Schwarz-Blau will den ORF zum Medium der eigenen Haus- und Hofberichterstattung umformen. Mario Wassilikos berichtet.

Der jüngste Coup in diesem Vorhaben ist eine eigene Fernsehsendung für den Bundeskanzler, die am 20. Dezember unter dem Titel „Die Lebensretter“ ausgestrahlt wurde. Im Rahmen einer Gala durfte dabei Bundeskanzler Sebastian Kurz öffentlich „Österreichs Heldinnen und Helden“ auszeichnen. Zu den PreisträgerInnen gehörten Teams bzw. Einzelpersonen aus Flugrettung, Bergrettung, Wasserrettung, Polizei, Feuerwehr und ein 12-jähriger Bub. Alles wurde im Rahmen einer offiziellen, 300.000 Euro teuren Kooperation zwischen Bundekanzleramt, Kronen Zeitung und ORF perfekt inszeniert. Die ORF-Landesstudios präsentierten die PreisträgerInnen, die von einer „hochkarätigen“ Jury ausgewählt wurden. Dazu zählten unter anderem Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal und seine Mitarbeiterin Lilly Kunz aus dem Bundeskanzleramt. Ihre Qualifikation? Ein loyaler Teil des schwarz-blauen Staatsapparates zu sein. Das genügt.

Auch die Kronen Zeitung rührte offensiv die Werbetrommel. Am 17. Dezember wurde Kurz in den Bundesländernachrichten ein eigener Beitrag gewidmet. Der krönende Abschluss: die Ausstrahlung im Hauptabendprogramm auf ORF 2. Der Plan, maximale mediale Reichweite für den Kanzler zu erzielen, ging jedoch nicht auf. Nur 419.000 ZuseherInnen – das ist ein Marktanteil von mageren 15 Prozent – sahen sich die Sendung an. Die vorher ausgestrahlte Krimi-Serie „Die Rosenheim Cops“ traf auf ein höheres Publikumsinteresse (818.000 ZuseherInnen, 28 Prozent Marktanteil).

Propaganda für Schwarz-Blau

Diese Form der Hofberichterstattung ist kein Einzelfall. Schon am 23. September sorgte eine Regierungspropagandasendung für Aufregung. In einer Folge des Formats „Europa backstage“ besuchten ORF-ReporterInnen Vizekanzler und Sportminister Heinz-Christian Strache im Fitnessstudio. Er wurde beim Schwitzen, Trainieren und Plaudern über seine Vergangenheit als Jugend-Leistungssportler und Wiener-Sport-Club-Nachwuchskicker gefilmt. Dabei inszenierte man ihn als gesundheits- und ernährungsbewussten Sportminister, der den inneren Schweinehund besiege, sich alles – außer Free Climbing – zutraue und sehr um das Wohlergehen der ÖsterreicherInnen – vor allem bei Gesundheit und Sport – bemüht sei.

Das wurde vielen ORF-JournalistInnen zu bunt. „Es herrscht großer Ärger in den Redaktionen“, betont ORF-Redakteursvertreter Dieter Bornemann. „Der Inhalt entspricht einer unkritischen Belangsendung (gekennzeichnete Werbeeinschaltung von Parteien und Interessensvertretungen in öffentlich-rechtlichen Medien, Anm.)“, erklärt er und fordert die Einhaltung „journalistischer Qualitätskriterien“ für „alle ORF-Programme“ – im Abspann des Beitrags wurde nicht einmal ein redaktionell Verantwortlicher genannt.

Angriffe und Umfärbung

Das alles kommt nicht von Ungefähr. Die ÖVP- und FPÖ-VertreterInnen im Stiftungsrat – verantwortlich für Leitung und Kontrolle des ORF sowie für die Wahl des Generaldirektors – setzen diese unbequemen ORF-JournalistInnen unter Druck. So wollen sie etwa das ORF-Budget für dieses Jahr blockieren und damit zeigen, wer das Sagen hat. Des Weiteren hat der neue Stiftungsratsvorsitzende Norbert Steger, ein aus der Versenkung zurückgekehrtes FPÖ-Polit-Fossil, dem „politischen Endkampf für linke Ideen“ in der ORF-Information den Krieg erklärt.

Gemeint ist damit alles, was nicht regierungskonform ist. „Es hat eine brutale Neuorganisation im Unternehmen gegeben, und es gibt sie nach wie vor“, sorgt sich ORF-Zentralbetriebsratsvorsitzender Gerhard Moser. Das bisher bekannteste Opfer der politischen Säuberung: der SPÖ-nahe Fritz Dittelbacher. Er verlor seinen Posten als ORF-Chefredakteur. Seine Nachfolger: Wolfgang Geier (ORF eins) und Matthias Schrom-Kux (ORF 2). Letzterer zählt für die FPÖ zur Gattung der „fairen Journalisten“, da der bisherige Innenpolitikredakteur sie in dieser Funktion nicht kritisierte. Dieses zweifelhafte Lob ist zugleich auch Auftrag. Schrom-Kux soll dafür sorgen, dass im Nachrichtenmagazin „ZIB 2“ RegierungspolitikerInnen nicht mehr durch „unbotmäßige Fragen“ (Steger) in Verlegenheit gebracht werden. Sekundiert wird all das von schwarz-blauen Attacken auf JournalistInnen, die als zu kritisch gelten, wie etwa Armin Wolf, Susanne Schnabl-Wunderlich und Patricia Pawlicki, die die FPÖ gleich ganz absetzen lassen wollte. Zudem soll laut Regierungsplänen als Ersatz für den Alleingeschäftsführer ein vierköpfiger ORF-Vorstand – von ÖVP und FPÖ im Proporz besetzt – installiert werden.

Das alles ist jedoch kein Angriff auf die bürgerliche „Demokratie“ und die Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie es einige naive Linksliberale meinen, sondern die konsequente Ausnutzung der Möglichkeiten, die in Verfassung und ORF-Gesetz vorgesehen sind. Der ORF als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt war auch vor Schwarz-Blau nicht „frei“ bzw. „unabhängig“. Schon aufgrund der Zusammensetzung der Leitung und Kontrolle war und ist er immer staatstragend. So werden 30 der 35 Stiftungsräte direkt oder indirekt von Bundesregierung, Landesregierungen und Parlamentsparteien ausgewählt, mit einer satten Mehrheit für die Regierung. Die ORF-Belegschaft hat dagegen nur 5 Stiftungsräte. Der in bester orwellscher Tradition sogenannte „Publikumsrat“ wird mehrheitlich vom Bundeskanzler bestellt. Daher sind die aktuellen Ereignisse im Zusammenhang mit der schwarz-blauen Säuberung aller staatlichen und staatsnahen Bereiche zu sehen. Alles, was großkoalitionär und sozialpartnerschaftlich orientiert ist, also mit der alten Regierung verbunden ist, fällt ihr zum Opfer.

Und: Die Umfärbung des ORF ist hier nur die Spitze des Eisberges. Von weiteren Maßnahmen der Regierung (Pressesprecher statt direkter Kommunikation, Richtlinien vom Innenministerium zur Auswahl von veröffentlichten Polizeimeldungen …) führt das aber auch bis tief hinein in die privaten Medienkonzerne. Egal, ob Gratiszeitungen, „Qualitätsblätter“ oder private Fernsehsender: die überwiegend unkritische Hofberichterstattung wird von uns schon fast als Normalzustand angenommen. All das hat einen einfachen Grund: Die Großkonzerne brauchen eine Regierung, die für ihre Interessen in Ruhe arbeiten kann. Kritik wirkt hier nur störend, also wird sie mundtot gemacht.

(Funke Nr. 171/März 2019)


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