Die Bildungsreform von Bildungsstadtrat Wiederkehr (NEOS) dünnt das öffentliche Pflichtschulwesen aus. 2000 SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen gingen noch vor Ferienbeginn auf die Straße.
Hauptleidtragende der aktuellen Einsparmaßnahmen an Wiens Grundschulen sind innovative öffentliche Pflichtschulen, die aufgrund von besonderem Engagement des Schulstandorts als „Schulversuche“ einen Lichtstrahl in der Schulfrustlandschaft bilden. Etwa die Integrative Lernwerkstatt Brigittenau, die einen verschränkten Ganztages- und Mehrstufenunterricht anbietet. Aufgrund dieses Ansatzes gelingt es in diesem Problemgrätzl seit Jahren, auch eine gute soziale und leistungsmäßige Durchmischung der Schülerschaft zu erreichen. Geht es nach dem jüngsten Konterreformansatz der rot-pinken Stadtregierung wird dies im Schuljahr 2022/23 beendet sein, dann fallen hier ganze 10 Lehrkräfte weg, die ersten drei in diesem Herbst.
Argumentiert wird dies mit „Gerechtigkeit“, da die freigesetzten Posten dann in anderen, benachteiligten Schulstandorten eingesetzt würden. Allein, dies ist nur die halbe Wahrheit. Allgemein wird der besondere Lehrbedarf von SchülerInnen mit Behinderung gestrichen, was bedeutet, dass die Integration dieser Kinder nicht mehr machbar ist bzw. voll zulasten der LehrerInnen oder des Zeitkontingents der Gesamtklasse geht. Und dann der große Hammer für alle: Besonders belohnt werden in Zukunft Schulen, die die Klassenschülerhöchstzahl von 25 pro Klasse ausschöpfen. Anders formuliert: die Höchstzahl an SchülerInnen wird zur Mindestzahl. 25 „Erstklassler“ pro Klasse als Bildungsleitmotiv, das ist eine Bildungskonterreform, die sich gewaschen hat. Dass das Ganze nach drei Pandemiesemestern kommt und unmittelbar greifen soll, sorgt selbst bei zurückhaltenden Menschen für extremen Zorn.
Elterninitiativen bilden bislang das Rückgrat dieses schulübergreifenden Protests. Stadtrat Wiederkehr versucht mit „Einzellösungen“ für einzelne Schulen der Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die ultimative und logische Antwort auf den Widerstand der Elternvereine ist jedoch bereits in Arbeit: die Erhöhung der städtischen Subventionen für Privatschulen. Das zeigt den Geist der Wiener Schulreform: Rechnen, Lesen, Schreiben, das lernt man an auch an den öffentlichen Schulen, für den Rest gibt’s einen öffentlich finanzierten, privaten Bildungsmarkt.
Was es braucht, ist ein Statement und organisierten Protest der Lehrerschaft und der Personalvertretungen. Eine Verschlechterung der Bildungsstrukturen (größere Klassen) bedeutet unmittelbar höheren Druck und Arbeitsbelastung für LehrerInnen. Die sollten sich nun endlich wehren und mit den Elternvertretungen vernetzen. Wer eine qualitätsvolle öffentliche Bildung für die Kinder der Arbeiterklasse will, der muss „Nein“ zur Koalition mit den NEOS sagen.
(Funke Nr. 195/1.7.2021)