Mit dem Wahlausgang und der bevorstehenden Regierungsbildung beschleunigen sich die Ereignisse. Die Industriellen bereiten sich zum Frontalangriff auf die Arbeiterbewegung vor. Ebenso hart muss die Gewerkschaftsbewegung antworten und den Abwehrkampf organisieren. Allerdings mit welchen Strategien und gilt es dabei die Sozialpartnerschaft zu verteidigen? Von Martin Halder.


Die institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Führungen der Arbeiterorganisationen und den Unternehmern, sprich die Sozialpartnerschaft, ist in Österreich besonders stark im Bewusstsein der Gewerkschafter verankert. Durch gemeinsame Verständigung soll das vorgeblich bestmögliche Ergebnis für beide Seiten ausverhandelt werden.

Eine kleine Geschichte der Sozialpartnerschaft

Die Sozialpartnerschaft ist ein Kind der Nachkriegszeit. In den 50er und 60er Jahren breitete sich die sozialpartnerschaftliche Konfliktregulierung stark aus. Was heute fast vergessen ist: Dieser Prozess ging mit einer Entdemokratisierung der Gewerkschaften und Betriebsratskörperschaften einher (Einführung des Fraktionszwangs, Verlängerung der Wahlperioden, usw.). Durchgesetzt wurde diese Politik nach der Niederlage des Oktobergeneralstreiks von 1950. Nur durch eine Säuberung der Gewerkschaften durch massenhafte Gewerkschaftsausschlüsse von StreikführerInnen, und durch die Aussperrungen von militanten KollegInnen aus zentralen Betrieben, wie etwa der VÖEST wurde die Politik des Klassenfriedens durchgesetzt.
Auf Grundlage dieser „Beruhigung“ der Arbeiterbewegung wurden diverse Kommissionen und Abteilungen gegründet und zu einem Teil mit Unternehmens-, zum anderen mit Arbeitervertretungen bestückt. Die Sozialpartnerschaft wurde zu einer wahrhaften Schattenregierung ausgebaut.

Bereits rund um den EU-Beitritt 1994 wird sie jedoch zurechtgestutzt. Die Paritätische Kommission für Preis- und Lohnfragen (PKPL), eine zentrale Stütze der Sozialpartnerschaft, wird in den Tiefschlaf geschickt. Anfang der 2000er folgen weitere Schläge gegen die Gewerkschaften unter Schwarz-Blau. Hier offenbart sich die zentrale Schwäche der Sozialpartnerschaft sehr deutlich. Statt die Streikbewegung 2003 zu verbreitern und sich mit keiner Verschlechterung abzugeben, ging es der ÖGB-Führung primär darum, ihren eigenen Platz am Verhandlungstisch zurück zu erobern. Sobald dies erreicht war, lenkten die Gewerkschaftsspitzen die Bewegung in ruhiges Gewässer und akzeptierten abgemilderte Verschlechterungen unter anderem bei den Pensionen und den ÖBB. Die Mitglieder werden wie ein Wasserhahn auf- und abgedreht, je nachdem wie nett die Unternehmer zu den Spitzenfunktionären sind oder eben nicht.

Diese Methode wird sich in der neuen Zeit als völlig unzureichend erweisen. Mit Einbruch der Krise und der Neubildung der Großen Koalition 2007 wurden die Gewerkschaften wieder stark eingebunden. Anders wären die großen Bankenrettungen für das Kapital ohne großen Aufschrei gar nicht möglich gewesen. Doch es dauert nicht lange, da zeigt sich das Kapital wieder deutlich unzufrieden mit der Sozialpartnerschaft. Es gilt die Ausbeutungsbedingungen zu verschärfen, wie dies insbesondere in Südeuropa bereits durchgesetzt wurde.

Schon die Erfahrung der letzten Jahre hat in vielen Betrieben und Branchen zu Skepsis gegenüber den Gewerkschaften und ihrer Art der Interessensvertretung geführt. Die Unternehmer spüren die Schwächung der Gewerkschaftsbewegung, was für sie eine Einladung zu einer allgemeinen Offensive gegen Gewerkschaften und Arbeitsrechte ist. Besonders zählt hier der Umstand, dass die letzte große Kampfaktion der Gewerkschaften (Generalstreik gegen Pensionsreform und Eisenbahnerstreik) mittlerweile fast 15 Jahre zurückliegt. Die langwierigen „sozialpartnerschaftlichen“ Verhandlungen, in denen sie dann nur stückchenweise bekommen, was sie wollen, sind in den Augen der Unternehmer zu einem sinnlosen Ritual verkommen. Jetzt drücken sie aufs Gaspedal.

Die Beerdigung der Sozialpartnerschaft

Aus Sicht des Kapitals und ihrer Vertretung muss die österreichische Wirtschaft um jeden Preis wieder wettbewerbsfähiger werden und dies natürlich auf Kosten der Lohnabhängigen. Der 12-Stunden-Tag, Kürzung der Überstundenzuschläge, die Zurückdrängung der Kollektivverträge und des Arbeitsschutzes stehen seit geraumer Zeit auf der Tagesordnung der Industriellen.
Die ÖVP-Spitzen fordern immer offener den Bruch mit der Sozialpartnerschaft. Franz Hörl, Obmann des Tiroler-Wirtschafsbundes (ÖVP) fordert vor kurzem sogar den Stopp aller aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen. Dies ist keine Einzelmeinung, sondern die Spitze des Eisbergs.

Im Betrieb ist die Sozialpartnerschaft den heftigsten Angriffen ausgesetzt. Oft werden dort Kollektivverträge missachtet, Betriebsratswahlen verhindert und mögliche Kandidaten unter Druck gesetzt bzw. gekündigt. Wie weit die Angriffe auf betrieblicher Ebene führen, zeigte sich zuletzt im Drucker-Bereich, wo der graphische Kollektivvertrag aufgekündigt wurde, und selbst die gesetzlich dazu verpflichtete Wirtschaftskammer kein Verhandlungsteam stellt.

Die Forderung um die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern ist nur die politische Speerspitze eines Prozesses, der auf allen Ebenen rollt.Die ÖGB-Vizepräsidentin sieht darin richtigerweise eine Garantie für „Sozialabbau, Destabilisierung und das Endes des Kollektivvertragssystems“. Denn ohne Pflichtmitgliedschaften in den Kammern ist es spielend leicht für einzelne Unternehmen und Unternehmergruppen, aus der Kollektivvertragsgemeinschaft auszutreten.

Den Abwehrkampf organisieren

Es gilt zu verstehen, dass die wirtschaftliche und politische Grundlage für ein Weiterbestehen der Sozialpartnerschaft nicht mehr gegeben ist. Die Unternehmen und ihre Parteien, die die kommende Regierung bilden werden, sind sich darüber im Klaren und werden diesen Willen in Gesetze und scharfe Vorgangsweisen packen.

Es stellt sich die Frage: Wie können wir den nötigen Abwehrkampf vorbereiten? Zuerst dürfen wir keine Illusionen in den Erhalt der Sozialpartnerschaft haben. Die Appelle der Gewerkschaften dürfen sich nicht bettelnd und mahnend an die ÖVP und die Unternehmerseite richten, weil sie damit den Abwehrkampf völlig desorientieren. Es ist wie im realen Leben: Partnerschaften halten nicht ewig, die Scheidungszahlen beweisen dies.

Vielmehr müssen sich die Gewerkschaften an die eigene Belegschaft und Mitglieder wenden und diese für die Abwehr der sozialen Verschlechterungen und ihrer rechtlichen Grundlagen mobilisieren. Hier sind kämpferische Betriebsräte und Belegschaften besonders gefordert. Es gilt zögernde und ängstliche KollegInnen durch Argumente und Anträge in den Gremien auf einen gemeinsamen Abwehrkampf festzulegen. Vor allem aber gilt es durch das praktische Beispiel kämpferischer und aktivistischer Betriebsarbeit Mut zu machen, dass dieser Abwehrkampf gewonnen werden kann. Solidarität ist mehr als ein Slogan, sie ist der einzige Ausweg aus der bedrückenden Offensive der Unternehmer und ihrer Regierung.


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