Die Arbeitsbedingungen werden immer schlechter. Die Arbeitsintensität wird verdichtet, die Arbeitszeit verlängert und die Pausen gekürzt, die Anstellungsverhältnisse unsicherer. Die Wirtschaftskammer wollte nun gegen massiv ausgebeutete ArbeiterInnen kampagnisieren – und scheiterte. Von Raimund Pilz und Emanuel Tomaselli.


Durch zwölf tachinierende ArbeiterInnen sei der Firma „Technosert“ ein Schaden von 250.000 Euro entstanden, so die Wirtschaftskammer (WK) und die Geschäftsführung des Mühlviertler Unternehmens unisono. Dies sei umso skandalöser, da Technosert laut Eigenbeschreibung ein Arbeiter-Paradies auf Erden ist: Geboten wird „ein angenehmes, familiäres Betriebsklima, eine umfassende Einschulung, ein modernes Arbeitsumfeld, individuell auf Sie abgestimmte Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, eine transparente Karriereplanung, ein ganzheitliches Gesundheitsmanagement ‚Ich fühl mich wirklich wohl‘, spezielle Ausbildungsprogramme für Frauen, ein gleichberechtigtes Gehaltssystem für Frauen und Männer.“


Erhard Prugger, Leiter der Abteilung für Sozial- und Rechtspolitik in der WK OÖ, wollte mit der Veröffentlichung dieses Falles aufzuzeigen, dass es einen starken Trend gäbe, wonach sich ArbeitnehmerInnen in Österreich verstärkt mit unberechtigten Krankenständen „zusätzlichen Urlaub“ gönnen würden. Im eifrigen Übermut kritisierte er die Ärzteschaft gleich mit, warf ihnen vor, sie würden zu „locker“ Krankenstände verschreiben.


Die Realität dagegen ist das genaue Gegenteil: vielmehr werden die Lohnabhängigen dazu genötigt immer öfter krank am Arbeitsplatz zu erscheinen. Die Angst vor Jobverlust und erhöhter Zeitdruck am Arbeitsplatz sind statistisch gesehen die besten „Gesund“macher, die jährlich zu fallenden Krankenstandszahlen führen. Auf der anderen Seite explodieren psychische Erkrankungen und Burn Outs. Gearbeitet wird in der Realität oft bis zum völligen Zusammenbruch.


Als erstes folgte eine Reaktion der Ärztekammer, die der Angriffswelle der WK erste Schüsse vor den Bug versetzte. In den Tagen darauf folgten in der lokalen Bezirkszeitung „Tips“ zuerst anonyme Kommentare (ehemaliger) Mitarbeiter des Betriebes, die von unwürdigen Arbeitsbedingungen berichteten. Diese Meldungen verbreiteten sich in den sozialen Netzwerken und Zeitungen. Laut MitarbeiterInnen kam es zu Kündigungen während Krankenständen, Arbeitszeitverletzungen (Mitarbeiter stempelten nach 10 Stunden aus und arbeiteten gratis weiter), Strafversetzungen junger Mütter, einschüchternden Stoppuhreinsätzen und einer allgemeinen Verschlechterung des Arbeitsklimas durch Mobbing aus der Chefetage. Als Grundübel für die Probleme im Betrieb wird Geschäftsführer Hermann Schübl und seine Beraterfirma Astera ausgemacht. ArbeiterInnen berichten, dass Schübls Motto lautet aus „diesem Sanatorium einen ordentlichen Industriebetrieb“ zu machen. Was dieser CEO unter einem ordentlichen Industriebetrieb versteht, ist die ärgste Ausbeutung der Belegschaft über das Maß menschlicher Belastbarkeit hinaus. Mindestens eine Arbeiterin musste direkt von der Maschine weg in die Landesnervenklinik Wagner Jauregg eingeliefert werden.


Die Anschuldigungen seitens der WK begannen nun ordentlich zu bröckeln, und schlussendlich wurde klar, dass die WKO schlicht die Öffentlichkeit belog, um ArbeiterInnen zu skandalisieren.
Eine Welle der Klassensolidarität erzwang den medialen Rückzug der WK. Die ArbeiterInnen in Österreich können sich nur zu gut in die Lage der Belegschaft hineinversetzen und kennen diese Umstände! Schließlich folgte kleinlaut eine Entschuldigung und Rücknahme der Anschuldigungen gegenüber der Belegschaft, die politische Agenda bleibt jedoch aufrecht.


„Niki Nationale“ hat über politische Interventionen der aktuellen Regierung seine vierte Fluglinie zugeschanzt bekommen (drei hat er bereits pleite geflogen und dafür Staatsgelder kassiert). Die Belegschaft der ehemaligen „Niki“ wehrte sich gegen eine neuerliche Übernahme durch den ehemaligen Eigentümer, „sklavenähnliche Arbeitsbedingungen und Leiharbeitskonstruktionen“ in seinem Unternehmen wurden als Grund genannt. Lieber wolle man bei der British-Airways-Tochter Vueling arbeiten als beim Nationalheiligtum Lauda. Die Stimmen wurden nicht gehört, im gerichtlichen Eilverfahren wurde der Bieter Vueling ausgestochen und alle behördlichen Genehmigungen erteilt. Verkehrsminister Hofer (FPÖ) schwärmte und vergaß auch nicht zu erwähnen, welche Rolle er selbst gespielt hatte um Laudas neuen Deal zu ermöglichen. „Niki bleibt eine österreichische Fluglinie. Es ist ein positives Signal für den Wirtschaftsstandort Österreich. Wir freuen uns über den Erhalt der Arbeitsplätze.“ (Norbert Hofer, 23.1.2018).

Die rot-weiß-rote Realität soll sich für 1000 Angestellte nun nach Düsseldorf, Stuttgart, München, Zürich und vielleicht Wien verlagern. Von dort sollen Laudas Maschinen in Zukunft als Sub-Unternehmen für Billigfluglinien (Condor, Eurowings, AUA) abheben. Mitarbeiter werden „eingeladen“ ihr Leben in diese Städte zu verlagern. FlugbegleiterInnen werden dafür Löhne von 854 € netto, inklusive Zulagen geboten!

Viele LeserInnen wissen, dass diese zwei Firmen nur die öffentlichkeitsbekannten Speerspitzen eines allgemeinen Trends an den Arbeitsplätzen sind, der schon länger anhält. Was Technosert und Niki vormachen, ist keine „Einzelfall“, sondern im Gegenteil ein Ausdruck des Wettrennens nach unten: Die Unternehmer und das kapitalistische System brauchen billige Arbeitskräfte, die sich nicht beklagen. Das soll nun mittels der Bundesregierung und dem Zurückdrängen der Kollektivverträge zum neuen Standard der Arbeitswelt an sich werden: 12-Stunden Tag, weg mit bürokratischem Arbeitsschutz und Genehmigungspflichten für Anlagen, verkürzte Arbeitsruhepausen etc.. Die Lockerung der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose und das Streichen der Notstandshilfe führt solchen Betrieben in Zukunft massenhaft Arbeitslose zu, die keine andere Wahl mehr haben, als solche Jobs anzunehmen. Alle Maßnahmen, inklusive der Kürzungen fürs AMS deuten darauf hin, dass auch in Österreich ein offizieller Billig-Arbeitsmarkt geschaffen werden soll, der alle Arbeitsbedingungen von unten her erodiert. Schwarz-Blau ist der offene Erfüllungsgehilfe des österreichischen Kapitals.


Demgegenüber fordern immer mehr Gewerkschaften eine allgemeine Arbeitsverkürzung. Die GPA-djp erhob im Sozialbereich die Forderung einer 35-Stunden Woche, aktuell wird in der Papierindustrie die Forderung nach einer 36 Stunden-Woche gestellt. Es darf hier nicht bei Worten bleiben. Die Entlastung der Arbeiterklasse ist notwendig. Man kann sich sicher sein, dass die Bereitschaft, solche Kämpfe aktiv zu führen, bei den vom Arbeitsdruck geplagten Belegschaften da ist. Jetzt sind die Gewerkschaften am Zug. In den kommenden Monaten geht es nicht darum dem Regierungsprogramm die ärgsten Kanten abzuhobeln, sondern in die Offensive zu gehen: Für menschenwürdige Arbeit mit und von der man gut leben kann! Für Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich!


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