Anfang September startete das neue Schuljahr. Waren bereits die letzten Jahre schwierig, so startet dieses Schuljahr nochmals unter verschärften Bedingungen. Neben der noch immer ungeklärten Pandemiesituation führen Energiekrise und Lehrermangel dazu, dass das Pulverfass Schule kurz vor der Explosion steht. Ein oberösterreichischer Lehrer berichtet.
Wie viel Rückhalt der Bildungsminister in der Lehrerschaft genießt, erkennt man daran, dass sich das dadaistische Video, in dem er versucht die Corona-Regeln an Schulen zu erklären, wie ein Virus in den Konferenzzimmern verbreitet. Die KollegInnen halten wenig von einem Minister, dessen größte Errungenschaft es ist, nach 3 Jahren Pandemie „Infizierten-Räume“ an Schulen einzufordern (woher diese neuen Räume kommen sollen, verrät er natürlich nicht). Angesichts der Inkompetenz der Regierung wundert es kaum, dass bereits jetzt erste Klassen- und Schulcluster aus dem Boden sprießen und es zu zahlreichen Krankenständen im Kollegium kommt.
Dies verschärft die Personalsituation zusätzlich, sodass Lehrende teilweise das Doppelte ihrer Anstellung arbeiten müssen, um das zu kompensieren. Doch bereits vor Semesterstart herrschte vor allem an den Pflichtschulen ein eklatanter Lehrermangel. So waren allein in Oberösterreich noch eine Woche vor Schulbeginn 247 Lehrerplanstellen unbesetzt und in Vorarlberg führte der Personalmangel sogar so weit, dass man versuchte, Lehrende aus anderen Bundesländern mit finanziellen Boni abzuwerben.
Die Strategie der Bundesregierung, Studierende einzusetzen, verschärft die Lage langfristig nur noch, da diese jungen, engagierten Lehrenden kurzfristig und kaum vorbereitetet in teilweise überfüllte Klassen gestellt und damit in kürzester Zeit „verheizt“ werden. Es überrascht daher kaum, dass sich immer mehr Menschen für einen anderen Berufsweg entscheiden.
Bei all diesen Schwierigkeiten kündigt sich für den Herbst ein weiterer Super-GAU an: Durch die Kostenexplosionen bei der Energieversorgung warnen DirektorInnen davor, dass das Jahresbudget noch vor Winterbeginn zu Ende sein könnte. In einzelnen Schulen droht das Geld noch im Laufe des Oktobers auszugehen. Die Mittelerhöhungen des Ministeriums sind lächerlich und decken nicht einmal einen Bruchteil des aktuellen Bedarfs ab. So sind die Schulen gezwungen, ein hartes Sparprogramm durchzusetzen. LehrervertreterInnen sprachen noch im Sommer von einem Drittel an notwendigen Einsparungen. Bereits jetzt wird bei Fortbildungen, Schulausflügen und Bücheranschaffungen gespart.
Nicht absehbar sind die Folgen, wenn die Energiepreise weiter ansteigen. So kann es passieren, dass bereits wenige Wochen nach Schulbeginn die Schulen nicht mehr beheizt werden können und LehrerInnen und SchülerInnen gezwungen sein werden, bei Minusgraden mit der Jacke im Klassenzimmer zu sitzen. Eine produktive Lernatmosphäre sieht wohl anders aus.
Bei diesen Zuständen ist so etwas wie ein Schulalltag undenkbar. Immer mehr LehrerInnen und SchülerInnen merken, dass es so einfach nicht mehr weitergehen kann und es gravierende Veränderungen braucht. Der materielle Druck der kapitalistischen Krise wird sich Luft verschaffen und die Frage ist nicht ob, sondern wann das Pulverfass Schule explodiert.
(Funke Nr. 207/27.9.2022)