Sebastian Kurz sorgte im Wahlkampf mit seinem Sager, man solle sich gegen Altersarmut doch Eigentumswohnungen kaufen, für Kopfschütteln. Wie weit diese Vorstellung von der Lebensrealität der meisten jungen Menschen entfernt ist, und was es tatsächlich bedeutet, in einem Haus zu leben, das gerade mit Eigentums- und Vorsorgewohnungen „aufgewertet“ wird, berichtet eine Leserin.
Selbst wenn Wien im internationalen Vergleich, was die Mieten betrifft, immer noch als relativ leistbar erscheint, wird es für viele Menschen immer schwieriger leistbaren Wohnraum zu finden. Der soziale Wohnbau ist unzureichend, und auch der Zugang zu geförderten Wohnungen ist alles andere als leicht. Auf dem privaten Wohnungsmarkt sind günstige Wohnungen schwer zu finden, Maklergebühren und Kautionen machen den Einzug in eine neue Wohnung zu einem kostspieligen Unterfangen. Gleichzeitig wird Wohnraum immer mehr zum Spekulationsobjekt. Bereits bei der Mietrechtsreform 1994 wurde der bis dahin ungemein starke Mieterschutz in Österreich massiv eingeschränkt und seither treiben befristete Mietverträge und Lagezuschläge die Preise in die Höhe. Aber nicht nur die Mieten, auch die Preise für Eigentumswohnungen sind in den letzten Jahren stark gestiegen: Seit 2010 um durchschnittlich 41,3 Prozent in ganz Österreich, wobei Wien mit 71,8 Prozent hier Spitzenreiter ist (Quelle: Statistik Austria).
Wenn nun Sebastian Kurz meint, Eigentum wäre für junge Menschen der beste Schutz gegen Altersarmut, dann erinnert das doch etwas an den Marie Antoinette zugeschriebenen Satz: „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen.“ Für wen Kurz hier wirklich eintritt, wird klar, sobald man einen Blick auf seine UnterstützerInnen wirft. Jede dritte Großspende für seinen Wahlkampf kommt aus der Immobilienbranche. Doch nicht nur ist es für die meisten jungen Menschen völlig unmöglich, sich einfach so mal eine Eigentumswohnung zu kaufen, sondern es verschärft auch die Situation am Wohnungsmarkt ungemein, wenn weiterhin vor allem in Vorsorge- und Eigentumswohnungen investiert wird, anstatt sich (wieder) um einen wirklichen sozialen Wohnbau zu bemühen. Ein solcher findet nämlich seit Jahrzehnten nicht mehr statt, es werden keine Gemeindewohnungen mehr gebaut, und was heute unter sozialem Wohnbau verstanden wird, ist fast ausschließlich marktorientierter Wohnbau mit öffentlichen Subventionen. Anstatt günstigen Wohnraum für diejenigen zu schaffen, die ihn brauchen, findet vermehrt das Gegenteil statt. Immer mehr EigentümerInnen versuchen durch „Aufwertungen“ ihre Wohnungen teurer zu vermieten und bestehende MieterInnen mit billigen Verträgen loszuwerden.
Ein gutes Beispiel für die immer mehr um sich greifende Absiedlungsspekulation (alte Häuser werden gekauft, die bisherigen MieterInnen möglichst vertrieben, dann wird entweder das Dachgeschoß ausgebaut und der Rest saniert oder das gesamte Haus abgerissen und neu gebaut). ist der Viktoriahof. Er stellt eines der wichtigsten Aufwertungsprojekte im 15. Bezirk dar. Die Immobilienfirma Avoris kaufte das Haus vor einigen Jahren und begann einen Dachbodenausbau im Zuge dessen auch gleich die meisten alten Wohnungen saniert werden sollten. Die Bauarbeiten laufen seit fast 2 Jahren und für die bestehenden MieterInnen ist die Situation fast untragbar. Schäden in den Wohnungen, monatelang anhaltender Wassereintritt, ständiger Lärm und Schmutz sind nur ein paar der Ärgernisse. Vielen BewohnerInnen wurde auch nahegelegt ihre bisherigen Wohnungen aufzugeben und später in eine der neu sanierten Wohnungen umzuziehen, damit möglichst das ganze Haus saniert und somit aufgewertet werden kann, nur dass sich das viele der vorrangig migrantischen MieterInnen einfach nicht leisten können. Ob bedingt durch den ständigen Lärm und die äußerst unangenehmen Bedingungen eines Lebens mitten in einer Baustelle, oder auch durch den Druck der neuen Eigentümer, inzwischen sind fast alle MieterInnen ausgezogen. Somit steht nun der Weg frei für viele neue Vorsorge- und Eigentumswohnungen. Wer sich diese aber noch leisten kann, das sei dahingestellt. Die bisherigen MieterInnen sind es jedenfalls nicht.