Nachdem der ORF jahrzehntelang durch eine Rundfunkgebühr der sogenannten „Rundfunkteilnehmer“ finanziert wurde, soll ab Jänner 2024 eine Haushaltsabgabe das Budget sicherstellen. Was bedeutet das?

Die Struktur und Finanzierung des ORF war eine Erfindung der Westalliierten nach dem Zweiten Weltkrieg, 1957 wurde der ORF formal per Gesetz gegründet. Seither ist er Schlachtfeld der politischen Auseinandersetzungen, wobei in der Kreisky-Ära beispielsweise mit beliebten Werken von Helmut Zenker („Kottan ermittelt“), oder mit „Ein echter Wiener geht nicht unter“ und der „Alpen-Saga“ auch die Linke in Form der KPÖ ins Programm eingebunden wurde. Auf dieser Basis konnte die Rundfunkgebühr vor der Bevölkerung als legitime Abgabe argumentiert werden, um das Interesse an Information, Kultur, Unterhaltung und Bildung durch Konsum des ORF zu stillen.

Der technologische Fortschritt und die Beendigung der medialen Isolation Österreichs durch Kabel- und Satelliten-TV, später vor allem aber durch das Internet, hat dem ORF als integrierendem politischen Projekt des Staates Österreich zwischenzeitlich schwere Schläge versetzt. Diese technologischen Entwicklungen fielen in eine Zeit, in der gesellschaftliche Grundsatzfragen von den Massenmedien nicht mehr artikuliert und gleichzeitig aufgrund der kapitalistischen Krisenerscheinungen drängender wurden. Große Teile der Bevölkerung zahlen aus schlicht finanziellen Gründen oder aus Protesthaltung die Rundfunkgebühr nicht. In Zeiten des Streamings über jedes Smartphone ist die Umgehung auch leichter geworden. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in dieser Situation die entscheidenden Stellen des Rundfunkgebührengesetzes aufgehoben. Die Finanzierung der Struktur – d.h. die Gehälter und Pensionen der TechnikerInnen und JournalistInnen, fiel von einem Tag auf den anderen um. Die ÖVP-Grüne Regierung war gezwungen, zu handeln.

Wie handelten die verantwortlichen Regierungsvertreterinnen Raab (ÖVP) und Maurer (Grüne)? Von nun an soll nicht nur Einkommen, Vermögen oder Konsum, sondern die schiere menschliche Existenz zur Steuerpflicht erhoben werden, indem jeder Haushalt abgabepflichtig ist. Wir stellen uns gegen jede Form der Kopfsteuer. Sie trifft die Arbeiterklasse besonders hart, indem ein proportional viel höherer Teil des Einkommens aufgewendet werden muss.

Auch der Verband der österreichischen Zeitungsverleger wendet sich gegen den Gesetzesentwurf, wenn auch aus völlig gegenteiligen Gründen. Sie betreiben ihr Geschäft seit Jahren auf der Grundlage von Inseraten, die Behörden und staatsnahe Unternehmen als verdeckte zusätzliche Presseförderung ausschütten und dafür eine gefällige Berichterstattung erwarten. Originelle journalistische Produkte verstecken sich zunehmend hinter Paywalls, und um dieses Geschäftsfeld profitabel zu erhalten setzten die Herausgeber der Privatmedien eine Beschränkung des Online-Informationsangebots des ORF durch.

Wir haben mit diesen Leuten weder in Hinblick auf die Finanzierung unserer Zeitung noch charakterlich etwas gemein. Balzac ließ Vignon in seinem Roman „Verlorene Illusionen“ über diesen Menschentyp sagen:

„Nun gut! Er wird ein paar dieser Bordelle des Denkens betreten, die man Zeitungen nennt, er wird dort seine besten Gedanken vergeuden, er wird dort sein Hirn austrocknen, seine Seele verderben, er wird dort jene anonymen Niederträchtigkeiten begehen, die im Krieg der Ideen die Kriegslisten (…) ersetzen. Wenn er dann wie tausend andere seine Schöpfungskraft für den Profit der Aktionäre verausgabt hat, werden diese Gifthändler ihn verhungern lassen, wenn er dürstet, und verdursten lassen, wenn er hungert.“

Wir sind überzeugt davon, dass sowohl ZeitungsleserInnen wie JournalistInnen einen gerechten Handel über Information und Meinung eingehen würden, wären sie nicht vom, die Medien im Kapitalismus kontrollierenden, Profitprinzip der Herausgeber und den Machtinteressen des bürgerlichen Staates daran gehindert. Der Klassenkampf tritt auch in den Redaktionen zutage, den Balzac in den Worten Luciens wie folgt formulierte: „Ich verstehe, dass ich nicht schreiben darf, was ich denke.“ Dieser Umstand führte in zahlreichen Medienhäusern des Landes zu Protesten der Journalisten.

Wir stellen der bürgerlichen Medientätigkeit das Programm der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse gegenüber: Wir haben keine Illusionen in die „bürgerliche Pressefreiheit“ in ihrem Fäulnis-Stadium, in der große Medienhäuser die Meinungsbildung nach dem Prinzip „wer zahlt schafft an“ dominieren. Die angebliche „Neutralität“ des ORF ist keine Alternative dazu.

Wirkliche Pressefreiheit bedeutet, dass Journalismus und Kultur frei von Kapitalinteressen sind, seien diese direkt oder indirekt vermittelt. Die Herausgabe von Medien muss allen freistehen, und die dafür nötigen Ressourcen sollen vom Staat zur Verfügung gestellt werden. Die staatliche Finanzierung muss frei von allen politischen Kriterien nach dem Prinzip der zahlenmäßigen Unterstützung der einzelnen Medien durch die Bevölkerung verteilt werden, z.B. durch einen Finanzierungsschlüssel nach Abonnenten- und Zuseherzahlen.

  • Keine Kopfsteuer in Form der ORF-Abgabe!
  • Für den Aufbau und die Stärkung eigener Medien der Arbeiterbewegung!

(Funke Nr. 214/24.05.2023)


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