Wir veröffentlichen hier einen Bericht eines Kollegen aus Vorarlberg über die gestrige Dienststellenversammlung der PflichtschullehrerInnen im Bezirk Feldkirch mit ca. 500 TeilnehmerInnen.

Es herrscht großer Unmut, gepaart mit Frustration und Kampfbereitschaft. Die TeilnehmerInnen an der Dienststellenversammlung sind von der Politik enttäuscht, deren Strategie darin besteht, die LehrerInnen als Sündenbock darzustellen, um eine Entsolidarisierung zu dieser Berufsgruppe zu erreichen um ihre Pläne bezüglich unbezahlter Mehrarbeit durchsetzen zu können. Zum Ausdruck kommt diese Perspektivlosigkeit in einer Wortmeldung eines Kollegen der HS Götzis, der frei nach Karl Valentin konstatierte: „Früher war sogar die Zukunft besser!“ In einem Zwei-Jahres-Rhythmus müssten LehrerInnen seit Jahren darum bangen, was die jeweilige Regierung mit den LehrerInnen vorhabe. Stilles Nicken der LehrerInnen, die so zahlreich erschienen sind, dass sie kaum in den für sie vorgesehenen Zuschauerrängen der Turnhalle Platz finden. Es sind über 500 PflichtschullehrerInnen des Bezirkes Feldkirch, die sich hier in der Turnhalle der HS Götzis an einer der insgesamt acht Dienststellenversammlungen in ganz Vorarlberg auf Aufruf der Gewerkschaft versammeln, um über etwaige Kampfmaßnahmen aufgrund der Pläne der Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) zu beraten.

Nach einem einführenden Referat eines Vertreters der Gewerkschaft beginnt eine sehr ausführliche Diskussion über das Für und Wider von Kampfmaßnahmen, das Ansehen von LehrerInnen in der Öffentlichkeit und die Bildungspolitik der letzten zehn Jahre. Auch die Wünsche der LehrerInnen werden artikuliert, die ganz dem Bild der „unflexiblen Betonierer“ und „Privilegienritter“ widersprechen, das die Medien gerne von ihnen zeichnen: Da wird die Ganztagsschule, die Gesamtschule, ein neues Dienst- und Besoldungsrecht sowie betreuende Maßnahmen für LehrerInnen und SchülerInnen wie die Schaffung einer Psychologischen Ganztagesstelle an jeder Schule gefordert.
Das wichtigste Thema sind aber natürlich die Kampfmaßnahmen. Ein Lehrer einer Hauptschule meint: „Wir müssen streiken! Erstens spart sich die Ministerin dann für eine Zeit lang unsere Löhne, zweitens sehe ich einfach keine andere Möglichkeit. Der Streik darf aber nicht nur auf ein paar Stunden oder einen Tag beschränkt sein – er muss unbefristet sein! Wenn ich streike, dann für ein neues Besoldungsrecht und die Zukunft unserer Kinder!“ Eine andere Position vertritt ein Kollege aus einer „Neuen Mittelschule“: Ein Streik würde noch größere Missstimmung innerhalb der Bevölkerung hervorrufen als bisher, darum müsse man eine Lösung auf politischer Ebene finden. Ein weiterer Redner entgegnet: „Unser Image ist mir egal, Schuld an diesem Image sind Elisabeth Gehrer und Claudia Schmied. Ich kenne kein Unternehmen in der Privatwirtschaft, in dem der Dienstgeber so mies und kontinuierlich über seine gesamte Belegschaft herzieht. Unser Image geht mir da am Arsch vorbei! In Frankreich haben LehrerInnen ein ganz anderes Image und werden respektiert: Weil sie sich wehren, wenn man sie angreift. Wer sich allerdings ständig prügeln lässt wie ein Hund, ist selbst ein Hund!“
Den anwesenden KollegInnen, die bisher recht verhalten auf die Redebeiträge reagiert haben, scheint dieser Beitrag aus der Seele zu sprechen – langsam taut die Stimmung etwas auf und es gibt allgemeinen Applaus. Zudem bekommt die Diskussion zunehmend eine politische Stoßrichtung. Mehrere RednerInnen betonen, dass anscheinend genug Geld für Banken da sei und dass es jetzt darauf ankomme, sich dagegen zu wehren, das dadurch entstandene Loch im Budget durch Lohnkürzungen zu stopfen. Langsam heizt sich die Stimmung auf. Zwar sind sich alle darin einig, dass das Image der LehrerInnen sehr leide. Die große Mehrheit zieht daraus allerdings den Schluss, dass es darauf jetzt nicht ankomme: „Ja, ein Streik ist der Imagepolierung nicht dienlich! Aber wir sind nicht hier um uns über unser Ansehen Gedanken zu machen sondern um eine Lohneinbuße von 9% zu verhindern. Da ist ein Streik mehr als angebracht!“, gibt sich ein Lehrer der VS Muntlix kämpferisch.

Eine Lehrerin der Volksschule Röthis stellt eine sehr entscheidende Frage: „Was würde ein Streik für jeden von uns bedeuten?“ Der Gewerkschaftsvertreter antwortet: „Eine sofortige Einstellung der Löhne, wobei all jene, die in der Gewerkschaft sind, einen Teil ihre Lohnes von der Gewerkschaft erhalten.“ Betretende Stille. Doch nach diesem kurzen Schock meldet sich ein entschlossener Hauptschullehrer – allem Anschein nach Mathematiker – zu Wort: „Na, wenn ich die drohenden Lohneinbußen durch die Pläne der Regierung mit einem Monat Lohnausfall durch Streikmaßnahmen gegenrechne weiß ich, was ich zu tun habe: Der Streik kommt mich weitaus günstiger!“ Der Turnsaal bricht in Gelächter aus und applaudiert. Dadurch ermutigt meldet sich eine Lehrerin zu Wort: „Wenn wir dieses mal siegreich aus dieser Konfrontation hervorgehen wollen, müssen wir es verhindern, dass sich PflichtschullehrerInnen und AHS-LehrerInnen wieder auseinanderdividieren lassen! Der Erfolg von Elisabeth Gehrer lag hauptsächlich darin, dass sie das jedes Mal geschickt schaffte.“ Auch die folgenden Beiträge betonten die Notwendigkeit der Einigkeit aller LehrerInnen, egal welcher Schulform sowie eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern.

Nach dieser ausführlichen Diskussion brachte die Gewerkschaft eine Resolution zur Abstimmung, mit der zwar im Detail nicht alle einverstanden waren, der aber alle bis auf etwa 10 der 500 LehrerInnen zustimmten:

„Wir PflichtschullehrerInnen des Bezirks Feldkirch fordern die Personalvertretung auf, uns über alle gewerkschaftlichen Maßnahmen gegen die `geplante Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich´ zu informieren. Wir sind bereit, Maßnahmen (Unterschriftenaktionen, Dienststellenversammlungen, Leserbriefe, Mailaktionen, Dienst nach Vorschrift, Demos, Streik) mit allen PflichtschullehrerInnen Österreichs solidarisch mitzutragen“.


Außerdem:
Interview mit Edith Friedl (Lehrerin aus Linz): "LehrerInnen = Fußabstreifer einer verfehlten Budgetpolitik"


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