Die Krise des Systems schlägt sich auch beim öffentlichen Verkehr nieder und trifft dort vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Über die Verschlechterungen beim Sommerticket und welche Schlüsse wir daraus ziehen sollten, schreibt Valentin Iser.
Traditionell bietet die ÖBB jedes Jahr über die Ferien das sogenannte „Sommerticket“ an, mit dem Jugendliche unter 26 Jahren kostengünstig innerhalb von Österreich mit Zügen fahren können. Aktuell kann man für 34€ (unter 20 Jahren) und 59€ (bis 26 Jahre) das Ticket erwerben.
Nachdem die Geltungsdauer des Sommertickets bereits im Jahr 2019 auf nur noch einen Monat reduziert und der Preis mehr als verdoppelt wurde, gibt es nun einen weiteren Rückschritt in der Attraktivität und Leistbarkeit dieses Angebots: Nun muss für jede Fahrt zusätzlich eine Sitzplatzreservierung gebucht werden. Bei Fernverkehrszügen, also etwa Railjets, sind diese laut der ÖBB, um Überfüllung zu vermeiden, verpflichtend. Und InterCity-Busse können generell nur mit Reservierung genutzt werden. Was passiert, wenn die Züge nicht ausgelastet sind, aber trotzdem keine Reservierung vorhanden ist, ist ungewiss und wird von Seiten der Bundesbahnen nicht näher erläutert. Dass man also trotz freier Sitzplätze aus einem Zug geworfen wird, aufgrund einer fehlenden Reservierung, ist also nicht ausgeschlossen.
Zwar wirbt die ÖBB mit fünf kostenlosen Reservierungen für alle registrierten KundInnen, allerdings ist dies ein trauriger Trost für junge Menschen, die eigentlich doch für ein Monatsticket aufgekommen sind und weit mehr als fünf Züge verwenden können sollten. Fakt ist, dass die ÖBB bereits im Frühjahr immer wieder Fahrgäste rausgeworfen hat, weil die Züge überfüllt waren. Anstatt mehr Züge anzubieten, setzte man lieber auf Repression. Das ist die Folge einer völlig verfehlten Sparpolitik auch beim öffentlichen Verkehr über die letzten zwei Jahrzehnte.
Ähnlich ist es auch seit Jahren schon bei den Interrail-Pässen: Für frühere Generationen ein Symbol für die Bewegungsfreiheit innerhalb Europas, kann man sich heute dieses Angebot kaum mehr leisten, da in Westeuropa oftmals sehr hohe verpflichtende Reservierungen eingefordert werden. Außerdem sind die Zugstrecken auch einfach enorm überlastet. Unbeschwerte spontane Reiseabenteuer sind also sowohl im Inland als auch europaweit für die heutigen Jugendlichen bereits längst Geschichte. Zu wenig ausgebaut und viel zu sehr auf Profit ausgerichtet und privatisiert wurden Zugverbindungen überall.
Paul Stich von der Sozialistischen Jugend fordert von der Regierung ein kostenloses Sommerticket für alle unter 26 und betonte dabei, dass das nicht nur den Bedürfnissen der Jugendlichen nach zwei Jahren Pandemie entspricht, sondern auch für die Wirtschaft gut wäre (!). Julia Herr als SPÖ-Klimasprecherin beklagt regelmäßig vertagte Anträge im Parlament zu diesem Thema, während es jedes Jahr für Jugendliche neue Verschlechterungen gibt. KJÖ und Junge Linke stoßen im Zuge ihrer Kampagne „Jugend gegen Krieg“ in dasselbe Horn. Sie wollen das Sommerticket für alle jungen Menschen unter 30 und argumentieren, dass Geld, das die Regierung in die Aufrüstung stecken will, besser für die sozialen Interesse von Jugendlichen verwendet werden sollen. Außer Presseaussendungen und Fotoaktionen fiel weder den sozialdemokratischen noch den kommunistischen Jugendorganisationen etwas ein, wie die Jugend für diese Forderungen kämpfen könnte.
Appelle an die Regierung werden jedenfalls nicht helfen, auch nicht, wenn eine vermeintliche Klimaschutz- und Umweltpartei Verantwortung trägt! Die Grünen haben ausreichend gezeigt, wo die wirklichen Prioritäten liegen: bei Klimafreundlichkeit, dem Ausbau der Infrastruktur für den öffentlichen Verkehr und bei den Bedürfnissen von Jugendlichen offenbar nicht.
Wir brauchen angesichts der Klimakrise als auch der Teuerungswelle ein breit ausgebautes und kostengünstiges Bahnnetz und in ganz Europa verstaatlichte Bahnunternehmen unter der demokratischen Kontrolle der Beschäftigten und VertreterInnen der Fahrgäste. Die dafür notwendigen Investitionen, die es zeitnah brauchen würde, sind unter den Bedingungen einer kapitalistischen Profitwirtschaft undenkbar. Schon gar nicht in so krisenhaften Zeiten. Selbst der Kampf um so klein anmutende Verbesserungen, wie ein Gratis-Sommerticket für junge Menschen (und eigentlich bräuchte es das für alle!), muss heute verknüpft werden mit der Perspektive der Überwindung des Kapitalismus und der Errichtung einer sozialistischen Planwirtschaft.
(Funke Nr. 205/13.7.2022)