Im Jänner veröffentlichte die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) eine neue Studie, der zufolge Vermögen in Österreich noch ungleicher verteilt sind, als bisher angenommen. Tatsächlich scheint eine korrekte Berechnung des Vermögens der Super-Reichen unter kapitalistischen Verhältnissen unmöglich – wie Norbert Stern analysiert.
Laut der Studie dürfte der Anteil am Vermögen des oberen ein Prozent näher an 50 Prozent liegen, als frühere Studien vermuten ließen. Die OeNB-Studie reiht sich somit in eine Vielzahl von Publikationen ein, die die Prognose von Karl Marx bestätigen, dass es durch den Kapitalismus zu einer Akkumulation von Vermögen an einem Ende der Gesellschaft und gleichzeitig zur Anhäufung von Elend und Not am anderen Ende der Gesellschaft kommt.
Darüber hinaus wird aus der Studie ersichtlich, wie schwierig es ist, die Verteilung von Vermögen korrekt zu berechnen. Während das Vermögen von Haushalten mit geringem oder mittlerem Vermögen noch recht genau bestimmt werden kann, ist dies bei dem reichsten Prozent de facto unmöglich. Vermögende geben nämlich bei Umfragen, deren Teilnahme freiwillig ist, keine Auskunft über ihr tatsächliches Vermögen.
Um dennoch das Vermögen des Top-1% abschätzen zu können, muss auf sogenannte Reichen-Listen wie beispielsweise die Auflistung der 100 reichsten ÖsterreicherInnen vom Magazin Trend zurückgegriffen werden. Unter den Top-10 dieser Liste befinden sich fast ausschließlich UnternehmerInnen und Großaktionäre wie die Familie Piech-Porsche, Didi Mateschitz und Kurz-Freund René Benko. Dadurch wird einmal mehr belegt, dass Reichtum nicht durch eigene Arbeit, sondern nur durch Ausbeutung – d.h. Aneignung der Arbeitskraft anderer – erzielt werden kann.
Dies ist allerdings nur ein Teil des Bildes, da ein wesentlicher Teil des Vermögens der Super-Reichen weder in den Reichen-Listen noch in den Vermögenstudien von OeNB oder Arbeiterkammer erfasst wird. Wieviel Vermögen etwa in Steueroasen gebunkert ist, lässt sich durch Enthüllungen wie die der Panama-Papers höchstens erahnen. Um den Reichtum des Top-1% eindeutig feststellen zu können, bräuchte es ein globales Register aller Vermögenswerte. Dass der Versuch solch ein Register einzuführen auf schärfsten Widerstand der KapitalistInnen stoßen würde, ist selbstverständlich. Und selbst wenn die notwendigen Gesetze dafür verabschiedet werden dürfte die Umsetzung nicht dem bürgerlichen Staat überlassen werden. Denn wie die Chatverläufe von Sigi Wolf & Co zeigen, können die KapitalistInnen nur allzu leicht Einfluss auf den Staatsapparat ausüben. Eine zentrale Erfassung aller Vermögenswerte müsste also unter direkter Kontrolle der Lohnabhängigen organisiert werden und zwar dort, wo der Ursprung der großen Vermögen liegt – bei den Unternehmen selbst.
Es ist allerdings nicht notwendig die Vermögensungleichheit auf den letzten Cent genau zu berechnen, um einen Eindruck über die Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems zu bekommen. Wem das Weltraum-Programm oder die neueste Yacht von Jeff Bezos noch nicht Beweis genug für den Luxus der Super-Reichen ist, dem sei hier der Instagram Account Rich Kids of Instagram ans Herz gelegt.
Es darf aber trotz allem nicht vergessen werden, dass diese Ungleichheit nur Symptom der kapitalistischen Produktionsweise ist. Das heißt, Forderungen nach „gerechter Umverteilung“ innerhalb des Kapitalismus greifen zu kurz und sind im heutigen Zustand des Systems, selbst wenn es um kleine Änderungen geht, nur gegen den erbitterten Widerstand der Herrschenden durchsetzbar.
Als MarxistInnen treten wir primär für die Überwindung dieses Systems ein, da die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus in direktem Widerspruch zu einer krisenfreien Entwicklung der Produktivkräfte und einem würdevollen Leben für alle Menschen stehen. Am besten hat diesen Umstand der russische Marxist Leo Trotzki formuliert:
„Das Grundübel des kapitalistischen Systems besteht nicht in der Verschwendungssucht der besitzenden Klassen, so widerwärtig sie an sich ist, sondern darin, dass die Bourgeoisie zur Wahrung ihres Rechts auf Verschwendung das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufrechterhält und so die Wirtschaft der Anarchie und Fäulnis preisgibt.“ (Trotzki, Verratene Revolution, Kapitel 1)
(Funke Nr. 201/23.3.2022)