SJ Steiermark die Hoffnungen auf Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und nimmt stillschweigend hin, dass von der Organisation unterstützte Abgeordnete Kürzungen zustimmen. Diese „Doppelstrategie“ verwirrt in Wirklichkeit nur und schwächt den entschlossenen Widerstand gegen solche Kürzungen. Tausende Studierende werden durch dieses Vorgehen hintergangen und in der Praxis bedeutet es eine weitgehende Unterordnung unter die Interessen der SPÖ-Parteibürokratie und ihrer bürgerlichen Politik. Deswegen stellten sich FunkeunterstützerInnen auf dem folgenden Verbandsvorstand der Sozialistischen Jugend auch klar gegen so ein Vorgehen und forderten eine Verurteilung nicht nur der Maßnahmen, sondern auch der Landesregierung und der Abgeordneten, die für sie gestimmt hatten. Dieses Ansinnen wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt.
Für uns ist klar, auf welcher Seite wir stehen: Gegen jegliche Kürzungen im Sozialsystem. Und der Kampf dagegen wird weitergehen. In der Steiermark formiert sich breiter Widerstand, so kündigten die steirischen ÖHs an, weitere Kampfmaßnahmen organisieren zu wollen. Nun ist es die Aufgabe der handelnden politischen Akteure, den Protest zu bündeln und im Herbst umso energischer fortzusetzen. Wir stehen dabei für eine breite Aktionseinheit aller, die gegen die asoziale Politik der steirischen Landesregierung stehen: Nein zur Kürzung der Wohnbeihilfe und Mindestsicherung!