Durch ihren Wahlsieg in Graz im vergangenen September hat die KPÖ erstmals seit Jahrzehnten die Chance, wieder in der „Bundesliga“ der österreichischen Innenpolitik zu spielen. Welche Herausforderungen und welche Aufgaben sich daraus ergeben, wurde bei einer Podiumsdiskussion von Platypus diskutiert. Konstantin Korn berichtet.

Die KPÖ gehört zu den ältesten, aber auch zu den kleinsten Kommunistischen Parteien der Welt. Sie entstand im Zuge der revolutionären Welle nach dem Ersten Weltkrieg, die damals auch Österreich erschütterte, fristete neben der Sozialdemokratie, der traditionellen Mehrheitspartei der österreichischen Arbeiterbewegung, jedoch immer nur ein Schattendasein. Erst durch ihre Rolle im Widerstand gegen Austrofaschismus und Nationalsozialismus konnte sie die Basis zu einer Partei mit einer gewissen Massenverankerung legen. Sie profitierte dabei vor allem von der großen Autorität der Sowjetunion. Doch die Nibelungentreue zu Moskau ging nach hinten los, und mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Scheitern des „realen Sozialismus“, wie es im KPÖ-Sprech hieß, lag die Partei völlig danieder.

Funke-Redakteur Emanuel Tomaselli unterstrich in der Diskussion, dass jene Recht hatten, die trotz allem Gegenwind an der Idee einer kommunistischen Partei festgehalten haben. In Graz, aber auch in den obersteirischen Industriestädten, hat es die KPÖ durch jahrelange, geduldige Arbeit tatsächlich geschafft, eine bedeutende linke Kraft aufzubauen, die in Teilen der Arbeiterschaft Vertrauen genießt und zumindest bei Wahlen ein bedeutender Faktor ist. Mit dem Wahlsieg in Graz hat die KPÖ die Ernte für diese ausdauernde Basisarbeit eingefahren.

Dieser Wahlerfolg ist zum einen regionalen Besonderheiten geschuldet, nachdem in der Steiermark die SPÖ durch ihre Rolle in der „Reformpartnerschaft“ völlig abgewirtschaftet hat und der KPÖ viel Spielraum lässt. Aber zum anderen ist er auch Ausdruck einer politischen Instabilität und einer Krise der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Institutionen, die wir auf der ganzen Welt beobachten können. Der Antikommunismus hat drei Jahrzehnte nach dem Ende der Sowjetunion seine Zugkraft weitgehend eingebüßt, und eine neue Generation sucht nach einer politischen Alternative zum Kapitalismus und zur herkömmlichen Politik.

Als „Funke“ begrüßen wir diese Entwicklung und sehen darin eine Chance, eine linke Arbeiterpartei zu etablieren, die nicht völlig unter der Knute der Bürgerlichen steht, sondern die sozialen Interessen der Arbeiterklasse und der Jugend zum Ausdruck bringen kann. Was in der Steiermark bereits Form angenommen hat, existiert aus unserer Sicht bundesweit zumindest als Potential. Die Frage, welche Perspektive die KPÖ verfolgt, ist daher von großer Relevanz.

Die Podiumsbeiträge von Tobias Schweiger, einem der sechs neu gewählten BundessprecherInnen der KPÖ, und Jakob Matscheko, dem Vertreter der KPÖ Steiermark, haben gezeigt, dass die derzeitige KPÖ-Führung hier einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt.

Genosse Schweiger betonte, dass die Bundes-KPÖ gerade erst mühsam dabei ist, wieder handlungsfähig zu werden. Die KPÖ sei derzeit keine „bundesweit einheitliche Partei“ und verfüge über kein „einheitliches Programm“. Sie habe keine Verankerung in der Gesellschaft und in sozialen Auseinandersetzungen. Mit anderen Worten: Sie stehe völlig am Beginn der Arbeit. Und auch Genosse Matscheko sieht derzeit keine Möglichkeit, in Hinblick auf die nächsten Nationalratswahlen eine schlagkräftige kommunistische Kandidatur aufzustellen.

In der Debatte haben vor allem die GenossInnen des „Funke“ die Frage aufgeworfen, was eine kommunistische Partei abseits von Kommunalpolitik und Kampagnenarbeit zur Gewinnung neuer Mitglieder und WählerInnen eigentlich prinzipiell ausmacht. Gegründet wurde die KP einst als Kampfpartei der Arbeiterklasse, die sich den revolutionären Sturz des Kapitalismus in einer sozialistischen Revolution zum Ziel setzte. Doch wie Genosse Schweiger ausführte, stelle sich diese Frage für die KPÖ heute nicht. Sie sei einfach nicht in der Lage, einen Beitrag zum Fortschritt des Sozialismus zu leisten. Und auch die KPÖ Steiermark konzentriert sich rein auf die konkreten Alltagsfragen (Wohnen, Soziales…), verbindet diese Reformarbeit aber nicht mit ihrem sozialistischen Maximalprogramm. Man wolle eine „Partei für die arbeitenden Menschen“ sein, die sich in der Praxis Vertrauen erwirbt und sich langsam wieder eine Verankerung aufbaut.

Ausgangspunkt all dieser Überlegungen ist dabei in erster Linie der subjektive Zustand der Partei nach Jahren der gesellschaftlichen Isolation und Bedeutungslosigkeit. Gerechtfertigt wird der jetzige Kurs mit einer sehr pessimistischen Einschätzung des Bewusstseins der Arbeiterklasse nach Jahrzehnten des neoliberalen Siegeszuges. Dem würden wir entgegenhalten, dass die KommunistInnen ausgehend von einer Analyse der Perspektiven des heutigen Kapitalismus ihr Programm und das Selbstverständnis ihrer eigenen Rolle definieren müssen. Und dieser Kapitalismus ist von wirtschaftlichen, sozialen, politischen Krisen geschüttelt, was die Perspektive großer Klassenkämpfe und auch revolutionärer Brüche (zuletzt etwa Kasachstan) beinhaltet. Aber zu den notwendigen Diskussionen über Programm, Perspektiven und Methoden hat die derzeitige KPÖ-Führung nichts Konkretes beizutragen.

Emanuel Tomaselli hat in einem Beitrag, die Frage nach der Aufgabe der KommunistInnen mit Marx beantwortet, dass sie „praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder“ sind, die auch „theoretisch Einsicht“ in die Bedingungen des Klassenkampfes haben.

Beide, Matscheko und Schweiger, argumentieren hingegen, dass man nur durch geduldige Kommunalpolitik bzw. langfristige Kampagnenarbeit (z.B. zum Thema Wohnen) Menschen für sich gewinnen könne. Eine revolutionäre Theorie erscheint dabei nur als unnötiger Ballast. Genosse Matscheko meinte unumwunden, „die beste revolutionäre Theorie hilft nichts, wenn sie die Massen nicht erfasst“. Sofern die Diskussion zu theoretischen Fragen geführt wurde, hat sich gezeigt, dass die heutige KPÖ noch immer die Altlasten des Stalinismus mit sich herumschleppt. Dies wurde deutlich in der einzigen Aussage von Genossen Matscheko, die über die Mühen der Kommunalpolitik hinausging. Aus seiner Sicht brauche es, bevor es um den Kampf für den Sozialismus gehen könne, ein „antimonopolistisches“ Bündnis auch mit kleinen und mittleren Unternehmen. Dieses Konzept knüpft nahtlos an die unter Stalin ausgearbeitete Volksfronttaktik an, die hierzulande in den 1930ern mit einem irritierenden Österreichpatriotismus und Anbiederungsversuchen an den Austrofaschismus und die Habsburger einherging. Diese Taktik ebnete auch den Weg für die Entwicklung der KPÖ zu einer staatstragenden Partei, die 1945 Regierungsverantwortung für den kapitalistischen Wiederaufbau übernahm.

Diese Politik steht im krassen Gegensatz zu den Konzepten von Marx und Lenin, die sowohl von der KPÖ Steiermark wie auch von Tobias Schweiger immer wieder gerne bemüht werden. Lenin hat keinen Zweifel daran gelassen, dass es ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Bewegung geben könne. Für uns ist diese Aussage eine Grundfeste, auf der wir eine revolutionäre Organisation aufbauen, und das Mittel, um uns auf revolutionäre Prozesse vorzubereiten, in denen KommunistInnen aus unserer Sicht eine vorwärtstreibende Rolle spielen müssen.

Wo KommunistInnen schon heute über genügend Verankerung verfügen, haben sie diese Aufgabe schon jetzt zu erfüllen. Dies gilt für Jugendproteste, betriebliche und gewerkschaftliche Kämpfe wie auch für die Kommunalpolitik. Emanuel Tomaselli zeigte in seinen Wortmeldungen, dass die KPÖ – selbst gemessen an ihrem eigenen Programm – diesem Anspruch nicht gerecht wird, wenn sie einen ihrer zentralen Programmpunkte, die Rekommunalisierung der städtischen Versorgungsbetriebe und des Sozialbereichs, aufgibt und dies so argumentiert: „Wir haben uns das jetzt genauer angeschaut“, erklärt der designierte Stadtrat und KP-Klubobmann Manfred Eber. „Man könnte unter den Abteilungen keine Gegenrechnungen mehr machen und wir müssten Körperschaftsteuer zahlen. Man hat uns erklärt, dass das eine Belastung in der Höhe von zwei bis drei Millionen Euro im Jahr bedeuten würde.“ Die Logik der repräsentativen Demokratie hinterlässt bei der KPÖ schon jetzt ihre Spuren und führt dazu, dass sie einen sehr beschränkten politischen Horizont einzementiert.

Die kommunistische Bewegung hätte nun auch in Österreich Wind in den Segeln. Die krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus bedeutet, dass wir auf stürmische Zeiten zusteuern. Der Marxismus kann das nötige Instrument sein, um auch in unruhigen Gewässern hart am Wind zu segeln. Während sich die Führung der KPÖ gestützt auf ihre These vom „niedrigen Bewusstsein der Massen“ weiterhin im ruhigen Hafen der Kommunalpolitik aufhalten will, wollen wir uns als Teil der International Marxist Tendency (IMT) in Theorie und Praxis auf die Aufgaben in einer Periode gesellschaftlicher Polarisierung und großer Klassenkämpfe vorbereiten.


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