Budget. Erfahrene BeobachterInnen der österreichischen Innenpolitik erkennen die Vorzeichen der anstehenden Verteilung gesellschaftlicher Kuchenstücke. Von Martin Zuba.

Verlässlich kommt jedes Jahr vor dem Beginn der Herbstlohnrunde eine düstere Einschätzung der Wirtschaftslage von der Industriellenvereinigung oder der Wirtschaftskammer. Dieselben ÖVP-Politiker, die seit Jahrzehnten die Wirtschaftspolitik der Republik gestalten, werden nicht müde, die „wirtschaftsfeindlichen“ Zustände in unserem Land zu beklagen, wenn Regierungsprogramme ausgearbeitet werden.

So auch bei diesen Koalitionsverhandlungen: Trotz Hochkonjunktur – von der die Lohnabhängigen ohnehin nichts sehen – sieht die Budgetsituation weitaus schlechter aus als gedacht. Das seit Jahrzehnten ÖVP-geführte Finanzministerium steht nun gewiss vor einem Rätsel, waren doch die der EU-Kommission gemeldeten Zahlen bezüglich des strukturellen Budgetdefizits noch weitaus besser. Viele Medien springen jedoch auf den Zug auf: Es ist kein Geld da, folglich muss gespart werden.

Die laufenden Verhandlungen zur Vorbereitung der schwarz-blauen Koalition stehen aber unter anderen Vorzeichen als in den Jahren zuvor. Hier geht es nicht darum, die VertreterInnen der organisierten Arbeiterbewegung davon zu überzeugen, dass das Programm der Bourgeoisie wahlweise überlegen, alternativlos oder beides ist.

Stattdessen treten die beiden Hauptparteien des österreichischen Kapitals an die Aufgabe heran, den Staat umzukrempeln. Dabei demontieren sie Institutionen der sozialen Sicherheit und drängen die kollektive Vertretung der ArbeiterInnen und Angestellten zurück, kürzen Sozialausgaben. Über die Medien wird ausgetestet, wie weit die Regierung dabei gehen kann und welche gesellschaftliche Stimmung sie für ihr Programm des sozialen Kahlschlags vorfinden wird. Auch in Oberösterreich, wo derzeit eine schwarz-blaue Landesregierung amtiert, können wir erkennen, in welche Richtung die Entwicklung gehen wird: Mit der Kürzung der Mindestsicherung und den niedrigeren Gehaltsabschlüssen für Landesbedienstete setzt die Regierung den Sparstift bei den Interessen der Lohnabhängigen, insbesondere der Ärmsten der Ärmsten an.

Interessant ist auch die Rolle, die die Medien in dieser Strategie spielen. Der Boulevard wird nicht müde, bürgerliche Werte zu verteidigen, wenn es darum geht, gegen „Sozialschmarotzer“ aufzutreten. Doch geht es um die Mächtigen, die im Sinne des Kapitals handeln, ist das alles schnell vergessen. Dabei könnte gerade Kurz in diesen Blättern, wenn sie ihre eigenen Maßstäbe ernst nehmen würden, nur als Totalversager beschrieben werden.

Kurz entblödet sich nicht, die Verfehlungen der eigenen Integrationspolitik als Argument für seine “neue” Politik anzuführen, deren Kernstück Hetze gegen Flüchtlinge ist. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise war er Außenminister. Er war in dieser Funktion kein unwichtiger Akteur dabei, als die EU ihre Unfähigkeit einer gemeinsamen Lösung zeigte. Normalerweise würde ein solcher „Volksvertreter“ vom Boulevard dazu auserkoren, sich dem Volkszorn auszusetzen, um nach einem fälligen Rücktritt auf einem Versorgungsposten in der Wirtschaft über die Ungerechtigkeit der Welt klagen zu können. Nicht so Kurz: Er wurde, seit nunmehr 2011 Teil der Regierung (die ÖVP verschliss seitdem 2 Bundesparteiobmänner), im Boulevard als neue Kraft präsentiert und zum idealen Kanzlerkandidaten stilisiert.

Auch im Jahr 2017 hält das Bündnis zwischen Boulevard und Kurz perfekt. Häppchenweise (nicht zu viel für die maximal 1 ½ Seiten Politik im Gratisblatt) werden und wurden KandidatInnen auf seiner Bundesliste, Teile des Wahlprogramms oder auch Leaks aus den Koalitionsverhandlungen den Medien zugespielt, die dann mehrere Tage lang seine Vorschläge diskutieren. Dabei ist für jeden etwas dabei: Mal geht es gegen die LehrerInnen, gegen die Eltern, gegen die SchülerInnen, dann wieder gegen die Langzeitstudierenden. Oder auch gegen die Krankenkassen, die Arbeiterkammer oder die EU. Die Dauerbrenner Ausländer, Budgetdefizit und Steuerlast dürfen natürlich nicht fehlen.

Diese Regierung ist angetreten, um die Gesellschaft umzubauen; um die verbliebenen Errungenschaften der Arbeiterbewegung zurückzudrängen und die Wirtschaft durch eine Umverteilung von unten nach oben zu stabilisieren. Bei dem „Budgetloch“, das – wohlgemerkt mit der Ausnahme Sicherheitspolitik – soziale Kürzungen in allen gesellschaftlichen Bereichen diktiert, handelt es sich um nichts anderes. Zur Bekämpfung dieses Programms hilft in erster Linie Klarheit darüber, welche Strategien hier gezielt eingesetzt werden und welche gesellschaftlichen Kräfte welche Rolle spielen.


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