Grüne. Angesichts der kommenden Nationalratswahlen kommt es zu massiven Umgruppierungen und Neuformationen aller politischen Parteien. Im Zentrum dieser Prozesse steht die de facto Auflösung der Grünen. Von Martin Gutlederer.

Den Beginn im Verfallsprozess machten dabei die Jungen Grünen als linker Flügel, von dem sich die Parteispitze befreit hat, in der Hoffnung Stärke zu beweisen und die Desintegration aufzuhalten. Das Gegenteil trat ein. Die Widersprüche traten noch krasser zutage und fanden ihren Höhepunkt in der Kampfabstimmung um Platz 4 zwischen „dem Jungen – Julian Schmidt“ und „dem Alten – Peter Pilz“. Als sich eine Mehrheit der handverlesenen Delegierten für den politisch leeren Julian Schmidt und gegen den markigen Pilz entschied, warf dieser sein Handtuch und baut seitdem an seiner eigenen Liste. Diese bedroht mit einem recht kruden populistischen Kurs, sowie mit Forderungen und Zugeständnissen an verschiedenste politische Ideen real den Einzug der Grünen in das Österreichische Parlament. Sowohl Anti-Islam-Getöse, als auch soziale Demagogie müssen für den Verbleib von Pilz im Nationalrat herhalten. Efgani Dönmez und sein fliegender Wechsel von den Grünen zur „Liste Kurz“ – sprich der ÖVP – zeigt, dass zwischen den rechten Flügel der Grünen und die konservative Lieblingspartei des Kapitals kein Blatt mehr passt. Schlussendlich zeigt die Wahl von Ingrid Felipe als Bundessprecherin, die ein Gesicht der Integration der Grünen in den Staatsapparat darstellt und in Tirol selbst Verschlechterungen des Lebensstandards umsetzt, wohin die Reise der Grünen geht: zur strammen Verteidigung der Austerität und des Status Quo.

Betrachtet man die Auflösungsprozesse der Grünen – vom Austritt und eigenen Listenantritt Peter Pilz‘ über Dönmez bis hin zum Ausschluss der Jungen Grünen und deren Neuorientierung auf die KPÖ – kommt einem nicht ohne Grund folgendes Zitat aus der Bibel in den Sinn: „Denn der Staub muß wieder zu der Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat. Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, ganz eitel. Prediger 12:7, Lutherbibel.“ Und tatsächlich erscheint alles völlig eitel was die Grünen sind oder vorgeben zu scheinen, denn das Wort eitel in seiner barocken Bedeutung kann auch „nichtig“ und „vergeblich“ heißen. Die Grünen waren bereits zu Beginn ihrer Entstehung eine lose Zusammenfügung verschiedener Akteure, Strömungen und Interessen. Entstanden aus den verschiedenen Teilen der Grünbewegungen, die ursprünglich von linksradikal bis hin zu konservativ-bürgerlich oder offen nationalistisch viele politische Ideen abdeckten, zerfallen die Grünen jetzt wieder in ihre Einzelteile.

Die kapitalistische Krise legt schonungslos die Natur der bürgerlichen Demokratie und ihrer Parteien offen und die Grünen sind eines der ersten Opfer dieses Prozesses. Ohne eine stabile Klassenbasis kann sich keine politische Formation lange halten. Und den Grünen fehlt diese Basis völlig. Dies schrieben wir bereits 2013: „Ohne echten Bezug zu einer sozialen Klasse sind sie (Anm.: die Grünen) erbarmungslos den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen ausgeliefert. Vor allem seit sich die grünen Parteien von ihren ehemaligen basisdemokratischen Konzepten verabschiedet haben, finden die verschiedenen Elemente vorherrschender bürgerlicher Ideologie direkten Zugang zu den Köpfen ihrer SpitzenpolitikerInnen. Ihr Agieren in verschiedenen Regierungen zeigt eindrucksvoll, wie sehr sich die Grünen von jeglichen Idealen der neuen sozialen Bewegungen verabschiedet haben.“ Die Grünen zerbrechen angesichts der Neuwahlen zwischen ihrem Anspruch als „linksalternative Kraft“, den sie bereits seit Jahren nicht mehr erfüllen, und ihrer tatsächlichen Rolle als Teil des bürgerlichen Austeritäts- und Stabilitätsregimes in Österreich.

Mit dem endgültigen Zerfall der 2. Republik wie wir sie kennen, werden auch die Grünen in eine tiefe Krise gerissen. Man möchte einerseits eine Kraft „links der SPÖ“ sein, während man auf der anderen Seite an der Spitze des Sparregimes in verschiedenen Landesregierungen steht und sich selbst noch stolz attestierte: „Beim Parken sind wir Grünen marktwirtschaftlicher als die ÖVP: Dinge, die knapp sind, wie Parkplätze, muss irgendjemand zahlen.“ Vor dem Hintergrund der Krise und der Zeitenwende des politischen Systems in Österreich lässt sich eine ideologisch-kleinbürgerliche Partei nicht mehr zusammenhalten und zerbricht so wie die Grünen in ihre Einzelteile. Einen ähnlichen Prozess sahen wir bereits „am lebenden Organismus“ beispielhaft bei den verschiedenen Piratenparteien, die sich beim ersten Nasenstüber durch die harte gesellschaftliche Realität auflösten und in anderen Parteien aufgingen.

Zwar geht der Zerfalls- und Auflösungsprozess der Grünen besonders weit, aber letztlich werden wir uns auf eine neue politische Realität einstellen müssen. In dieser Periode wird es vermehrt zu solchen Umgruppierungsprozessen kommen und der Kapitalismus wird immer deutlicher zeigen, dass die bürgerliche Demokratie nichts anderes, als eine Form der Diktatur von Kapitalinteressen, ist, der sich alle Parteien unterordnen, die nicht klar mit diesem System brechen. In Österreich befinden wir uns am Anfang dieser Zeit und der Zerfall der Grünen ist ihr erster Vorbote.


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