Beim gestrigen ORF-Interview mit der Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) wurde erneut die Kommunismuskeule ausgepackt. Konstantin Korn berichtet über den plumpen Antikommunismus der österreichischen Medien und die Rolle der KPÖ.
Unseren jüngeren LeserInnen mag der „Staberl“ kein Begriff mehr sein, aber für Generationen von Linken war die gleichnamige Kolumne in der Kronen-Zeitung Sinnbild für reaktionäre Meinungsmache. Hinter dem „Staberl“ stand Richard Nimmerrichter, der gestern im Alter von 102 Jahren verstarb. Kaum ein Tag verging, an dem er nicht seine ewiggestrige Ideologie zu Papier brachte und „Berufsdemonstranten“ und „Jungsozis“ anriet, sie sollen doch „rüber gehen“ (in die DDR oder die Sowjetunion), wenn es ihnen im kapitalistischen Westen nicht passe.
Doch die Staffelübergabe der Kommunismuskeule hat im bürgerlichen Lager geklappt. Übernommen hat gestern an „Staberls“ Todestag der Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“, Hubert Patterer. Patterer gehört zu den Besten seines Faches und wurde mehrfach als „Chefredakteur des Jahres“ ausgezeichnet. Ihm wurde die Aufgabe anvertraut, die neue KPÖ-Bürgermeisterin von Graz, Elke Kahr, in der ORF-Pressestunde vorzuführen. Er und seine Kollegin vom ORF ließen kein Klischee aus, um Elke Kahr als „rote Gefahr“, als Wolf im Schafspelz zu zeichnen. Wie gerne hätten sie ihr unterstützende Worte für „den Russen“ im Ukraine-Konflikt abgerungen. Wie gerne hätten sie sie zum Stammeln gebracht, wenn sie auf die Verbrechen unter Stalin und die Diktatur in Nordkorea angesprochen wird. Wie gerne hätten sie ihr entlockt, die KPÖ würde am liebsten Wohnungen enteignen und aus der EU austreten. Doch Elke Kahr ließ sich nicht aufs Eis führen und tänzelte bei jedem Angriff leichtfüßig zur Seite und ließ Herrn Patterer ins Leere laufen. Dabei war dieser sehr bemüht: In seiner Verzweiflung verglich er sogar Elke Kahrs soziale Hilfstätigkeit, die sie dadurch finanziert, dass sie auf einen Großteil ihres Politikergehalts verzichtet, mit dem Füllhorn des Jörg Haider, mit dem dieser einst mit öffentlichen Geldern auf Stimmenfang ging.
Dieser plumpe Antikommunismus hätte vor einigen Jahren vielleicht dennoch Wirkung gezeigt. Gestern aber ging Elke Kahr als klare Siegerin der Herzen aus dem Duell hervor. In den sozialen Medien machten sich alle nur über den geschniegelten Chefredakteur lustig.
So sehr Elke Kahr die Herzen erwärmt hat, der Auftritt in der Pressestunde war auch eine vertane Chance. Um ein bekanntest Zitat abzuwandeln: „Es hat keinen Sinn, eine Mehrheit für die Kommunisten zu erringen, wenn der Preis dafür ist, kein Kommunist mehr zu sein.“
Elke Kahr und ihre GenossInnen von der KPÖ wollen sich mit allen Mitteln als wählbare Alternative präsentieren. Anhand konkreter Alltagsfragen wollen sie den Menschen zu Diensten sein. Sie wollen in der Politik eine Perspektive „von unten“ einnehmen, und das hebt sie positiv von den anderen Parteien ab. Aber in zentralen Fragen hat die KPÖ eine kommunistische Politik ad acta gelegt. In der Praxis geht es ihr nur um einen „sozialen Staat“, der regulierend in die Wirtschaft eingreift. Die Frage der Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln spielt keine Rolle in der Politik der KPÖ. Es geht ihr nicht einmal um die Re-Kommunalisierung von städtischen Infrastrukturbetrieben, sondern nur darum, dass der Gemeinderat mehr Kontrollmöglichkeiten hat. Selbst angesichts der politischen Krise im Land, die sich in den nächsten Monaten weiter zuspitzen wird, und der Notwendigkeit einer starken linken Alternative auf Bundesebene hat Elke Kahr kein Wort verloren. In keinem Punkt formulierte Elke Kahr eine Klassenkampfperspektive und welche Rolle KommunistInnen in gewerkschaftlichen Kämpfen oder in der Klimabewegung einnehmen sollen. Ihr Kommunismus muss dabei eine „Utopie“ bleiben. Für uns ist frei nach Marx und Engels der Kommunismus aber „nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“
Wenn die bürgerlichen Medien gegen Elke Kahr auf einen Antikommunismus wie aus der Zeit des Kalten Krieges setzen, dann nicht so sehr, weil die heutige Politik der KPÖ so gefährlich ist. Aber Erfolge der KPÖ bergen die „Gefahr“, dass eine neue Generation, die für eine Zukunft kämpft, Lust auf mehr bekommt und im Kommunismus die einzige Alternative zum Krisen- und Chaoskapitalismus unserer Epoche sehen wird. Die wichtigste Aufgabe von KommunistInnen ist es heute, diese Generation zu organisieren und sich für den Kampf zur revolutionären Überwindung des Kapitalismus fit zu machen.