Die Regierung Kern hat ein weiteres Mal ihre besten Kettenhunde losgelassen. Die Hintergründe und politischen Auswirkungen der rassistischen Diskussion rund um die Änderung des Fremdenrechts beleuchtet Stefan Wagner.
Die beiden Minister Sobotka (Inneres, ÖVP) und Doskozil (Verteidigung, SPÖ) haben ein neues rassistisches Thema gefunden, das ihrer Meinung nach einer Reform bedarf, nämlich: Wie bringt die Regierung am besten „Illegale“ außer Landes? Menschen, die einen negativen Asylbescheid bekommen haben, soll die Grundversorgung unter bestimmten Umständen – nämlich dann, wenn die Betroffenen nicht „freiwillig“ an ihrer Ausreise „mitwirken“ – gestrichen werden. Dies würde knapp 3.500 Personen betreffen, fast 1.500 allein in Wien, was in etwa 5% aller Grundversorgten entspräche. Bisher wurde die Grundversorgung noch ausbezahlt, da es zum Beispiel in vielen Fällen mit dem Ursprungsland kein Rückführungsabkommen gab. Die harmlose Formulierung „freiwillige Mitwirkung“ soll einen zusätzlichen „Anreiz“ implizieren. Das Kalkül bei der „freiwilligen“ Ausreise ist natürlich ganz einfach: Sie ist organisatorisch viel einfacher und auch günstiger als die zwangsweise Abschiebung.
Wenn dieser Anreiz noch immer nicht fruchtet, soll die weitere „Kaskade an Maßnahmen“ (Doskozil) greifen: Bestrafung und/oder Internierung! Die Bestrafung von Asylwerbern, wenn diese falsche Angaben zu ihren laufenden Verfahren machen, wird nämlich erhöht. Schon bisher wurden Menschen bestraft, wenn sie sich trotz Ausweisungsbescheid weiter in Österreich aufhielten. Die Bestrafung ging im Wiederholungsfall bis auf €7.500. Das soll nun sogar auf €15.000 erhöht werden – oder sechs Wochen Haft. Da sich die betroffen Personen weder den einen noch den anderen Betrag leisten können, heißt das im Klartext, dass für sie ein Haftbefehl ausgestellt wird.
Neben dem Verlust der Grundversorgung und den Strafen für MigrantInnen, die untertauchen oder weiterhin die Ausreise verweigern, kommen noch zwei weitere „Anreize“. Einerseits eine zwangsweise Unterbringung in neu zu schaffenden „Rückkehrzentren“ in „Transit-Routen“ oder andererseits die Drohung der Schubhaft. Die Rückkehrzentren dürfen überhaupt nicht mehr verlassen werden und die Menschen stehen dabei unter Beobachtung des Bundes oder schöner formuliert: In „Beratung durch Bundesbetreuung mit Aufsichtspflicht“. Und noch schöner formuliert es die SPÖ in einer internen Aussendung: „AsylwerberInnen mit einem negativen Bescheid erhalten eine erweiterte Rückkehrberatung. Dazu gehört etwa die finanzielle und organisatorische Unterstützung dabei, sich im Herkunftsland wieder eine Existenzgrundlage aufbauen zu können.“ Noch makabrer kann man sich die Realität eines Flüchtlings nicht zurechtbiegen! Auch die Schubhaft – welche eigentlich nur dazu dient, den reibungslosen Ablauf angeblich notwendiger Abschiebungen zu sichern – wird von 10 auf 18 Monate erhöht. Beides, also die Anhaltelager und die Erhöhung der Schubhaft, sind Zwangsmaßnahmen, um die Betroffenen „in den Griff zu bekommen“.
Doch nicht nur auf abgelehnte AsylwerberInnen wird eifrig eingedroschen, nein, auch Menschen mit bereits positivem Asylbescheid geraten unter den Generalverdacht der Arbeitsscheue und des Hangs zur Kriminalität. Die Aberkennung eines Aufenthaltstitels soll in Zukunft bei Straftaten viel schneller vonstatten gehen. Das entsprechende Verfahren soll schon bei einer Anklage gestartet werden, ohne dass man überhaupt noch weiß, ob es zu einer Verurteilung kommt. Lang lebe die Unschuldsvermutung! In Zukunft sollen auch Gemeindeverbände AsylwerberInnen und Fremde zu gemeinnützigen Hilfstätigkeiten heranziehen können, wobei die Bezahlung auch ja nicht zu hoch sein soll. Angedacht ist ein Hungerlohn vergleichbar mit dem eines Zivildieners.
Doch Paragraphen hin oder her: Sobotka und Doskozil wollen sich als Macher darstellen und bei der ganzen Thematik der FPÖ das Wasser abgraben. Wenn dabei die öffentliche Diskussion hochkocht, umso besser. Sobotkas Gefasel: „Der Rechtsstaat muss Rechtsstaat bleiben!“ ist ja nur Phrasendrescherei. Sobotka als gelerntem ÖVPler aus dem schwarzen Fürstentum Niederösterreich ist der Rechtsstaat ohnehin völlig egal, wenn es um den Korruptionsfilz der eigenen Partei geht. Auch Doskozil kann man keine übertriebene „Menschenfreundlichkeit“ nachsagen. Kritik am Vorhaben der Regierung kommt aus der Zivilgesellschaft und sozialen Einrichtungen, aber auch aus der SPÖ Wien und Teilen des SP-Parlamentsklubs. Aber gerade in Bezug auf die SPÖ (ja, auch der Wiener) müssen wir sagen: Die Kritik ist so lange nur ein Lippenbekenntnis, bis ihr praktische Taten folgen! Alle sozialen Schweinereien, die seitens Sobotka/Doskozil vorgeschlagen wurden, sind ja entweder in Kerns Plan A nicht explizit ausgeschlossen oder im vereinbarten Regierungsprogramm sogar implizit verankert.
Der Rassismus dieser Gesetzgebung ist offensichtlich und einkalkuliert. „Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.“ Oder anders gesagt: Die Durchdringung der öffentlichen politischen Meinung mit rassistischen und ausländerfeindlichen Stimmungen ist der ideologische Kitt der herrschenden Klasse zur Unterdrückung der Arbeiterklasse, der Jugend und der Armen. Nicht die stagnierenden Löhne oder die nicht ausbezahlten Überstunden, nicht die zum Himmel schreiende Ungleichverteilung des Reichtums und der Einkommen, nicht die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik sollen als das Problem wahrgenommen werden. Nein, die herrschende Klasse hämmert uns – unterstützt durch die Medien – tagtäglich ein, dass an allem die Flüchtlinge/AusländerInnen Schuld seien. Die Regierung ist so ein Teil der Stimmungsmache, die die Unterdrückten so entlang von nationalen Linien spaltet, und dient ihr gleichzeitig als Zuträgerin. Sie kanalisiert so den Unmut der Massen auf ein einziges Thema, um bei anderen Bereichen weiter die Daumenschrauben anziehen zu können. Während die SPÖ alles durchwinkt, was selbst vor ein paar Monaten parteiintern und -extern noch undenkbar war, jubiliert die ÖVP und ist insgeheim verblüfft darüber, was – dank Kern! – alles durchgeht. Die FPÖ als Joker der herrschenden Klasse kommt gar nicht mehr dazu, die Regierung inhaltlich zu kritisieren, soweit betreibt sie schon selbst rassistische Politik. Die FPÖ kann maximal der Regierung vorwerfen, diese meine es mit ihrer Politik nicht wirklich ernst und sich als die „echtere“ Alternative darstellen. Die Regierung Kern meint es aber bitterernst. Die Krise des Kapitalismus soll durch Standortlogik, nationalen Schulterschluss und Sparen bei den Ärmsten gelöst werden, die Bevölkerung dabei mit der rassistisch aufgeladenen Sicherheitsdebatte abgelenkt werden. Wir als MarxistInnen wissen aber, dass so eine Politik nur der herrschenden Klasse/den Reichen dient und dass eine wirkliche Lösung der Krise des Kapitalismus dessen Überwindung ist. Und dazu müssen alle Ausgebeuteten in Österreich an einem Strang ziehen und sowohl gegen die Politik der Regierung als auch gegen die rassistischen DemagogInnen der FPÖ aufstehen.