Landesparteitag. Die Wiener SPÖ regelt am außerordentlichen Landesparteitag am 27. Jänner die Häupl-Nachfolge in einer Kampfabstimmung. Eine programmatische Alternative steht jedoch noch nicht zur Wahl, argumentiert Yola Kipcak.

 

Lange wurde die Ablöse des amtierenden Bürgermeisters Michael Häupls diskutiert. Nun ist es so weit, und am Wahlzettel stehen Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig und SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Mit 2/3 der Delegiertenstimmen direkt am Parteitag selbst steht die Kandidatur prinzipiell bis zum Schluss allen Parteimitgliedern offen.

 

Doch was unterscheidet diese „Lager“? In den Medien als „rechter vs. linker Flügel“ oder „Flächen- vs. Bobo-Bezirke“ betitelt, verlaufen die Konfliktlinien, die zur Bürgermeisterkampfabstimmung führten, kaum bis gar nicht an politischen Inhaltsfragen. Ludwig repräsentiert das (ehemalige) „Regieren um jeden Preis – notfalls auch mit Blau“-Lager, dem auch prominente Gewerkschafter angehören, die ihre eigenen sozialen Interessen außerhalb des Staatsapparats in Gefahr sehen. FSG-Chef Meidlinger, ÖGB-Vorsitzender Erich Foglar und AK-Präsident Rudolf Kaske sprechen sich offen für Ludwig aus. Auf der anderen Seite steht das Lager, das derzeit stärker in der Stadtregierung vertreten ist und mit bekannten Namen wie Vizebürgermeisterin Renate Brauner, Wiener Stadträtin Frauenberger und ehem. Kulturminister Thomas Drozda verknüpft ist. Unter einer hauchdünnen Schicht politischer Argumente geht es hier in letzter Instanz um Posten und die Einflusssphären im städtischen und staatlichen Bereich, die die SPÖ noch kontrolliert. Dezidiert linke SPÖlerInnen sind angesichts der aufgebotenen personellen Alternativen und ihres mangelnden politischen Gehalts tief unzufrieden.

 

Schieder und Ludwig geben sich betont freundschaftlich, allseits wird die „Einheit der Partei“ als oberstes Ziel wiederholt, hinter den Kulissen tobt ein Geschwisterkrieg um Delegierte. Beide nennen den Wirtschaftsstandort Wien als Priorität, wobei Ludwig mit erfolgreichen privatwirtschaftlichen Investitionen im Wohnbau wirbt, während Schieder sich die Verteidigung der Gastwirte auf die Fahne heftet und an Start-Ups appelliert, sich in Wien anzusiedeln. Differenzen sind der Lobautunnel und die dritte Flughafenpiste. Obwohl Schieder in den letzten Wochen vor der Abstimmung zögerlich nach links blinkt – er verspricht 25.000 neue Gemeindewohnungen und ist für eine Leerstandsabgabe – sieht es letztlich keiner der Kandidaten als den eigenen Auftrag, klare Opposition zu den sozialen und rassistischen Angriffen der Bundesregierung zu beziehen und eine starke Bewegung dagegen aufzubauen. Stattdessen ziehen sie sich auf Wiener Stadtpolitik zurück, eben jenes Wien, dem die Regierung bereits offen den Kampf angesagt hat. Dass selbst die letzten Errungenschaften des „roten Wien“ von Seiten der Bundesregierung unter Beschuss stehen, ignorieren sie. „Für konstruktive Vorschläge seitens des Bundes bin ich grundsätzlich offen“, sagt Ludwig und setzt hinzu „Aber solche Ideen, die sich gegen die Interessen der Wienerinnen und Wiener richten und das Wohnen verteuern, lehne ich strikt und entschieden ab.“ (Kurier, 8.1.) „Gegen Schwarz-Blau sein ist keine Antwort“, sagt Schieder im „Profil“. Stattdessen ruft er Menschen, denen soeben von ebendiesen die Lebensgrundlage gekürzt wird, „Zukunftsoptimismus“ zu, und will – quasi parallel dazu, nicht dagegen – „Schwarz-Blau etwas Optimistisches entgegensetzen“. Als potenzielle Bündnispartner am Weg sieht er großkoalitionäre „Alt-ÖVPler“, denen er „aus der Emigration“ helfen will (TT, 29.12.)

 

Beide reden völlig an den objektiven Notwendigkeiten der Zeit vorbei. Für Linke ist keiner der Kandidaten eine wählbare Option. Angesichts von Schwarz-Blau ist es umso wichtiger, dass Widerstand einen Ausdruck finden kann. Den Linken in der Partei, allen voran der Sozialistische Jugend, kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Die SJ stellte vor diesem Hintergrund auf ihrer Landeskonferenz die Kandidaten zur Rede. Aus der Sicht der SJ-Mehrheit ist der erste Schritt für eine Neuorientierung der Sozialdemokratie, dass „sie ihre Strukturen so verändern, dass sich alle Menschen in die Prozesse und Debatten innerhalb der Partei einbringen können.“ (OTS, 2.12.)

 

Funke-UnterstützerInnen argumentierten auf der Landeskonferenz hingegen, dass eine Linke innerhalb der SPÖ nur dann konkrete Formen annehmen kann, wenn man sich mutig inhaltlich positioniert und so zum Referenzpunkt für Linke in- und außerhalb der Sozialdemokratie wird. Mit der Möglichkeit noch am Landesparteitag Kandidaten aufzustellen, sind die strukturellen Voraussetzungen gegeben. Selbst ohne Wahlsieg oder Zulassung der Kandidatur mit 2/3-Mehrheit wäre ein starker, linker Auftritt, der sich klar gegen die Regierung stellt und einen offensiven Oppositionskurs argumentiert, ein Anknüpfungspunkt für eine sozialistische Offensive gegen Sozialabbau und Spaltung.


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