Gastronomie. Eine Servicemitarbeiterin in einem Möbelhaus-Restaurant berichtet, wie die Arbeitszeit-Realität schon jetzt aussieht.


Die Branche ist bekannt dafür, ihren Angestellten viel abzuverlangen. Wenn viele Gastronomen behaupten, dass sie kein Personal finden, so liegt das auch daran, dass sie nicht bereit sind, ihre Mitarbeiter fair zu entlohnen. Die Branche ist geizig, das Trinkgeld durch die Trinkgeldpauschale minimiert und von dem niedrigen Kollektivvertrag lässt es sich kaum leben.

Unser Koch hat einen All-In Vertrag. Letztes Jahr hat er Überstunden jenseits der 300er Marke aufgebaut, da die Führungsetage aufgrund von Umstrukturierungen es nicht geschafft hat einen weiteren Koch einzustellen. Der Betroffene leistete ein Jahr lang sechs-Tage Wochen ab, in denen er von 09-18 Uhr im Betrieb tätig war. Mit 01.01. des neuen Jahres standen seine Überstunden wieder bei Null, ohne Ausgleichs- oder Zusatzzahlung. Unterstützung hatte der Koch von einem Lehrling. Kollegialität, die Angst seinen Job zu verlieren und der Mangel an Zeit hielten den Koch davon ab, arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten.

Krankenstände und „freiwillige“ Überstunden

Da es gängige Praxis ist, das Personal auf einem Minimum zu halten, werfen Krankenstände die Dienstpläne durcheinander. Fallen nun Krankenstände an, obliegt es dem Stammpersonal diese Stunden auszugleichen. Dabei kommt es oft zu Anhäufungen von Zeitausgleich, wenn dann die Order von oben kommt, Stunden abzubauen, bedeutet das so schnell wie möglich. D.h. du kannst sie nicht in Anspruch nehmen, wenn du sie brauchst, sondern wenn es in die Planung passt. Die “Freiwilligkeit” der Überstundenleistung bleibt dem Arbeitnehmer gewahrt.


In unserer Filiale war es bis letztes Jahr gang und gäbe, die jährliche Firmenweihnachtsfeier der VerkaufsmitarbeiterInnen im hauseigenen Restaurant abzuhalten. Die Normalarbeitszeit ist bis 18.30, die Weihnachtsfeier kann auch bis 02.00 Uhr nachts dauern. Um den Nachtarbeitszuschlag (zw. 22 und 6 Uhr) zu umgehen, verlangte die Gebietsleitung, dass das Service- und Küchenpersonal um 18.30 wie gewohnt ausstempelt. Wir bekommen die Überstunden sowieso nicht ausgezahlt, nur Zeitausgleich, und dann sollten wir uns auch noch darauf verlassen, dass die Überstunden ‚an einem anderen Tag‘ geschrieben werden. Wie denn, ohne Aufzeichnung? Wie hätte ich das einfordern sollen? Aber wir hatten Glück, dass unsere Restaurantleitung in diesem Fall nicht mitgespielt hat, einer der wenigen, der noch hinter seinen Leuten steht.

Wehrlos

Laut Kollektivvertrag steht den Angestellten nach sechs Stunden Arbeitszeit eine halbe Stunde Pause zu, in der sie die Arbeit unterbrechen sollen. Diese Pausen können wir nur selten bis gar nicht in Anspruch nehmen, da das Personal auf ein Minimum reduziert ist. Die Führungsetage hat Einblick in das Kassensystem - sind zu viele KellnerInnen oder Küchenpersonal im Einsatz, müssen sich die Resstaurantleiter dafür rechtfertigen. Für Filialen, die nicht genügend Umsatz abwerfen sind die Küchen am Nachmittag nicht besetzt, d.h. die KellnerInnen müssen neben den Servicearbeiten auch Küchenarbeiten übernehmen, oft nur mit Hilfe eines Lehrlings. Der Druck, die Umsatzvorgaben zu erreichen, ist groß.


Bis vor zwei Jahren war es üblich in regelmäßigen Abständen die Aktion „Schnitzel um 1€“ anzubieten. Das bedeutete von 11-18 Uhr durchgehend Vollgas geben zu müssen – der Kundenandrang war unvorstellbar. Die Aktion wurde eingestellt, nachdem das gesamte Servicepersonal einer Filiale die Arbeit geschlossen niedergelegt und nach Hause gegangen ist. Die Kündigung folgte mit der Begründung der Arbeitsverweigerung.

Doch wie hätten sie sich wehren sollen? Nur ein Fünftel des Gastropersonals bleibt länger als drei Jahre beim gleichen Unternehmen. Der Arbeitsdruck, die physische Belastung und die vielfach niedrige Entlohnung tragen dazu bei, dass es viele nicht lange an einem Arbeitsplatz hält. Daher gibt es in vielen Betrieben, auch in unserem, keinen Betriebsrat, was dazu führt, dass Arbeitskämpfe im Sand verlaufen oder erst gar nicht zu Stande kommen.

(Funke Nr.165/Juni 2018)


Unsere Arbeit kostet Geld. Dabei sind wir exklusiv auf die Unterstützung unserer LeserInnen und UnterstützerInnen angewiesen. Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, zögere nicht und lass uns deine Solidarität spüren. Ob groß oder klein, jeder Betrag hilft und wird wertgeschätzt.

Der Funke  |  IBAN: AT48 1513 3009 5102 5576  |  BIC: OBKLAT2L

Artikel aus der Kategorie