Die Wohnsituation in Vorarlberg hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Unser Korrespondent aus Vorarlberg über die „unsichtbare Hand“ der Kapitalisten am Wohnungsmarkt.
Das durchschnittliche Einkommen im Ländle liegt im Bundesländervergleich immer noch an zweiter Stelle, dennoch bezahlen nicht wenige VorarlbergerInnen über 50% des Haushaltseinkommens für die Miete, während der österreichweite Durchschnitt bei 22,3% liegt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich in den vergangenen 10 Jahren der durchschnittliche Quadratmeterpreis um knapp 40% erhöht hat. Somit liegt der Preis heute bei durchschnittlich 9,57€ pro Quadratmeter und Monat.
Liberalisierung am Wohnungsmarkt
Aus Sicht der KapitalistInnen und bürgerlichen Parteien hat das so alles seine Richtigkeit: Sie sagen, alleine die Nachfrage bestimmt den Markt, dass in Wahrheit das Angebot absichtlich verknappt wird, verschweigen sie. Vorarlberg ist als Zuwanderungsland bekannt, das schafft eine steigende Nachfrage nach Wohnraum. Auch der vergleichsweise niedrige Anteil an gemeinnützigen Wohnungen spielt ihnen in die Hände, um Mietpreise in die Höhe zu treiben und noch mehr Profit aus den Menschen herauszupressen. Die Konsequenzen tragen vor allem die Jugend und junge Paare, GeringverdienerInnen und ältere Menschen mit niedriger Pension.
Nichtsdestotrotz argumentiert etwa die Landes-ÖVP, dass jede Einmischung in den Wohnungsmarkt der falsche Weg sei. Sie verlangt mehr Liberalisierung im Wohnrecht, im Klartext ist damit die Aushöhlung des Mieterschutzes gemeint. Sie argumentiert, dass so der Leerstand beseitigt werden könne, weil die Risiken für Vermieter einfach zu hoch seien. Die Vorarlberger Leerstandsinitiative „Sicher Vermieten“ übernimmt genau diese Risiken der Vermieter, unterstützt EigentümerInnen im Austausch für einen festgeschriebenen Mietzins, der 20% unter dem Vorarlberger Richtwert liegt – genutzt wird sie aber kaum. Es wird mit also haltlosen Behauptungen versucht, hinterrücks den KapitalistInnen am Wohnungsmarkt Tür und Tor zu öffnen und Mietrechte zu beschneiden.
Mietendeckel und sozialer Wohnbau
Die SPÖ Vorarlberg gibt sich ambitionierter: Sie verlangt eine Deckelung der Mieten. Maximal ein Drittel des Haushaltseinkommens soll für die Miete aufgewendet werden. Auch fordert sie eine Leerstandsabgabe und setzt sich für mehr gemeinnützigen Wohnbau ein. Das jüngste Beispiel aus Berlin zeigt allerdings, wie einfach und hinterhältig Immobilienunternehmen zunächst die Deckelung umgangen sind, bis sie vom Bundesverfassungsgericht ganz gekippt wurde. Auch die Vorarlberger ÖVP bekommt beim Gedanken an einen Mietendeckel Schnappatmung und spricht von einer „Zwangsjacke“, die den EigentümerInnen angelegt werde.
Auch das mit dem sozialen Wohnbau ist so eine Sache; Vorarlberg ist ein anschauliches Beispiel: Gemeinnütziger Wohnbau entsteht fast nur noch in nicht-städtischen Gebieten und wird in kleine Gemeinden verdrängt. Die Entwicklungen rund um den Bau eines neuen Rathauses in Hohenems geben Aufschluss über die Ursachen dafür. Private Quartierentwickler, Investoren, Unternehmen und die Stadtregierung selbst stürzen sich auf ein Projekt zur Renovierung einer historischen Villa und die Entwicklung des Quartiers rundherum und spielen sich dabei gegenseitig in die Karten.
Die Pläne beinhalten den Bau eines neuen fünfstöckigen Rathauses – ein Prestigeprojekt für den amtierenden FPÖ-Bürgermeister Dieter Egger, das bequemerweise rechtzeitig zur nächsten Gemeinderatswahl fertiggestellt werden soll. Eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Der Bürgermeister bekommt sein prächtiges Rathaus, die Investoren bekommen die Möglichkeit inmitten von Hohenems, teilweise auf Kosten der Stadt, hochpreisige Wohnungen zu bauen. In dieser Freunderlwirtschaft erkennt man schnell, wem Gemeindepolitik nützt und wer hintanstehen muss.
In der Innenstadt nur Luxus
In einer Presseaussendung der SPÖ-Hohenems kommt eine alleinerziehende Mutter zu Wort: „Die Hohenemser Innenstadt lässt mich wie eine Fremde zurück. Ich kann mich zwar an der tollen Marktstraße erfreuen, für mein Geldbörserl als alleinerziehende Mama hat sie aber nichts zu bieten.“ Das gilt nicht nur in Hohenems: In den Innenstädten hat der „Pöbel“ nichts verloren, hier soll alles glamourös sein, hier ist kein Ort zum Leben, sondern ein Ort, um Profit zu scheffeln.
Was die Gemeindepolitik in Hohenems hier aufführt, ist dasselbe Stück, das auch die Bundesregierung spielt. Eine Clique von KapitalistInnen und bürgerlichen PolitikerInnen schiebt sich gegenseitig Aufträge und Posten zu und kassiert dann groß ab. Am Thema Wohnen wird besonders deutlich, wie egal diesen Leuten das Leben der einfachen Menschen ist.
Sie haben keinerlei Interesse daran, den steigenden Wohn- und Mietpreisen entgegenzuwirken, denn sie sind der Garant für ihren Profit. Der soziale Wohnbau widerspricht diesem Profitstreben – und wenn er schon unbedingt nötig wird, dann bitte außerder glamourösen Innenstadt.
Wir schlagen vor, nicht die arbeitenden Menschen, sondern die mächtigen Bauunternehmen, bürgerlichen PolitikerInnen und InvestorInnen aus der Stadt zu vertreiben. Gegen Spekulation mit Wohnraum und für die entschädigungslose Enteignung leerstehender Wohnungen!
(Funke Nr. 196/1.9.2021)