Wie die ÖVP eine Regierungsauflösung riskiert und warum dies wieder auf Kosten der Ärmsten geht berichtet Stefan Wagner.

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung (wie sie im Wortlaut heißt) – BMS – ist schon seit Jahren Diskussionsthema, vor allem zwischen den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Obwohl sie schon 2006 im Koalitionsabkommen stand, dauerte es noch vier Jahre, bis die bedarfsorientierte Mindestsicherung eingeführt wurde. Und hier auch mit der Klausel, dass die Länder eigene Bestimmungen festlegen konnten. Zum Beispiel zogen einige Länder Vermögenswerte (wie ein PKW) der BezieherInnen heran.
Die BMS ist als „soziales Trampolin“ konzpiert. Sie solle Menschen so schnell wie möglich wieder auf den Arbeitsmarkt schleudern, anstatt es sich in der „sozialen Hängematte“ gemütlich zu machen.

Ohne Not kochen die Auseinandersetzungen und Diskussionen dieser Zeit heute wieder hoch, gewürzt mit einer Portion mehr an Rassismus. Während über eine Million Menschen in Österreich unter der Armutsgrenze leben und mehr als eine halbe Million Menschen arbeitslos sind, schreien die VerteidigerInnen des Kapitals nach einer Kürzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung, da diese zu teuer für unser Sozialsystem sei. Außerdem sei sie nicht gerecht, da Menschen davon profitieren, die noch nie in das Sozialsystem eingezahlt haben (Stichwort anerkannte Flüchtlinge) und andererseits würde der Unterschied zu einem normalen Lohn nicht groß genug sein und damit den Anreiz auch mieseste Jobs anzunehmen, zu sehr abgedämpft. Der Angriff auf die Mindestsicherung ist damit nicht zuletzt ein weiterer Angriff auf das unterste Niveau von Löhnen und Arbeitsbedingungen aller ArbeitnehmerInnen.

Nüchtern betrachtet betragen die Kosten der BMS nur einen Bruchteil der sozialen Transferzahlungen, nämlich rund 1%. Und gerade die Leute, die mit Gerechtigkeit argumentieren, sind gegen eine Anhebung des Mindestlohns, gegen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich oder gegen eine Vermögenssteuer; Maßnahmen, die effektiv für mehr Gerechtigkeit sorgen würden. Diesen AdjutantInnen des Kapitals geht es aber nicht um Gerechtigkeit, im Gegenteil. Sie wollen eine Spaltung der Arbeiterklasse entlang von nationaler Herkunft, bzw. eine Spaltung in ArbeiterInnen und arbeitslose „SozialschmarotzerInnen“. Diese Spaltungsmechanismen sollen dazu beitragen, dass der Angriff auf die gesamte Arbeiterklasse verschleiert wird. Unter diesen Gesichtspunkten sind diese sogenannten Reformen in Oberösterreich und Niederösterreich zu sehen, unter diesen Gesichtspunkten ist auch das Agieren der gesamten ÖVP zu sehen. Die Kürzung für Schutzbedürftige und die Bindung von Zahlungen an irgendwelche nebulösen Wertekurse als auch die Deckelung sind nichts als Schikane und fallen neben weiteren „Einsparungen“ nur den Ärmsten der Armen in den Rücken.

Und was sagt die SPÖ dazu?! – Sie ist wie immer gesprächsbereit. Das passt ins Schema des ganzen Jahres 2016. In der Apathie des Dauerwahlkampfs der Bundespräsidentschaftswahlen schlug die ÖVP eine soziale Grauslichkeit vor, die SPÖ ist zwar dagegen, erklärt sich aber gesprächsbereit. Im Endeffekt kommt ein fauler Kompromiss heraus, ähnlich der Debatte rund um die Notstandsgesetzgebung. Der rechte Flügel der SPÖ, wie LH Niessel, trug den Angriff auf die Mindestsicherung sogar offensiv mit.

Das Scheitern einer einheitlichen Gesetzgebung auf Bundesebene ist ein weiterer Baustein der schwelenden Regierungskrise. Hier wie auch in allen anderen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen gilt es einen unabhängigen Klassenstandpunkt einzunehmen und damit politisch in die Offensive gehen. Dieser Standtpunkt kann nur lauten: kein Schritt zurück mehr bei sozialen Rechten, Bruch mit den Bürgerlichen statt Krisenverwaltung im Sinne der Reichen!


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