335 Menschen der Kategorie „ultrareich“ (mit einem Vermögen von mehr als 100 Mio. US-Dollar) halten in Österreich ein Drittel des Finanzvermögens. (Global Wealth Report, Boston Consulting Group) Wie das geht und wer dafür bezahlt, zeigen uns René Benko und die Hintergründe der kika/Leiner-Pleite. Von Willy Hämmerle.
Auf den ersten Blick schaut es für Benkos Signa-Gruppe gar nicht so rosig aus. Das operative Geschäft der 2018 von ihr übernommenen kika/Leiner macht schon länger Sorgen, ebenso der deutschen Karstadt/Galeria Kaufhof. Zum Redaktionsschluss wird schon die nächste Benko-Pleite kolportiert: Signa Sports United, Europamarktführer im Tennis- und Fahrradhandel. (Presse, 29.06.)
Kaufkraftverlust, verändertes Konsumverhalten und hohe Zinsen/Mieten setzen den Einzelhandel unter Druck. Die Rettung liegt in Benkos Kerngeschäft. Die Signa macht in erster Linie in Immobilien, und lässt, wie es im Handel durchaus üblich ist, durch eine fein säuberliche Trennung der „soliden“ (Immobilien) und „riskanten“ (Handel, bzw. operatives Geschäft) Investments auch möglichst nichts anbrennen: Die im Handel tätigen Firmen zahlen also Miete an die jeweiligen Gesellschaften, denen die Immobilien gehören usw. Dass beide Arten von Unternehmen letztlich denselben wirtschaftlichen Eigentümer haben, interessiert das bürgerliche Recht kein bisschen. Damit soll bei einer Krise im operativen Geschäft der Weg in die Insolvenz frei bleiben, ohne dass die Immobilien in Gefahr sind, Teil der Konkursmasse zu werden.
Diese „Filetierung“ der Geschäftsbereiche macht sich jetzt bezahlt. Am 1. Juni verkündete die Signa überraschend den Verkauf der kika/Leiner-Gesellschaften. Die Immobilien sollen dabei laut Presse (01.06.) alles zusammengerechnet 300 Mio. € Profit (!) eingebracht haben. Die Unternehmen des operativen Geschäfts gingen für drei symbolische Euros an den Möbelhändler Hermann Wieser – und eine Woche später in die Insolvenz. Zur „Sanierung“ des Unternehmens kündigte dieser bereits „umfassende Restrukturierungsmaßnahmen“ an. Im Klartext heißt das: Standortschließungen (23 von 40 Filialen sperren zu) und Massenentlassungen. 1900 Beschäftigte sollen laut ersten Ankündigungen ihre Arbeit verlieren.
So war es schon, als Benko 2018 das Geschäft übernommen hat. Ex-Kanzler Kurz hat sich für seinen guten Freund stark gemacht und veranstaltete eine Image-Kampagne: Die Übernahme „sichere den Erhalt von etwa 5000 Arbeitsplätzen im Land.“ (Bundeskanzleramt, 15.06.2018) Zwei Monate später die bittere Wahrheit: 1150 Stellen werden abgebaut, mehrere Filialen geschlossen, wir berichteten in Ausgabe 167. Die Beschäftigten, deren Jobs und Lebensgrundlage auf dem Spiel stehen, erfuhren von dem Spiel der Reichen aber erst aus den Medien, wie eine langjährige Beschäftigte berichtet.
In der politischen Arena ergreift nun die neue SPÖ-Führung die Initiative und fordert ein strengeres Insolvenzrecht, das derartige Aufspaltungen verhindern, sowie die Haftung solcher Konstrukte auf die ganze Unternehmensgruppe ausweiten soll. Weiters sollen offene Verbindlichkeiten in Unternehmensanteile umgewandelt werden. Das käme in diesem Fall einer Teilverstaatlichung gleich, da ein großer Teil der kika/Leiner-Schulden laut Kurier (14.06.) aus Steuerstundungen besteht. Im Übrigen wäre es möglich gewesen, für diese Stundungen Sicherheiten, etwa Immobilien, zu verlangen, worauf die Regierung Kurz verzichtet hat. Babler brachte diese Option jetzt ins Spiel, die betroffenen Immobilien seien „sicherzustellen“, bis der Fall lückenlos aufgeklärt sei.
Das ist ein Schritt nach vorne. Staatliche Beteiligungen an Pleiteunternehmen retten aber an sich noch keinen Arbeitsplatz, zumindest nicht, ohne dass die Allgemeinheit dafür bezahlen muss. Was noch ganz fehlt, ist ein neuer Ansatz der Gewerkschaft, denn die sozialen Interessen der Beschäftigten müssen auch im Betrieb gesichert werden: Es braucht die Kontrolle über die Geschäfte durch die Belegschaft. Heraus mit den Geschäftsbüchern, kein Ausverkauf der Konkursmasse und keinen Cent Miete, bevor wir wissen, dass unsere Löhne sicher sind! Bis jetzt scheint es nämlich so, dass eine „lückenlose Aufklärung“ ergeben würde, dass hier (im bürgerlichen Sinne) alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Christoph Stadlhuber, Chefmanager der Signa, bilanziert es deshalb abschließend so: „sehr gutes Investment“. (derStandard, 01.06.)
Ein strengeres Insolvenzrecht würde helfen, letztendlich aber an der Kreativität der Großkonzerne scheitern, die stets ausgeklügelte Wege (und Helfer im Staatsapparat) finden, solange die Beschäftigten sich still verhalten. Unterm Strich kommt heraus, dass das so genannte unternehmerische Risiko immer in erster Linie das Risiko der Beschäftigten ist, während die durch dieses Risiko angeblich gerechtfertigten Profite immer in den Taschen der Unternehmer landen. So ist es im Kapitalismus, und so wird es sein, bis die Arbeiterklasse selbst die Kontrolle über die Produktionsmittel in die Hand nimmt.
(Funke Nr. 215/05.07.2023)