Eine Stellungnahme zur Diskussion über die drohende Arbeitszeitverlängerung für LehrerInnen.
LehrerInnen sollen für die Krise zahlen
Ende Februar einigten sich SPÖ und ÖVP auf die Eckpunkte des Budgets 2009/2010. Wie in allen anderen Ressorts auch sollte im Bildungsministerium massiv gespart werden. Dabei war die Große Koalition unter Werner Faymann mit dem Versprechen angetreten, eine Bildungsoffensive starten zu wollen. Die Schulreformen von Ministerin Schmied beinhalteten tatsächlich einige positive Aspekte (Senkung der Klassenschülerhöchstzahl, Deutschförderkurse usw.). Angesichts der Wirtschaftskrise und der drohenden Explosion des Budgetdefizits im Zuge von Bankenrettungspaketen und Konjunkturprogrammen will die Große Koalition aber plötzlich kein zusätzliches Geld für diese sinnvollen und dringenden Reformen zur Verfügung stellen. Wenn das Bildungssystem aber kein zusätzliches Geld erhält, muss es von wo anders genommen werden. Da bieten sich die LehrerInnen an, die nach über zehn Jahren übler Medienkampagnen ohnedies als faule Privilegienritter gelten. In Zukunft sollen alle LehrerInnen zwei Stunden pro Woche zusätzlich unterrichten, so der Vorschlag der Frau Ministerin.
Würde diese 10prozentige Arbeitszeitverlängerung tatsächlich umgesetzt, würde das die Vernichtung Tausender Arbeitsplätze bringen. Vor allem JunglehrerInnen, die jedes Jahr aufs Neue um ihren Job bangen müssen, würden keinen Dienstvertrag mehr bekommen. Das Heer der Arbeitslosen würde weiter wachsen. Die LehrerInnen sind nicht verantwortlich für diese Krise. Warum sollen sie dann einen „Solidarbeitrag“ (Zitat Josef Pröll) leisten?
Die Gewerkschaft lehnt diesen Plan zu Recht ab. Als Reaktion darauf will die Regierung LehrerInnen einerseits und SchülerInnen bzw. Eltern andererseits gegeneinander ausspielen. BM Schmied droht damit, dass 4100 Dienststellen (für die Neue Mittelschule und die diversen Schulreformen) mangels Finanzierbarkeit gestrichen werden müssten, wenn sie ihre Pläne nicht durchbringt. Darauf kann es nur eine Antwort geben: Auf dieses Ablenkungsmanöver lassen wir uns nicht ein. Wir akzeptieren keine Arbeitszeitverlängerung (noch dazu bei gleichbleibendem Gehalt), und wir wollen eine Schulreform, die der sozialen Selektion ein Ende setzt! Die schwarze GÖD-Führung hat an einer sozialen Schulreform kein Interesse und will den jetzigen Konflikt dafür nützen, die geplanten Reformen abzuwürgen. Mit einer Arbeitszeitverlängerung treibt die SPÖ aber die LehrerInnen in die Hände von Neugebauer & Co. Eine sozialistische Bildungspolitik lehnt das Ausspielen von LehrerInnen gegen SchülerInnen entschieden ab. Daher fordern wir die nötigen Budgetmittel aus dem öffentlichen Haushalt für die Schulen! Diesen Kampf müssen fortschrittliche LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern mit Unterstützung der gesamten ArbeiterInnenbewegung offensiv führen.
Wie gut geht es den LehrerInnen?
LehrerInnen gehören zu den gerne geschmähten Berufsgruppen – angeblich haben sie zu viel Urlaub, zu viel Freizeit, arbeiten zu wenig usw. Tatsächlich besteht aber der Job von LehrerInnen nicht nur darin, 20 Stunden pro Woche in der Klasse zu unterrichten. Der Unterricht muss vor- und nachbereitet werden. Es gilt Schularbeiten, Tests, Hausübungen zu korrigieren, die Matura muss abgehalten werden, es gibt die sog. unterrichtsfremden Tätigkeiten (Schikurse, Landschulwochen, Kustodiate usw. usf.). Vor einigen Jahren wurde erhoben, dass AHS-LehrerInnen im Wochenschnitt 47 Stunden arbeiten – und das, wenn ihre Jahresarbeitszeit so berechnet wird, wie wenn sie nur fünf Wochen Urlaub hätten. Viele LehrerInnen haben also während der Schulzeit gut und gerne eine 60-Stunden-Woche.
So viel zu den faulen LehrerInnen – dieser Mythos ist schlicht und einfach falsch! Die tatsächliche Belastung von LehrerInnen spiegelt sich jedoch darin wider, dass rund 70% dieser Berufsgruppe Burn-out gefährdet sind. Die PädagogInnen scheitern in zunehmendem Maße an ihrer Aufgabe Bildung zu vermitteln, weil in der Schule der soziale Sprengstoff einer sich im Niedergang befindlichen Gesellschaft immer offener zu Tage tritt.
Keine Spaltung
Im Vergleich zu vielen anderen ArbeitnehmerInnen haben LehrerInnen trotz alledem sicher noch relativ gute Arbeitsbedingungen. Keine Frage. Aber der Neidkomplex ist nicht die richtige Antwort darauf!
Die Strategie der Herrschenden ist bisher leider aufgegangen. Die jahrelang geschürten Vorurteile gegen LehrerInnen führen dazu, dass sich in angeblichen Meinungsumfragen große Teile der Bevölkerung für diese drohende Arbeitszeitverlängerung aussprechen. Sogar ein mittlerer Gewerkschaftsfunktionär der GPA-djp Wien spricht sich in seiner Funktion als Vorsitzender des Dachverbandes der Pflichtschul-Elternvereine dafür und gegen Kampfmaßnahmen der KollegInnen in den Schulen aus. Uns würde sehr interessieren, ob er das auch so sehen würde, wenn die Geschäftsführung in seinem Betrieb eine Arbeitszeitverlängerung um 10% vorschlagen würde. Er argumentiert seine Ablehnung von Kampfmaßnahmen damit, dass die Eltern ja dann Probleme hätten, ihren Betreuungspflichten nachzukommen. Stimmt. Aber welche Probleme mit ihren Betreuungspflichten hätten alle Eltern erst, wenn ihre Arbeitszeit überall um 10% verlängert werden würde?
Offene Scheunentore
Und genau hier liegt die wirkliche Gefahr! Tatsächlich würde die Verlängerung der Arbeitszeit der LehrerInnen die Dämme zum Einstürzen bringen. Wenn es gelingt, die Arbeitszeit in einer gewerkschaftlich gut organisierten und kampfbereiten Branche zu verlängern, dann ist die Arbeitszeit nirgendwo mehr sicher. Die allgemeine Verlängerung der Arbeitszeit (selbstverständlich ohne Lohnausgleich, wir sind schließlich in der Krise und müssen deshalb unseren „Solidarbeitrag“ leisten, wie Pröll und Schmied meinen) wäre die Folge und schon bald könnten wir der 40-Stunden-Woche adieu sagen.
Und das will wohl niemand. Tatsächlich handelt es sich unserer Einschätzung nach beim Versuch der Verlängerung der Arbeitszeit von LehrerInnen nur um einen Testballon, was derzeit möglich ist. Natürlich würde es dem Kapital in seiner derzeitigen Krise massiv helfen, wenn wir alle für gleich viel Geld deutlich mehr arbeiten würden. Oder – um präzise zu sein – nicht wir alle. Denn durch die Arbeitszeitverlängerung wäre es möglich, noch viel mehr Arbeitsplätze zu vernichten als es die Unternehmen momentan ohnedies schon tun.
Und genau darum müssen wir alle den LehrerInnen unsere volle Solidarität zukommen lassen. Sonst wird der angesichts der Krise absehbare Generalangriff auf unserer Arbeitszeiten und Arbeitsplätze kaum zu stoppen sein.
Solidarität ist Trumpf
An den Schulen sind die KollegInnen kampfbereit und fordern von der Gewerkschaft Kampfmaßnahmen. Viele LehrerInnen sagen heute: Wenn die Gewerkschaft jetzt nichts dagegen tut, dann trete ich aus. Wir halten das für den falschen Weg. Vor einigen Jahren hat sich eine Minderheit von fortschrittlichen LehrerInnen von der GÖD abgespalten und die sog. Unabhängige Bildungsgewerkschaft (UBG) gegründet, von der heute nichts mehr zu hören ist. Sie haben damit der schwarzen Führung der GÖD um Neugebauer &. Co das Feld überlassen.
Es ist vollkommen berechtigt, die GÖD heute unter Druck zu setzen, so dass diese die schärfsten Kampfmaßnahmen bis hin zum unbefristeten Streik ergreifen muss. Nur so kann die geplante Verlängerung der Arbeitszeit abgewehrt werden. Ein möglicher Weg dazu wäre z.B. die Einrichtung eines kollektiven Treuhandfonds, auf den die Gewerkschaftsbeiträge eingezahlt und erst dann an die GÖD weiter überwiesen werden, wenn der Kampf begonnen wurde.
Gleichzeitig müssen wir alle in diesem Kampf unsere volle Solidarität mit den LehrerInnen zum Ausdruck bringen, um zu verhindern, dass wir selbst als nächste zum Opfer werden. Wir müssen daher in allen Gewerkschaften für die volle Unterstützung der berechtigten Interessen der KollegInnen in den Schulen eintreten. Dazu kommt noch, dass in der Öffentlichkeit gegen einen möglichen Streik der LehrerInnen mobil gemacht wird. Das Ministerium lässt über regierungsfreundliche Medien sogar ausrichten, dass LehrerInnen einem Streikverbot unterliegen. Wenn dieses Vorgehen bei den LehrerInnen durchgehen sollte, hätte das für alle Lohnabhängigen massive Folgen. ÖGB-Chef Foglar hat in einer Presseaussendung vom 5.3.2009 die Diffamierung einer gesamten Berufsgruppe abgelehnt. Gut, aber das allein ist viel zu wenig. Der ÖGB muss eine Kampagne zur aktiven Solidarität mit den LehrerInnen starten. Es geht in diesem Konflikt um die Interessen der gesamten ArbeiterInnenklasse und der Gewerkschaftsbewegung.
Für den bevorstehenden Arbeitskampf der LehrerInnen schlagen wir folgende Forderungen vor:
* Kein Arbeitszeitverlängerung, kein Stellenabbau – weder in der Schule noch sonst wo!
* Kampf der Arbeitslosigkeit durch Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden bzw. der Unterrichtsverpflichtung auf 16 Stunden für LehrerInnen bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
* Gründung von Aktionskomitees an allen Schulen, welche österreichweit vernetzt über die erforderlichen Kampfmaßnahmen beschließen! Für eine demokratische und kämpferische GÖD!
* Frau Schmied – wir nehmen ihr Angebot dankend an: Nehmen sie bitte ihren Hut!
* Für einen von den LehrerInnen demokratisch organisierten und aktiv geführten Streik! Für eine massive Beteiligung von LehrerInnen an der Demo am 28. März unter dem Motto „Wir zahlen Eure Krise nicht!“