Zur Frage der Religion und der Akzeptanz von LGBT an österreichischen Schulen erreichte uns dieser Leserbrief von Kathi.
Als sich meine Klasse nach einigen Diskussionen, zuerst in Ethik, dann mit der ganzen Klassengemeinschaft, dazu entschlossen hatte, das Kreuz im Klassenzimmer abzuhängen, wurde uns das mit Verweis auf die rechtliche Grundlage von der Direktion verboten. Das Kreuz muss in der Klasse angebracht sein, da die Mehrheit ein römisch-katholisches Glaubensbekenntnis hat.
Als wir allerdings alternativ eine Regenbogenflagge am Daumen unseres Jesus aufgehängt haben, wurde dieser nicht nur kritisch betrachtet, sondern von einer Lehrperson auch als Bob Marley bezeichnet. Schließlich wurde eine anonyme Beschwerde bei der Direktion eingereicht. Nach intensiver Diskussion mit dem Klassenvorstand und dem Direktor hängt die Flagge nun von unserem Fenster gut sichtbar in den Schulhof hinunter.
Die ganze Sache führte zu einigen interessanten Gesprächen über die Funktion von römisch-katholischen Kreuzen in Schulen eines säkularen Staates, wobei einige LehrerInnen zustimmten, dass diese hier eigentlich nichts verloren hätten. Leider wurde das Privileg der Kirche, dass es einen Religionsunterricht an staatlichen Schulen gibt und sie staatliche Förderungen bekommt, weniger kritisch betrachtet.
Wir haben auch einige negative Reaktionen bekommen: Zettel mit Aufschriften wie „Weg mit der Schwulenflagge“ wurden an der Klassentür angebracht, und es wurden einige beleidigende Bemerkungen in unsere Richtung gemacht. Das Erschreckende dabei ist, dass all das von UnterstufenschülerInnen, also 10 bis 14-Jährigen, getan wurde. Anscheinend waren viele der Aktionsantreibenden islamischen Glaubens – was nur wieder einmal zeigt, wie sehr Religion spaltet. Das heißt aber nicht, dass die heuchlerische Propaganda der Politik, der Islam hätte diese Homophobie nach Österreich gebracht, wahr ist. So darf der Pfarrer Karl Tropper trotz offener Homo- und Islamfeindlichkeit wieder predigen – der römisch-katholischen Kirche hat eine Ermahnung anscheinend gereicht.
Wir hätten nicht gedacht, dass eine so einfache Aktion zu so einem Aufruhr in der Schule führen würde – und dennoch zeigt genau das, wie fest Kirche und Religion immer noch im österreichischen Staat verankert sind, und dass es so etwas wie komplette Akzeptanz von LGBTQ+ in unserer Gesellschaft nicht gibt. Das Wichtigste ist anscheinend, wie es ein Lehrer formulierte, immer noch: „Hauptsoch ’s Kreiz hängt no“.
Genau deshalb möchte ich aber für eine Gesellschaft kämpfen, in der zwar alle dem eigenen Glauben folgen können, aber dieser komplett aus den öffentlichen Sachen herausgehalten wird. Man sieht wohl deutlich, dass die Kirche vor allem ein Mittel der Spaltung ist, was wir als MarxistInnen nicht unterstützen können. Nicht Gott wird unser Leben besser machen, sondern der vereinte Kampf gegen den Kapitalismus!
(Funke Nr. 203/22.4.2022)