Der Rauswurf der Jungen Grünen durch die eigene Parteispitze hat hohe Wellen geschlagen. Was dieser Konflikt über den Charakter der Grünen in Zeiten des nationalen Schulterschlusses aussagt, analysiert Emanuel Tomaselli.

„Jede politische Kraft, die organisiert gegen die Logik der Systemstabilität steht, muss weg.“ So fassten wir in einer ersten Stellungnahme die zugrunde liegende Dynamik des Konflikts zwischen der Parteispitze der Grünen und den Jungen Grünen (JG) zusammen. Diese Auseinandersetzung endete mittlerweile mit der Kapitulation der Führung der JG, die dem öffentlichen Druck nicht länger standzuhalten wusste.

Der Todesstoß wurde den JG durch die ORF-Sendung „Im Zentrum“ am 9.4. gegeben, deren ganzes Setting ein eindeutiges Ziel verfolgte. Es galt die angeschlagene Grüne Parteivorsitzende Eva Glawischnig politisch zu retten, die in der jüngsten Vergangenheit schwer in Bedrängnis gekommen war. Alsbald ihr vergewissert wurde, dass die Zusammensetzung der Diskussionsrunde zu ihren Gunsten erfolgen würde, erholte sie sich von ihrem allergischen Schock und trat wieder in die öffentliche Arena. Ein desinteressierter alternder Politologe durfte im TV-Studio sodann schlechte Witze über die Linke im Allgemeinen reißen, und ein PR-Mann, der von Aufträgen des Mitte-Links-Spektrums des nationalen Schulterschlusses (Wirtschaftsbund, SPÖ, Grüne) lebt, durfte den rhetorischen Rammbock gegen die JG-Vorsitzende Flora Petrik machen. Der PR-Mann wird für diesen Dienst nicht unbedankt bleiben. Ausgeladen wurde dafür der ehemalige Grün-Mandatar Johannes Voggenhuber, der bekannt dafür ist, eine eigenständige politische Position zu beziehen.

Ausdruck dieser Unausgewogenheit war die von allen, außer Petrik, vertretene Position, dass Parteien, die ihren Mitgliedern demokratische Rechte zur Formulierung eines politischen Programms einräumen, etwas Vorgestriges seien. Heute gälte es stattdessen Menschen nur punktuell in von Apparaten vorgegebene Scheinprojekte einzubinden. Damit offenbaren die selbstdefinierten „Vordenker“ was sie wirklich sind: Ideologen und Apologeten der Systemstabilität. Die möglichst softe Aushöhlung von Demokratie und demokratischen Entscheidungsfindungen ist eine Grundvoraussetzung der Umsetzung des permanenten Sparzwangs unter den Bedingungen eines formal demokratischen politischen Systems.

Die Logik des kleineren Übels

Flora Petrik hielt der untergriffigen Debattenführung im Setting 3 gegen 1 rhetorisch stand. Politisch jedoch konnte sie die TV-Arena nicht nützen, was beispielhaft für eine kollektive politische Schwäche der Jungen Grünen steht.

Obwohl die JG im vergangenen Jahr eine scharfe politische Kritik an Van der Bellen formulierten, widmeten sie sich in der Praxis schlussendlich doch hauptsächlich der Wahlwerbung für den Professor. Die Rechtfertigungslogik für diesen Spagat wird von Petrik so formuliert: Man erhoffte sich, unter der Präsidentschaft Van der Bellens Zeit zu gewinnen, um die politische Linke fit für den Kampf gegen den Rechtsruck zu machen.

Diese falsche politische Perspektive wurde mit Ausnahme der MarxistInnen rund um den „Funke“ de facto von der gesamten österreichischen Linken geteilt. Wir hingegen argumentierten im gesamten vergangenen Jahr, dass der Wahlaufruf der Linken für den Systemkandidaten Van der Bellen die Linke schwächen würde. Weiter argumentierten wir, dass Van der Bellen nicht die Position der Linken stärken würde, sondern dass er die Linke in den Dienst der politischen Stabilität des nationalen Schulterschlusses stellt.

Die Gesamtheit dieser Analyse bestätigte sich schon in den ersten Tagen der Präsidentschaft Van der Bellens. Auf die Rechtfertigung des „Akademikerballes“ in der Hofburg folgte der Auftrag an die Regierung „Resultate zu erzielen“. Nachdem Kerns Kapitulation vor dem Kapital erfolgt ist (keine Vermögenssteuern, Angriffe auf Arbeitszeit, Arbeitnehmerschutz  und Unizugang in Vorbereitung), kann sich Van der Bellen nun sehr wohl baldige Neuwahlen vorstellen. Er ist ein weißes Blatt Papier auf dem Schreibtisch des Raiffeisenkonzerns.

Die Linke im allgemeinen und auch die Jungen Grünen litten in den vergangenen Monaten besonders stark unter ihrem opportunistischen Fehler bei den Bundespräsidentenwahlen. Viele AktivistInnen zogen sich frustriert von den Resultaten der Politik des „kleineren Übels“ ins Privatleben zurück.

Als die JG daran gingen die strategische Position der Linken bei den Grünen verbessern zu wollen, platzte der Parteiführung der Geduldsfaden. Im Konflikt Grüne Studierende vs. GRAS kristallisierten sich die strategischen Unterschiede: hier der Ansatz eines handlungs- und kampagnenfähigen Mitgliederorganisation, dort öffentlich gespeiste Geldtöpfe, um die sich eine durch „Basisdemokratie“ und „Konsensprinzip“ hermetisch abgeschottete Clique versammelt hat.

Was bedeutet heute Demokratie?

Zentraler Slogan der Jungen Grünen in diesem Konflikt ist die Forderung nach einem „demokratischen Aufbruch“. Diesem Slogan fehlt jedoch der materielle Inhalt. Dies machte es dem Apparat der Grünen leicht, die JG als statutenversessene. machtgeile Clique ohne politischen Inhalt darzustellen. Tatsächlich konnten die JG auch keine nachvollziehbare politische Kritik an der Grünen Partei vorbringen. Der Umstand, dass die Grünen in der Mehrheit der Landesregierungen sitzen und dort die Spar- und Sicherheitspolitik mittragen, würde es ein Leichtes machen, konkrete und allgemein nachvollziehbare Kritik an der bürgerlichen Mutterpartei zu formulieren. Verfolgt man die Aussagen der letzten Woche, wird jedoch der Anschein erweckt, als fänden sie die Politik der Grünen im Großen und Ganzen gut, und würden sie nur die Öffnung der Partei für neue AktivistInnen vermissen.

Im Slogan des „demokratischen Aufbruches“ spiegelt sich die gesamte politisch-ideologische Schwäche der JG wider. Dem Begriff fehlt jeder Bezug zu realen sozialen Verhältnissen. Wir leben in einer Demokratie. Wenn uns diese nicht genug ist, dann muss man benennen können, was man anders haben möchte. Aus marxistischer Sicht ist die bürgerliche Demokratie nur eines der möglichen politischen Systeme der Herrschaftsausübung des Kapitals. Tatsächliche Demokratie würde heißen, dass den Banken und Konzernen die Verfügungsgewalt über das Schicksal der Menschheit entzogen werden muss, und zwar durch Enteignung des Privatkapitals.

Der Slogan des „demokratischen Aufbruchs“, wie ihn die Jungen Grünen formulieren, hat keinerlei realen sozialen Inhalt und ist damit verdammt wirkungslos zu bleiben. Anstatt konkrete Fragen aufzuwerfen, verschleiert er die entgegengesetzten Ausrichtungen zwischen der Mutterpartei, die sich der Stabilität des österreichischen Kapitals verschrieben hat, und den Jungen Grünen, die abstrakt gegen den Kapitalismus stehen, aber im konkreten keinerlei Alternative zur Politik der Parteispitze formulieren können.

Ohne Arbeiterklasse und Sozialismus – keine Alternative

Der Tenor der letzten Presseaussendung des Vorstandes der Jungen Grünen vom 10. April offenbart das fundamentale Problem der Organisation. Nachdem man in der Öffentlichkeit gescheitert ist, den Konflikt zwischen Partei und Jugendorganisation nachvollziehbar darzustellen, muss nun vollständig kapituliert werden: „Die gestrige Diskussion bei 'Im Zentrum' mit Eva Glawischnig und Flora Petrik hat gezeigt, dass sich alle Grüne einig sind, dass es eine möglichst gut organisierte und stark verwurzelte politische Kraft braucht für ein vollwertiges Bildungssystem, Verteilungsgerechtigkeit, Solidarität, die Menschenrechte sowie für Klimaschutz.“

Gemeinsam mit Eva Glawischnig sollen nun „Vorschläge erarbeitet werden, was die gegenseitigen Erwartungen, Rechte und Pflichten in der Zusammenarbeit zwischen Partei und Jugendorganisation betrifft.“

Auf der programmatischen Basis von „Strukturen“ und „Demokratie“ konnte der Vorstand der JG keine erfolgreiche Auseinandersetzung mit dem Parteiapparat führen. Der angekündigte Rücktritt des gesamten Vorstandes im kommenden Juni ist das Resultat dieser politischen Schwäche, und der logische Schritt nach der politischen Kapitulation vor der Konzeption der Grünen.

Flora Petrik will nun sowohl jenen, die bei den Grünen bleiben wollen, als auch jenen, die „es woanders hinzieht“, eine Perspektive ermöglichen. Die politische Utopie wird damit auf die Spitze getrieben, und die Dynamik der kommenden Ereignisse völlig in die Hand jenes Parteiapparates gelegt, dessen Abgang man sich noch vor wenigen Tagen gewünscht hat. Damit ist vorprogrammiert, dass sich viele AktivistInnen der Jungen Grünen frustriert aus der politischen Arbeit zurückziehen werden.

Diese Niederlage ist aber nicht umsonst, wenn sie studiert wird und alle politischen Konsequenzen gezogen werden: Die Umorientierung auf die Arbeiterklasse, ihre Traditionen, Kämpfe und ihre Wissenschaft der Befreiung: den revolutionären Marxismus.


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