Die Grazer Gemeinderatswahlen vom vergangenen Sonntag brachten für die SPÖ ein bespielloses Debakel. Vor dem Hintergrund der sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung in einer de- facto ÖVP-geführten Regierung verloren die Stadtroten rund 6% und rutschten auf den historischen Tiefstand von 19, 8%. Die KPÖ konnte daraus keinen Nutzen ziehen. Das Match um die Proteststimmen entschied – wenn auch in einem geringeren Ausmaß als allgemein angenommen – die extreme Rechte für sich.
Im Februar 1934 war der Grazer Arbeiterbezirk Lend einer der wenigen Schauplätze bewaffneten Widerstands gegen die austrofaschistische Machtergreifung in der steirischen Landeshauptstadt. Im Jänner 2008 ist Lend der letzte Bezirk in der Hand der SPÖ. Und selbst hier, wo sich der traditionelle Bodensatz Grazer Arbeiterkultur mit zugezogenen MigrantInnen mischt, liegt die SPÖ nach dem vorläufigen Endergebnis der Gemeinderatswahlen vom vergangenen Sonntag nur mehr 0,64% vor der VP. Die Wahlbeteiligung sank um nahezu 6%.
„Der Lend“ ist in diesem Zusammenhang beispielgebend für das Gesamtergebnis; das schlechteste in der Geschichte der Grazer SPÖ. Grazweit gingen nur mehr rund 56% Prozent wählen, 2% weniger als bei den letzten Wahlen im Jänner 2003. In sämtlichen Arbeitervierteln sank die Wahlbeteiligung stärker, als im Gesamtschnitt. Die ArbeiterInnen versagten der SPÖ die Gefolgschaft. Sie sank auf den historischen Tiefstand von 19,8%. Ein Ergebnis, das viele Ursachen hat.
Nur eine davon ist dabei in der Person des SP-Spitzenkandidaten, Walter Ferk, zu suchen. Auch wenn Ferk den idealtypischen Lokalbürokraten ohne Haltung und politisches Talent, dafür mit ausreichend Zug zur Macht, darstellt, am Wahlsonntag musste er großteils zu Unrecht den Sündenbock mimen. Binnen weniger Stunden wurde Ferks Abgang mit denselben Methoden besiegelt, die ihm selbst über Jahre den Platz an der Spitze sicherten. Eine Wiederholung der Geschichte als Tragödie
Immerhin: von der Enttäuschung der sozialdemokratischen AnhängerInnenschaft ob der gebrochenen Wahlversprechen nach der Nationalratswahl 2006 und der asozialen Regierungspolitik unter Kanzler Gusenbauer sprach an diesem Abend niemand mehr. Dabei sollte sich dieser Umstand tags darauf als immerhin zweitstärkstes Motiv für die Nichtwahl der SPÖ erweisen. Faktum ist und bleibt nun mal: Unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen kann die SPÖ in einer großen Koalition nur die Politik der Bürgerblockregierung fortsetzen. Dass die ArbeiterInnenschaft, die dereinst in der Hoffnung auf einen sozialen Kurswechsel der SPÖ die Stimme gab, damit in die Arme der extremen Rechten getrieben bzw. nicht zur Stimmabgabe motiviert werden kann, ist die logische Folge.
Ein Schluss, der für Österreich im Allgemeinen richtig sein mag, für die Steiermark und Graz im Besonderen allerdings nur bedingt gilt. Gibt es doch hier in Form der KPÖ eine Kraft links der SPÖ, die in allen wichtigen Gemeinderäten vertreten, drittstärkste Fraktion im Landtag ist und nebstbei auch noch eine – wenn auch bescheidene – Verankerung in den Betrieben des Landes aufweisen kann. Was läge daher näher, als die Annahme, dass die KPÖ der politischen Großwetterlage Rechnung tragend, den kantigen Wahlkampf einer sozialen Opposition führen und enttäuschten SP-WählerInnen eine neue Heimat bieten würde?
Allein, die KPÖ wollte oder konnte daraus keinen Nutzen ziehen. Ihr zahmer Wahlkampf, dessen oberste Maxime offenbar lautete, keine Fehler zu machen, traf die Bedürfnisse der ArbeiterInnen nicht. „Gut für Graz“, „Da weiß man, was man wählt“ und „Helfen statt Reden“ lauteten die zentralen Slogans, die es allen Recht machen sollten. Das Ziel, die sog. „Wählerkoalition“ von 2003 zu halten, konnte unter den Vorzeichen eines Wahlkampfes, der zuletzt nur mehr durch die rassistischen Ausfälle der extremen Rechten von sich hören ließ, nicht erreicht werden. Seit Monaten war dabei klar, dass dieser Wahlkampf einer der schäbigsten der letzten Jahre werden würde. Diese Entwicklung hat demnach nicht überrascht und hätte von vornherein einer klaren Abgrenzung gegenüber der chauvinistischen und rassistischen Politik von BZÖ und FPÖ bedurft. Stattdessen hat die KPÖ durchwegs versucht – insbesondere in kulturell-gesellschaftspolitischen Fragen – einen Schritt in Richtung potentieller FP- WählerInnen zu machen. Allerdings nicht – was absolut begrüßenswert wäre -, indem man die extreme Rechte auf der Grundlage eines internationalistischen Klassenstandpunkts entlarvt hätte, sondern indem man inhaltlich auf sie zuging. So beschloss die KP etwa in der Stadtregierung ein – wenn auch zeitlich befristetes – Alkoholverbot am Hauptplatz mit, das v.a. marginalisierte Gruppen, wie Obdachlose und Punks betrifft. Auf den oftmaligen Vorwurf, die Gemeindebauten für MigrantInnen geöffnet zu haben, reagierte die Partei nicht etwa mit der Verteidigung derselben (als wichtigen Schritt zu weniger Diskriminierung aufgrund der Herkunft am Wohnungsmarkt), sondern mit dem fast wehleidigen Hinweis darauf, dass dereinst das BZÖ in Regierungsverantwortung, die entsprechende EU- Richtlinie, die Grundlage für die Öffnung war, mit beschlossen habe.
Als Resultat hat sich die KPÖ mit einem Minus von fast 10% nahezu halbiert. Selbstredend stellen die verbliebenen 11,18% ein im Österreich- Vergleich für die KPÖ nach wie vor herausragendes Ergebnis dar und tatsächlich ist der Grazer KPÖ nach dem Abgang Ernest Kalteneggers in den Landtag, wie der steirische KP-Chef Franz Parteder in einer ersten Reaktion zu Recht feststellte, v.a. eines gelungen: „Wir sind keine Ein-Mann-Partei mehr, sondern haben uns organisatorisch und politisch in Graz gefestigt.“ Allerdings hätte dieser Wahlkampf mehr Potential für die steirische KP geborgen. Die steirischen KommunistInnen hätten sich nicht nur als Partei, die ohne die Lichtgestalt Kaltenegger Erfolge einzufahren imstande ist, erweisen können. Mehr noch hätte sie sich vom Image der Ombudsmannpartei, die in alltäglichen Notlagen zu helfen fähig ist, hin zu einer sozialen Opposition mit Perspektive entwickeln können. Eine Chance die ausgelassen wurde.
Die Rolle der Opposition „gegen die da oben“ hat in diesem Wahlkampf nach einer die Regierungsjahre des Dritten Lagers andauernden Flaute wieder die extreme Rechte eingenommen. Gemeinsam würden FPÖ und BZÖ nach der Grazer Wahl mehr als 15% erreichen und wären somit drittstärkste Kraft. Für die auf 38,37% erstarkte ÖVP gäbe es damit erstmals seit 2003 wieder eine Bürgerblock-Mehrheit. Falls sie diese nötig hat. Denn auch die am 3. Platz rangierenden Grünen wären mit ihren 14,56% ein bequemer Mehrheitsbeschaffer. Dies nicht zuletzt deshalb, weil deren 6%- Zuwachs v.a. den bürgerlichen Bezirken wie Geidorf (~20%) und Leonhard (~23) zu verdanken ist.
Unter jedweder Koalition werden die Angriffe auf städtisches Eigentum, sozialen Wohnbau und Minderheitenrechte fortgeführt werden. Und keine der beiden ArbeiterInnenparteien ist aufgrund ihrer numerischen Größe dazu in der Lage dies auf parlamentarischem Wege zu verhindern. Zumindest die KPÖ wird verstärkt die Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Kräften suchen müssen, um den zu befürchtenden Kahlschlägen entgegenzutreten. Ob es den lange erwarteten Brückenschlag von parlamentarischer Propaganda und Agitation hin zur außerparlamentarischen Aktion geben wird, nicht zuletzt dies wird der Gradmesser für die Reife der Partei sein.
Samuel Stuhlpfarrer, Graz