Der Wahlsieg der KPÖ Graz zeigt das Potential, eine Arbeiterpartei zu etablieren, die nicht nach der Flöte der Bürgerlichen tanzt. Das nun beschlossene Stadtbudget der Regierungskoalition bleibt hinter dem Möglichen weit zurück, meinen Peter Roll und Christoph Pechtl.

Die gesamte Budget-Debatte war dominiert von Klagen seitens der KPÖ über den hinterlassenen Schuldenberg der ÖVP-FPÖ Vorgängerregierung, der 1,6 Mrd. € beträgt. Dies haben die Bürgerlichen zu verantworten, die über Jahre Prestigeprojekte finanzierten und privaten Unternehmen das Geld in die Tasche schaufelten.

Ein zweites strukturelles Hindernis ist die von den Bürgerlichen geerbte Auslagerung der kommunalen Betriebe in die Holding Graz GmbH. Die Holding Graz ist eine privatrechtlich geführte Firma im Eigentum der Stadt, die für die diese den öffentlichen Verkehr, Wasser, Abfallwirtschaft, Energieversorgung und andere kommunale Dienstleistungen erbringt. Zum politischen Erbe gehört auch die Privatisierung vieler sozialer Dienstleistungen.

Dieses politische Erbe blieb bei der Regierungsbildung unangetastet, was wir von Anfang an kritisierten. Die KPÖ Graz gab während der Regierungsverhandlungen die Forderung nach der Rekommunalisierung der Holding Graz auf. Sie argumentierte dies mit steuerrechtlichen Mehrbelastungen. Ganz im Sinne einer breiten „progressiven“ Zusammenarbeit meinte Finanzstadtrat Eber: „Egal, um welches Ressort und welches Stadtregierungsmitglied es geht, alle werden Abstriche machen müssen.“

Das Doppelbudget

Jetzt lautet die Argumentation der KPÖ gegenüber ihren KritikerInnen sinngemäß: die Verschuldung (und die EU-Stabilitätsregeln…) verhindere, dass die KPÖ die Interessen der Arbeiterklasse offensiv vertreten könne. Die Aufmerksamkeit wird stattdessen auf symbolische Beschlüsse gelenkt, etwa die Kürzung der Klubförderungen um 20%. Ein schönes Symbol – aber doch nur ein Symbol. Die Ausweitung der Sozialcard und dass der Preis für Öffi-Karten und städtische Gebühren vorerst eingefroren wurde, fallen in dieselbe Kategorie von kostengünstigen Kleinstmaßnahmen.

Im selben Zug wurde bei Schulen und Nachmittagsbetreuung der Rotstift angesetzt. Und besonders: Die Logik der Ausplünderung öffentlicher Dienstleistungen wird fortgeschrieben. Das positiv bilanzierende Budget der Stadt wurde „aufgebessert“, indem die Verlustabdeckung für die Holding Graz für weitere zwei Jahre ausgesetzt werden soll: Die Stadt Graz zahlt normalerweise jährlich etwa 50 Mio. €, um die Kosten des Unternehmens vollständig zu decken. Diese Rechnung soll nun laut Stadtregierung aus der eigenen Substanz des Unternehmens finanziert werden. Dies bedeutet perspektivisch ein fortgesetztes Herunterwirtschaften der kommunalen Dienste, bei steigendem Druck für die Angestellten. Man kennt dies als Vorstufe zur Vollprivatisierung kommunaler Dienstleister.

Die KPÖ versucht also durch wackeliges Zahlenverschieben kleine Spielräume zu bekommen, um keinen Konflikt mit den Bürgerlichen austragen zu müssen. Tatsächlich wird dadurch der Spardruck nur verschoben und die Krise des Kapitalismus von der KPÖ mitverwaltet. Mit dieser Vorgehensweise stellt sich die KPÖ ganz in die Tradition sozialdemokratischer Regierungslogik.

Dies ist ein selbstgewählter Politikzugang. Die KPÖ-Regierungsfraktion hat Zugang zu all den Informationen über die Geldverschwendung der ÖVP-Stadtregierung und das Versickern von Geld in private Dienstleister vom Hause Graz.

Anstatt sich den Kreditgebern und Zwängen des Marktes unterzuordnen, gilt es all diese Ausplünderung öffentlich zu machen. Man muss nur den Mut haben, der Bevölkerung ehrlich aufzuzeigen, wie es im Kapitalismus hinter verschlossener Tür zugeht. Anstelle von abstrakter Kritik gegen die weit entfernten EU-Spardiktate kann man den politischen Kampf in Graz selbst führen. Das würde die Grundlage bieten, eine breite Kampagne zur Schuldenstreichung durchzuführen und eine Debatte über Graz hinaus in der ganzen Arbeiterbewegung anzuregen.

Nur durch einen solchen Kampf und eine Organisierung der Arbeiterklasse kann das Wahlprogramm der KPÖ – wie etwa die Rekommunalisierung der Holding Graz – tatsächlich verwirklicht werden.

Die Frage, ob man in offener Konfrontation mit den Bürgerlichen tritt oder versucht zu lavieren, um dem Konflikt zu entgehen, ist keine Frage, die nur das Budget betrifft. Die Antwort der verantwortlichen GenossInnen wird den Charakter der Regierung und das politische Potential der KPÖ bestimmen.

(Funke Nr. 206/30.8.2022)


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