Seitdem sie von ihrer Mutterpartei ausgeschlossen wurden, rangen die Jungen Grünen mit existenziellen Problemen. Hilft die Rekonstitution als „Junge Linke“ weiter? Eine Analyse von Sandro Tsipouras.
Nachdem die Jungen Grünen im März 2017 von ihrer Partei vor die Tür gesetzt worden waren, begaben sie sich in ein Bündnis mit der KPÖ („KPÖ PLUS“) und verbrachten die restliche Zeit bis zur Nationalratswahl mit dem Wahlkampf für dieses Bündnis. Nun ist die Organisation mit der de-facto-Jugendorganisation der KPÖ, den „Jungen Linken“, fusioniert, um deren Namen übernehmen und sich von dem Stigma der ehemaligen Mutterpartei lösen zu können.
Jetzt präsentiert sich die „neue“ Organisation als „einzige bundesweite Jugendorganisation, die am Aufbau einer neuen linken Kraft arbeitet. Wir wollen am Aufbau einer breiten und vielfältigen Partei arbeiten, die fest in der Gesellschaft verwurzelt und im Parlament vertreten ist“, so das „Selbstverständnis der Jungen Linken“, das man im Internet nachlesen kann.
Dabei ist allerdings schwer zu übersehen, dass die parlamentarische Vertretung als solche für ungleich wichtiger gehalten wird als das politische Programm. Das Programm dient als Mittel zum Aufbau einer Partei, nicht die Partei als Mittel zur Umsetzung eines Programms.
Natürlich weiß die Sprecherin der Organisation, Flora Petrik, auch einige konkrete programmatische Anhaltspunkte zu nennen (am 11. Juli im „Kurier“): „Die Schere zwischen Arm und Reich ist ein politisches Verbrechen... unser Bildungssystem, in dem die sozialen Probleme noch verschärft werden... Stichwort Deutschklassen... für eine Arbeitszeitverkürzung auf die Straße zu gehen, für bessere Löhne, gegen schlechtere Arbeitsbedingungen...“
Nun sind das alles korrekte Anliegen. Wie aber lassen sie sich durchsetzen? Die einzige Antwort, die die „Jungen Linken“ darauf geben, ist eben eine Partei links von der SPÖ im nächsten Parlament. Das ist eine völlig zahnlose Ausrichtung, die der realen Bewegung gegen den 12-Stunden-Tag und die weiteren Zumutungen der Bürgerblockregierung nicht das Geringste zu bieten hat.
Es ist eine gefährliche Utopie, zu glauben, man könne, ohne sich auf die mobilisierte Arbeiterklasse zu stützen, irgendeinen sicheren sozialen Fortschritt erreichen. Petrik erklärt, dass ihre Organisation solche Menschen politisch erreichen will, die „sich für ein menschenwürdiges Leben für alle einsetzen, oder sagen, die Grundsätze der Menschenrechte sollen eingehalten werden und alle Menschen sollen ein Leben in Würde führen können“. Solche Menschen wird man allerdings in allen Teilen der Gesellschaft finden. Weil sie verschiedenen Klassen angehören, haben sie höchst konträre Interessen. Mit dieser Orientierung ist es nicht möglich, sich ein kohärentes Progamm zu geben und darüber hinauszukommen, bloße Phrasen über Solidarität und Demokratie zu formulieren. Daran scheiterte bereits die Grüne Partei.
Diese Schwäche macht es möglich, dass Flora Petrik in den NEOS, erbitterten Feinden der arbeitenden Mehrheit in dieser Gesellschaft, „Bündnispartner für konkrete Themen“, etwa „Öffnung der Ehe oder ... Drogenpolitik“ sieht.
Auf welchen Teil der Gesellschaft will man sich fokussieren? Wo sieht man die gesellschaftliche Kraft, von der Veränderungen ausgehen können? In welchen Fragen sind Kompromisse erlaubt und in welchen nicht?
Aus Unklarheit in diesen Fragen ergibt sich eine theoretische Beliebigkeit, die langfristige Strategien und politische Klarheit verunmöglicht und im entscheidenden Moment dazu führen wird, dass man von Situationen überrollt wird. Jedes der vielen linksreformistischen Projekte, die man in den letzten 10 Jahren in Europa beobachten konnte, kann als Beispiel dafür dienen, am eindrücklichsten aber sicher SYRIZA in Griechenland.
Dieses Linksbündnis, in seiner politischen Ausrichtung KPÖ PLUS nicht unähnlich, errang 2015 sogar die Regierungsgewalt. Das Ergebnis seiner jahrelangen politischen Beliebigkeit war ein völliges Versagen im Augenblick der Wahrheit und daraus folgend unvorstellbares Leid für die griechische Bevölkerung. Mit ihrer unaufrichtigen Haltung zu diesen Fragen werden es die „Jungen Linken“ nicht schaffen, die Schlüsse aus solchen fehlgeschlagenen Projekten zu ziehen.
So verkündet das „Selbstverständnis“: „Das einzig Vernünftige ist … sich auf das harte Handwerk der Überzeugungsarbeit einzulassen und eine Sehnsucht nach einer anderen Welt zu wecken.“
Man geht davon aus, die Menschen seien zufrieden mit der Welt, in der sie leben, und Aufgabe von Linken sei es, ihnen diese Zufriedenheit erst einmal gründlich auszureden. Das wird behauptet, während sich der Klassenkampf in Österreich auf die höchste Zuspitzung seit fünfzehn Jahren zubewegt. Hier werden die politischen Realitäten ebenso grob verkannt wie die Aufgaben, die sich daraus ergeben. Was die Arbeiterklasse braucht, ist nicht, dass ihr jemand irgendwelche Sehnsüchte ins Ohr flüstert, sondern, dass man den vor unseren Augen real stattfindenden Kampf entschlossen unterstützt und organisiert. Die KV-Verhandlungen im Herbst werden genug Gelegenheit dazu bieten.
Dieser Artikel erschien erstmals am 29.8.2018 im Funke Nr. 166