Am Donnerstag, dem 8. November 2007, findet in Wien eine Demo gegen Rassismus und Faschismus statt. Wir veröffentlichen hier den Aufruf zur Demo und ein Interview mit Florian Karhofer, dem Vorsitzenden der SJ 20, die im September einen wichtigen Beitrag zur Organisierung einer antirassistischen Gegendemo zum "Protestmarsch" einer von FPÖ und ÖVP unterstützten "BürgerInneninitiative" gegen den Ausbau des Islamischen Zentrums im 20. Wr. Gemeindebezirk leistete.

Am Donnerstag, dem 13. September, hat eine "Bürgerinitiative" im 20. Wiener Gemeindebezirk, Brigittenau, für eine Demo gegen den Ausbau eines islamischen Zentrums aufgerufen. ÖVP und FPÖ unterstützten die Demo. Diese geriet erwartungsgemäß zum rassistischen Aufmarsch mit Unterstützung der Naziszene. Willi Waitz führte ein Interview mit Florian von der Sozialistischen Jugend Brigittenau, welche die antirassistische Gegendemo mitorganisierte.

W: Florian, wie bist Du auf die Thematik gestoßen?

F: Begonnen hat die Kampagne gegen den Ausbau des Islamischen Zentrums ja mit einer Bürgerinitiative. Da ging es vor allem um Lärmbelästigung und vermehrtes Verkehrsausaufkommen. Und vor allem um die Parkplätze. Ist ja klar. Wenn mehre hundert Leute zusammenkommen fehlen Parkplätze.

W: Die Bedenken einiger AnrainerInnen bezüglich Verkehr und Lärm sind sicherlich berechtigt, aber auch der Bau eines Fußballplatzes verursacht Probleme. Wer spielte da noch eine Rolle, dass der Ausbau des Islamischen Zentrums so ein polarisierendes Thema wurde?

F: Zuerst war da auch nur eine Petition. Die Homepage der Bürgerinitiative wurde von der FPÖ bezahlt und die Bezirks-ÖVP hat eine Aussendung an alle Haushalte im Bezirk gemacht und sich dafür stark gemacht die Initiative zu unterstützen. Dann hat die FPÖ im “Heute” inseriert, dass es eine Demo gegen die Moschee geben wird.

W: Und wie war die Demo der Rechten?

F: Erschreckenderweise waren 700 Menschen auf der Demo und auch viele Naziskins darunter, die auch in bekannten rechtsextremen Organisationen organisiert sind, wie der AFP und dem BFJ.
Beim Hinweg sind wir auf Polizeisperren gestoßen und alles war mit Tretgittern abgesperrt.
Dann hat man uns gesagt, dass die Demo direkt an uns vorbeiziehen wird. Und dann waren wir von der Polizei in 2 Reihen eingekesselt. Wir haben “Nazis raus” gerufen und die Nazis “Hier marschiert der nationale Widerstand”.

W: Waren das 700 Nazis, die da aufmarschiert sind oder war es eine “Bürgerdemo”, die von ein paar Rechtsextremen instrumentalisiert wurde?

F: Naja, da ist schon die FPÖ Wien dahinter gestanden und die haben sicher viele Leute dort gehabt, aber es waren auch viele Alltagsrassisten, Frustrierte…Für mich stellte diese Demo schon einen Stilbruch dar. Das war zum ersten Mal ein Aufmarsch der Rechten, der nicht von den Burschenschaftern organisiert war, und wo ganz normale Leute zum ersten Mal direkt in Kontakt mit rechtsextremen Organisationen und Ideen gekommen sind. Und der Widerstand war halt nur sehr gering. Deshalb halte ich es auch für sehr wichtig, dass wir für die Antifa-Demo am 8. November gescheit mobilisieren und wir zeigen, dass die Straße uns gehört.

W: Das Thema Moscheen, Islam und islamistischer Terror hat in der letzten Zeit ein großes mediales Interesse ausgelöst.

F: Die Diskriminierung von Muslimen (z.B. ein Kopftuchverbot) ist auf alle Fälle der falsche Weg. Auch wenn ich Religion und dem Islam im Speziellen sehr kritisch gegenüberstehe, müssen doch bürgerliche Freiheiten wie freie Religionsausübung weiterhin gelten – und zwar für alle.
Die Motive hinter dieser Islam-Debatte sind sehr scheinheilig und dahinter steht sicherlich Rassismus. Es geht da meiner Meinung nach primär darum mit Vorbehalten und Ängsten Politik zu machen. Die Antwort auf wie auch immer gearteten Fundamentalismus ist nicht Hetze sondern Bildung. Es ist auch so absurd, dass dieses Schaffen von “Ihr”- und “Wir”-Gruppen, was ja die Funktion des Rassismus ist, den Nährboden für Fundamentalismus bildet.  Es war wichtig, dass auch Inländer bei der Gegen-Gegen-Demo anwesend waren…

W: Weil es einer Spaltung entgegenwirkt?

F: Der Punkt ist der, dass das nicht nur rassistische Ressentiments gegen Muslime waren. Im 20. Bezirk leben alle möglichen MigrantInnen aus verschieden Kulturen. Dieser "Protestmarsch" hat sich in Wirklichkeit gegen alle MigrantInnen gewandt. Aber es ist wichtig zu zeigen, dass es kein „Ihr“ und „Wir“ gibt.

W: Noch ein Wort zur SJ 20. Welche Rolle soll die SJ deiner Meinung nach im Kampf gegen Rassismus spielen?

F: Es ist eine der wichtigsten Funktionen der SJ, eine Gesellschaftskritik abseits einer islamischen-religiösen Gesellschaftskritik anzubieten. Deshalb war es auch so wichtig, dass sie an der Demo teilgenommen hat.
Und langfristig sehe ich auch die Zukunft der SPÖ als MigrantInnenpartei, weil einerseits die überwältigende Mehrzahl der MigrantInnen als Lohnabhängige in das klassische Zielgruppenspektrum der SPÖ hineinfallen. Und da kann auch die SJ potenzielle Bündnispartnerin sein. Außerdem habe ich oft den Eindruck, das MigrantInnen innerhalb der SPÖ z.B. auf Bezirksebene oft eine progressivere rolle spielen als die “Altösterreicher”.

W: Kann das damit zusammenhängen, dass diese MigrantInnen eben aus den am meisten ausgebeuteten Schichten kommen und mit Problemen oft direkter konfrontiert sind als abgesicherte FunktionärInnen?

F: Natürlich. Die erleben Rassismus in seinen Auswirkungen: höhere Arbeitslosigkeit, geringere Einkommen, Ausgrenzung usw. Als MarxistInnen wissen wir ja: dafür gibt’s ja Rassismus.

W: Danke für das Gespräch.


Aufruf zur Demo:

In den letzten Monaten gibt es auch in Wien wieder verstärkte Aktivitäten von Neo-Nazis. Sie versuchen auf Basis rassistischer Hetze Unterstützung zu gewinnen. Es sind keine harmlosen „Spinner“ sondern gewaltbereite Gruppen die offensichtlich über potente Geldgeber verfügen

Die rassistische Politik der etablierten Parteien, insbesondere ihre plumpe Propaganda gegen moslemische MitbürgerInnen, bereitet den Boden dafür. In Kombination mit Sozialabbau, der zu wachsender Armut und Arbeitslosigkeit führt, sind die etablierten Parteien für das Klima wachsender rechter Gewalt verantwortlich. Erst vor kurzem konnten sich 120 Neo-Nazis aus ganz Österreich in Wien 20 an einer rassistischen Demonstration, zu der FPÖ und ÖVP aufgerufen hatten, beteiligen.

Der 9.11. ist Jahrestag der Novemberpogrome (bekannt unter dem Nazi-Begriff Reichskristallnacht). 1938 wurden von den Nazis Pogrome gegen jüdische MitbürgerInnen organisiert. Die Nazis feiern diesen Tag heute noch.

Die zunehmende rechte Gefahr müssen und wollen wir nicht hinnehmen. Das „Fritz-Stüber-Heim“ (Ecke Koppstrasse/Kreitnerstrasse) in Wien 16 ist ein zentraler Organisationspunkt der rechten Szene in Wien. Das Heim gehört der AFP, dort findet eine Vernetzung von Rechten aus dem RFJ, dem BFJ sowie der Blood and Honour-Szene statt. Dort finden jeden Donnerstag – u.a. am 8. November – Treffen statt. Auf solchen Treffen wird nicht nur diskutiert, sondern dort werden auch die nächsten Schritte geplant. Das Stüberheim gehört geschlossen.

Durch breite antifaschistische und antirassistische Mobilisierungen können wir den Aufbau der Nazis und ihre Aktivitäten stoppen.

* Schluss mit der Hetze gegen MigrantInnen
* Nein zu Rassismus, Antisemitismus und Hetze gegen MuslimInnen
* Weg mit dem „Fritz-Stüber-Heim“
* Volle soziale und demokratische Rechte für alle, die hier leben statt Staatsrassismus
* Schluss mit Abschiebungen - Bleiberecht
* Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Mindestlohn um rassistischer Hetze die soziale Grundlage zu nehmen


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