Im Dezember 2018 berichteten wir über die Einkesselung der Rapid-Fans beim 328. Wiener Derby. Am 12. Juli wurde der Maßnahmenbeschwerde der Rechtshilfe Rapid im Namen von 28 Fans gegen den Polizeieinsatz in den meisten Punkten stattgegeben. Von Julian Innerhofer.

Nach der Einkesselung von 1338 Rapid-Fans für bis zu 7 Stunden beim 328. Wiener Derby hat die Rechtshilfe Rapid eine Maßnahmenbeschwerde für 28 besonders stark betroffene Fans (zum Beispiel solche, die im Kessel kollabiert sind) beim Verwaltungsgericht Wien eingelegt. Bei diesem Rechtsmittel geht es darum, festzustellen, dass eine polizeiliche Maßnahme rechtwidrig war. Direkte Rechtsfolgen hat das keine, jedoch ermöglicht es den Betroffenen, auf Schadenersatz zu klagen. Am 12. Juli hat das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde in 35 von 47 Punkten rechtgegeben.

Dieses Ergebnis ist nur als Teilerfolg zu werten: die Einkesselung selbst wurde nicht bemängelt, lediglich dass es zu wenig Kontrollstellen gab und damit die Einkesselung unnötig verzögert wurde. Jedoch werden die Verzögerungen auch teilweise den Rapid-Fans in die Schuhe geschoben, was meinen eignen Erfahrungen im Kessel widerspricht sowie allen mir bekannten Äußerungen von anderen Betroffenen. Sogar einige PolizistInnen sagten vor Gericht aus, dass sich die Fans im Kessel weder aggressiv verhalten, noch die Identitätsfeststellungen verweigert hätten (insbesondere szenekundige Beamte). Der Richter glaubte jedoch den PolizistInnen, die Verzögerungen durch die Fans bemerkt haben wollen mit dem Argument, warum denn PolizistInnen lügen sollten? Des Weiteren wurden die Wegweisungen nach den Identitätsfeststellungen als unrechtmäßig erklärt.

Wenig Auswirkungen auf zukünftige Polizeieinsätze und geringe Rechtsfolgen

Somit kann die Polizei willkürlich Einkesselungen vornehmen. Sie muss lediglich dafür sorgen, dass sie bei den Identitätsfeststellungen keine offensichtlichen unnötigen Verzögerungen bewirkt. Es ist davon auszugehen, dass die Polizei diese Taktiken auch künftig nicht nur gegen Fußballfans einsetzen wird, sondern - wenn sie aus irgendeinem Grund für sinnvoll hält - auch gegen politische AktivistInnen wie DemonstrantInnen oder GewerkschafterInnen.

Auch sonst sind die Rechtsfolgen gering: der Schadenersatz wird sich wahrscheinlich auf die Rückerstattung des Eintrittspreises (20€), plus vielleicht 10€ pro Stunde im Kessel, beschränken, im Falle, dass darauf geklagt wird. Falls sich alle 1338 Betroffenen der Klage anschließen, kommt man auf einen Betrag in der Größenordnung von 100.000€, was wohl in etwa den Kosten des Polizeieinsatzes entspricht. Ein derartiger Betrag ist für die Polizei, bzw. das Innenministerium, nicht abschreckend. In der Realität wird der Betrag wohl deutlich geringer sein, weil nicht alle klagen werden.

Zusammenhang zwischen Polizei und Justiz

Obwohl die Rapid-Fans in einigen Punkten recht bekamen, ist das Urteil dennoch sehr milde gegenüber der Polizei. So wurde zum Beispiel der Begründung der Polizei, dass der Kessel gerechtfertigt war, stattgegeben, obwohl diese weder durch Zeugenaussagen noch durch Videoaufnahmen (inklusive denen der Polizei) belegt ist. Zu bemerken ist, dass die Polizei Funkprotokolle aus fadenscheinigen Gründe gelöscht hat, womit Beweismittel vernichtet wurden.

Allgemein werden Polizeieinsätze nur sehr selten gerichtlich als unrechtmäßig erklärt. Laut einer Studie zu rund 1500 Misshandlungsvorwürfen gegen PolizistInnen in Wien und Salzburg zwischen 2012 und 2015 kam es nur zu sieben Strafanzeigen und zu keiner Verurteilung. Die häufigste Begründung für eine Einstellung des Verfahrens war "fehlende Nachweisbarkeit". Manche Medien, wie zum Beispiel Die Presse, sahen das als Beweis, dass die allermeisten Vorwürfe haltlos sind. Der wahre Grund dürfte aber ein anderer sein, wenn Staatsanwälte und Richter in der Regel davon ausgehen, dass PolizistInnen generell nicht lügen (siehe oben). Aus demselben Grund riskieren Personen, die gegen die Polizei vorgehen oft, selbst wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" (§ 269 StGB) angeklagt zu werden, selbst wenn sie nicht "mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt" PolizistInnen an einer Amtshandlung hindern. Dies führt dazu, dass viele Misshandlungen durch die Polizei gar nicht zur Anzeige gebracht werden und es somit eine hohe Dunkelziffer geben dürfte.

Es ist also bei der Staatsanwaltschaft und den Richtern allgemein eine Tendenz zu Gunsten der Polizei festzustellen. Dies ist kein Zufall, da Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte zum Staat gehören und somit dieselben Interessen vertreten: die Interessen der KapitalistInnen. Dazu gehört auch, dass die Polizei viele Möglichkeiten hat, diese Interessen durchzusetzen, selbst wenn ihre Methoden eigentlich rechtswidrig sind.

Die Medienberichterstattung war teilweise einseitig und es wurden manche sehr zweifelhafte Aussagen der Polizei direkt übernommen (zum Beispiel, wenn die Polizei von "Kriegswaffen" geschrieben hat und sich dann vor Gericht herausgestellt hat, dass es sich um herkömmlichen Rauchtöpfe handelte, wie sie in Fußballstadien allgemein üblich sind). Jedoch wurde auch die Seite der Rechtshilfe Rapid dargestellt, wohl auch, um den Anschein der Objektivität zu wahren. Weitere Details zur Medienberichterstattung sind in unserem ersten Artikel beschrieben.

Die breite Medienberichterstattung und die Solidarisierung einiger SPÖ-Politiker mit den Rapid-Fans dürfte dazu beigetragen haben, dass das Gerichtsurteil im vorliegenden Fall den Fans zumindest teilweise Recht gab. Dem Umstand, dass Fußballfans auch in Zukunft als Versuchskaninchen für Polizeieinsätze herangezogen werden können, ist dadurch jedoch kein Ende bereitet.


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