In Österreich wird munter an einer Verschärfung rassistischer Zustände gearbeitet. Dazu gehören „Racial Profiling“ und eine mediale Hysterie rund um den Westbahnhof. Martin Gutlederer zu den Hintergründen.
Der „versuchte Terroranschlag“ eines 17-jährigen Jugendlichen im Jänner dieses Jahres kam Innenminister Wolfgang Sobotka für seine Agenda gerade recht. Man könnte fast glauben, Sobotka – wir erinnern uns, er verzockte 996,79 Mio. Euro an niederösterreichischen Wohnbaugeldern – freue sich über den „versuchten Terroranschlag“. Er bietet nun endlich auch in Österreich den willkommenen Anlass, Fußfesseln als präventive Maßnahme und „Staatsfeindlichkeit“ als Straftatbestand zu fordern.
Das Problem an dieser „wunderbaren Geschichte“, um endlich die staatlichen Zwangsmittel in Österreich zu verschärfen, ist, dass der Vorfall eher einer Operette gleicht, denn einem Terroranschlag. Der Zugriff auf den genannten Jugendlichen erfolgte primär, weil „Krone Online“ berichtete und auch nach mehreren Tagen konnten weder Sprengstoff, Waffen oder konkrete Anschlagspläne gefunden werden. Der Vorfall reichte jedoch, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Der Abbau demokratischer Rechte inklusive die Einführung einer elektronischen Fußfessel für „Gefährder“ – ein Begriff der in Österreich nicht definiert ist, und laut Profil werden auch „Linksextreme“ in diesem Zusammenhang vom Verfassungsschutz überwacht – hat es ins Regierungsprogramm geschafft. Was heute noch vermeintliche islamistische TerroristInnen betrifft wird morgen schon gegen Linke und GewerkschafterInnen eingesetzt werden.
Unter dem Deckmantel des Schutzes vor Terror und Gewalt wird in Österreich die Spaltung der Arbeiterklasse nach rassistischen Kriterien vorangetrieben. Besonders deutlich wird das bei der vermehrten Durchführung einer in Österreich – offiziell noch – verbotenen Praxis, dem „Ethnic“ oder „Racial“-Profiling. Konkret bezeichnet dieser Vorgang die verdachtsunabhängige Kontrolle von Menschen mit offensichtlichem bzw. scheinbar äußerlich erkennbarem Migrationshintergrund.
Folgende Wahrnehmungen wurden an unsere Redaktion herangetragen: Pendelnde ArbeiterInnen auf dem Weg in die Arbeit werden mit einem „Den schaust dir an“ stichprobenartig aufgrund ihres Aussehens aus der Gruppe ihrer KollegInnen herausgezogen und kontrolliert, oder eine Gruppe von Kindern wird von der Wiener Polizei gekesselt, weil einige der Mädchen ein Kopftuch tragen.
Begleitet wird das Ganze von einer medialen Hysterie von Schmierblättern wie der „Kronen Zeitung“, „Heute“ und der „Österreich“. Letztere fiel durch einen besonders rassistischen Artikel inklusive Bild auf, in dem zu sehen ist, wie Wien als Kriegsgebiet zwischen verschiedenen Banden aufgeteilt ist. Man kann nur mutmaßen in welcher Parallelwelt die Herausgeber dieser Meinungsmache leben, in der Bandenkriege das größte Problem in Wien sind, während im Durchschnitt jeden Tag sieben Familien zwangsgeräumt werden, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können.
Das Innenministerium legt in seinem Sicherheitsbericht einen starken Fokus auf sogenannte „Fremdenkriminalität“. Gesamthaft wird für 2015 ein rückläufiges Bild der Kriminalität gezeichnet: „Mit 517.870 angezeigten Delikten ist die Zahl der Anzeigen in Österreich 2015 wie in den Jahren davor abermals zurückgegangen. Verglichen mit den letzten zehn Jahren wurde 2015 erneut ein Tiefstand erreicht.“ Weiter bemerkenswert: bei 61,5% der insgesamt 40.333 angezeigten Gewaltverbrechen besteht ein familiäres oder „freundschaftliches“ Naheverhältnis zwischen Opfer und Täter.
Insgesamt wurden 2015 92.804 sogenannte „fremde Tatverdächtige“ ausgeforscht. Angeführt wird die Statistik von rumänischen Staatsbürgern (9642) dicht gefolgt von Verdächtigen aus Deutschland und Serbien. Eine höhere Kriminalität von Asylwerbern im Vergleich zur ansässigen Bevölkerung kann nicht nachgewiesen werden. Asylwerber begingen 2015 nur knapp mehr Delikte als Touristen. Auf eine Zuordnung von Tatbestand zu Aufenthaltsstatus wird gänzlich verzichtet, daher ist die medial vom Innenminister gezeichnete hohe Gewaltkriminalität unter Asylwerbern im Bericht seines Ministeriums eine unüberprüfbare Behauptung. Der Haupttatbestand der „fremden Kriminalität“ ist übrigens Ladendiebstahl. Der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl kommentiert im Kurier: „Das Merkmal Fremder erklärt überhaupt nichts. Das Merkmal Armut sehr wohl. Das ist Armutskriminalität, meinetwegen auch Jugendkriminalität“, sagte Kreissl. ‚Wenn ich zum Billa gehe und ein Weckerl stehle, hat das nichts damit zu tun, dass ich aus Syrien komme, sondern damit, dass ich Hunger habe`“.
Hier schließt sich auch der Kreis zum gesellschaftlichen Diskurs rund um den Terror. Racial Profiling wird von manchen besonders widerlichen Exponenten der Medien und Bürgerlichen, wie Christian Ortner („Die Presse“ 12.1.17 „Warum Diskriminierung höchst sinnvoll sein kann“), als effiziente Form der Terrorvermeidung gefordert. Das passiert alles während selbst nach Berichten des österreichischen Innenministeriums rechtsextreme Straftaten gegen Menschen noch immer führend sind und der rechtsextreme Martin Sellner nach dem Abfeuern einer Pfefferspraypistole am Tag der Demonstrationen gegen den „Akademikerball“ von der Polizei wieder laufen gelassen wird. Es handelt sich hier wohl um eine weniger gefährliche Straftat wie „Mistkübel wieder aufzustellen“ wofür ein junger Deutscher, Mitglied der sozialistischen Jugendorganisation „Die Falken“, sechs Monate in Untersuchungshaft gehalten und de facto ohne konkreten Tatbeweis verurteilt wurde.
Es geht bei „Racial Profiling“ und der Hysterie rund um Terror vor allem um eines: Eine gesellschaftliche Stimmung zu schaffen, die die Arbeiterklasse in Österreich entlang von nationalen Linien spaltet und damit schwächt. Die Sozialdemokratie dient sich den Bürgerlichen dabei als Handlanger an, die demokratischen Rechte, die sie selbst einst erkämpft hat, wieder abzuschaffen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis eine Bürgerblockregierung die Schwäche der Arbeiterbewegung ausnützt um einen Generalangriff auf die Lebensbedingungen der österreichischen Lohnabhängigen zu fahren. Die Grundlage für diese Angriffe wird bereits heute gelegt. Die Strategie ist es, Solidarität durch Rassismus zu untergraben und eine Kultur des Egoismus und Individualismus zu erzeugen, wo jeder auf sich schaut und glaubt „mich werde es schon nicht treffen“. Es wird von einer realeren und schwerwiegenden Gefahr für den Lebensstandard der Massen in Österreich abgelenkt. Diese Gefahr heißt Kapitalismus, der in seiner Krise die sozialen Lebensgrundlagen und demokratischen Rechte systematisch zerstört und abschafft.