Die Kommunisten in Graz scheitern zu lassen, ist seit Amtsantritt der Stadtregierung Programm der Bürgerlichen. Statt Beschwichtigungspolitik braucht es eine Offensive gegen die Angriffe, argumentiert Christoph Pechtl.

Die bürgerlichen Vorgängerregierungen haben der Stadt eine undurchsichtige Holdingstruktur der kommunalen Betriebe und einen Schuldenberg von 1,5 Mrd. € hinterlassen. In den kommenden fünf Jahren werden sich die Zinszahlungen insg. beinahe verdoppeln (von 37 Mio. auf 67 Mio.). Der Schuldenstand wird trotz aufgezwungener Einsparungen, Einnahmenerhöhungen und Investitionskürzungen jährlich durchschnittlich weiter um 168 Mio. € anwachsen, wobei er bereits jetzt bei über 100% des Jahresbudgets liegt. (Zahlen aus dem Nachtragsbudget der Gemeinde Graz vom Juni 2023.)

Um einer Amtsenthebung und sofortigen Finanzpleite zu entgehen (also einem Putsch durch Staatsapparat und Banken), kapitulierte die Stadtregierung vergangenen Winter und akzeptierte die Einsetzung eines ÖVP-Finanzdirektors, der jetzt der wahre starke Mann in Graz ist. So ist die Finanzdirektion berechtigt, „Korrekturen“ an der Budgetpolitik vorzunehmen und eigenständig am Gemeinderat vorbei Gelder hin- und herzuschieben.

Jetzt folgt der nächste Schlag. Die steirische ÖVP-SPÖ Landesregierung und der Städtebund vereinbarten eine Neuaufteilung der Sozialkosten, ohne Einbeziehung der Stadt Graz und zu ihren Lasten. Dadurch werden in Graz künftig bis zu 20-30 Mio. € Mehrkosten pro Jahr anfallen. KPÖ-Finanzstadtrat Eber erklärte, dass durch die Reform die eben erst aufgezwungene „mittelfristige Finanzplanung ernsthaft gefährdet sei“, dass also erneut die Pleite und neue Einsparungen der Stadt im Raum stehen. Es ist ein weiterer politischer Angriff, um sich die Kommunisten durch ihre Selbstdiskreditierung vom Hals zu schaffen.

Die Grazer SPÖ ist selbst Teil der Grazer Regierung und gleichzeitig die härteste Oppositionspartei. Doris Kampus, Vorsitzende der SPÖ Graz und Landesrätin, war führend mitverantwortlich für die neue „Reform“ zu Lasten von Graz. Am 1. Mai kündigte sie bereits an: „Wir werden es dieser Koalition verdammt schwer machen.“ Die steirische und Grazer SPÖ versucht auf Kosten der Grazer Bevölkerung ihre eigene Regierung zu sabotieren und (wahrscheinlich aus wahltaktischen Erwägungen) die ländlichen Gemeinden gegen die Stadt Graz auszuspielen.

„Insel des Widerstandes“?

Ein Konflikt um das Schuldenerbe von Schwarz-Blau war von Anfang an unvermeidbar, es war ein Fehler der KPÖ-Führung, nicht von Anfang an auf eine politische Strategie der Gegenoffensive zu setzen.

Dies zeigt die Grenzen von Graz als „Insel des Widerstands“, wie die KPÖ-Bürgermeisterin in ihrem neuen Interview-Buch die Stadt benennt. Für Elke Kahr gehe es darum, Veränderung herbeizuführen, „wo wir die Möglichkeit dazu haben, es anders zu machen.“ Dies ist keineswegs neu. Schon Lenin beschreibt den „Munizipalsozialismus“, „der darauf abzielt, den Klassenkampf in den brennendsten Fragen dadurch abzustumpfen, dass er diese Fragen in die Kategorie kleiner, nur die Lokalverwaltung betreffender Fragen überführt.“ Wie klein die Fragen in Graz gemacht werden könnten, konnte er sich dabei wohl nicht vorstellen: Der Kampf gegen die Verschuldung wird zur Frage der rationalen Einsparung; die Rekommunalisierung der Holding Graz wird zur Frage der feministischen Postenbesetzung; die Lösung der Wohnungsnot wird zur Frage des Neubaus von symbolischen Gemeindebauten; korrumpierende Polit-Bezüge werden zur Frage der Spenden durch die KPÖ-Funktionäre. Die Möglichkeiten sind extrem begrenzt, wenn man nicht versucht, durch die schonungslose Offenlegung der Machenschaften der Bürgerlichen und Mobilisierungen das Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiterklasse zu verschieben.

Die KPÖ versucht nun, erneute Kürzungen durch Gespräche und womöglich durch eine Klage gegen das Land Steiermark abzuwenden. Diese Taktik für sich genommen wird jedoch nur die parlamentarische Ohnmacht der KPÖ vom Stadtsenat in den Gerichtssaal verschieben.

Offensive der Arbeiterbewegung!

Die Wahlerfolge der KPÖ und Bablers SPÖ-Vorsitz zeigen, dass die Arbeiterklasse auf eine Gegenoffensive drängt. Elke Kahr wünschte Babler „sich nicht verbiegen zu lassen.“ Dasselbe gilt für die KPÖ selbst; dazu sollte sie einige Ansatzpunkte ihrer Politik verändern.

Um sich aus dem Würgegriff der ÖVP und des Staatsapparats zu lösen, muss sie die SPÖ-Spitze unter Druck setzen, sich klar auf Seite der städtischen Reformpolitik zu stellen. Der erste notwendige Schritt ist, der Arbeiterklasse die Lage der Stadt und den politischen Charakter der Angriffe der Bürgerlichen auf die Grazer Regierung darzulegen. Elke Kahr, Manfred Eber und Robert Krotzer sollten offenlegen, wie hinter den Kulissen die wahre Politik im Sinne der Reichen gemacht wird. Damit einher sollte eine Einladung an alle Organisationen der Arbeiterklasse gehen, einen gemeinsamen Kampf gegen das Spardiktat und für die Rekommunalisierung der Graz Holding zu führen.

Damit bestünde die Chance, das Kräfteverhältnis innerhalb der SPÖ Steiermark weg vom pro-bürgerlichen Apparat zugunsten der Arbeiterbasis der SPÖ zu verschieben. Es wäre nicht das erste Mal, dass SPÖ-Abgeordnete unter dem Eindruck von Mobilisierungen aus der Linie der Parteispitze ausscheren (siehe Reformagenda 2011 im steirischen Landtag). Sich wie bisher auszuschweigen, wird allein für Demoralisierung und Verwirrung sorgen, das Reformprojekt in Graz gefährden und die Entwicklung der KPÖ als Alternative zum Reformismus der Konterreformen verhindern.

(Funke Nr. 216/30.8.2023)


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