Eine Leserin berichtet über ihre Erfahrung mit der Mindestsicherung.
Ende 2020 wurde ich coronabedingt von einer unbefristeten Teilzeitstelle auf eine geringfügige Beschäftigung herabgestuft, weshalb ich um die Mindestsicherung ansuchen musste. Nach unzähligen Telefonaten – von denen viele in einer Mobilboxendeten – habe ich erfahren, dass ich vielleicht erst Ende Februar oder gar Anfang März meine erste Zahlung erhalten würde, weil so viele Anträge eingehen würden.
Tatsächlich wurden mir Anfang Februar 508,67 Euro ausbezahlt, der nächste Teilbetrag am Ende des Monats. Obwohl ich im Januar keine feste Anstellung mehr hatte, stand mir für diesen Monat keine Mindestsicherung zu. Das Argument: Ich hätte meinen Lohn ja Ende Dezember erhalten, sodass ich mich im Januar über Wasser halten könne.
Von der Mindestsicherung werden alle zusätzlichen Einkünfte abgezogen – mit meiner geringfügigen Beschäftigung kann ich mir keinen Cent dazuverdienen. Sogar die Arbeitnehmerveranlagung aus dem Vorjahr (!) – 800 Euro – wurde mir wieder abgezogen.
Da ich keinen fixen Gehalt beziehe – die geringfügige Beschäftigung bringt zwischen 30 und 300 Euro monatlich ein – muss ich jeden Monat einen Lohnzettel vorlegen, der als Berechnungsgrundlage für die Mindestsicherung im Folgemonat herangezogen wird. So bekomme ich ständig Teilbeträge ausbezahlt und erhalte RSb-Briefe, in denen ich zu Rückzahlungen aufgefordert werde.
Es ist anstrengend und ein einziges Chaos. Wenn man auf die Mindestsicherung angewiesen ist, hat man viele Probleme. Wegen des immensen bürokratischen Aufwandes, vor allem aber weil mit der „Sozialhilfe NEU“, die die „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ 2019 abgelöst hat, noch weniger herausschaut: Ist ein „Vermögen“ vorhanden, muss dieses – bevor man überhaupt anspruchsberechtigt ist – auf ca. 4.700 Euro geschrumpft sein. Alleinstehende Personen in Oberösterreich (die Bundesländerregelungen weichen voneinander ab) erhalten mit dem neuen Sozialhilfegesetz nur noch Zahlungen bis zum Richtsatz von 885 Euro pro Monat.
Mit diesen verschärften Regelungen will die Regierung (die Arbeitslosigkeit nicht als Resultat der wirtschaftlichen Lage, sondern des individuellen Versagens behandelt) den Druck auf die BezieherInnen der Mindestsicherung erhöhen, jedenfalls in den Arbeitsmarkt zurückzukehren – egal was dort zu welchen Bedingungen angeboten wird. Stattdessen braucht es ein staatliches Beschäftigungsprogramm für die 450.000 Arbeitslosen, das die Regierung aber dezidiert ablehnt. Deshalb: Weg mit Kurz!
Von Julia
(Funke Nr. 195/1.7.2021)