Die Besetzung des AudiMax an der Uni Wien wird in diesen Tagen wahrscheinlich zu Ende gehen. Was brachte diese Protestbewegung? Wie soll der Widerstand an den Universitäten fortgesetzt werden?

Endlich wurden die herrschenden Verhältnisse an den Unis zum Tanzen gebracht. Was wir in den letzten Wochen in ganz Österreich erlebten, war die bisher größte Unmutsäußerung der StudentInnen gegen den neoliberalen Umbauprozess der Unis und besonders den Bologna-Prozess, in dem sie zu marktkonformen Subjekten gemacht werden sollen. Unter dem Slogan „Uni brennt“ entwickelte sich eine Bewegung mit Massencharakter. Tausende beteiligten sich an den Besetzungen. Den absoluten Höhepunkt erreichte die Bewegung am 28.10., als 30.000 Menschen auf den Straßen Wiens demonstrierten.

„Gefährliche Situation“

Die Bürgerlichen waren angesichts dieses Massenprotests echt in Sorge. Wissenschaftsminister Hahn sah sich gezwungen Bundespräsident Fischer „von einer gefährlichen Situation auf den Universitäten“ zu informieren. „Die Presse“ schrieb: „Hier entlädt sich der Frust einer ganzen Generation“.
Eine jede soziale Bewegung ähnelt in ihrer ersten Phase einer großen Party. Durch die kollektive Aktion erfahren alle ein Gefühl der Stärke. Dieses Gefühl macht nicht nur glücklich, es berauscht die Beteiligten. Die daraus resultierende Dynamik scheint durch nichts zu stoppen zu sein. Die StudentInnen erkannten in dieser ersten Phase, dass die öffentliche Meinung auf ihrer Seite war. Die Welle der Solidarität in diesen Tagen war beachtlich. Sie hatten es geschafft ihre miesen Studienbedingungen und Fragen der Bildung zu dem innenpolitischen Thema Nr. 1 zu machen. Unter diesem Druck sagte Minister Hahn auch zusätzliche 34 Mio. Euro Budget für die Unis zu. Das ist natürlich zu wenig. Eine Erhöhung der Budgetmittel auf 2% des BIP ist unumgänglich.

Nach dem 28. 10. stellte sich jedoch die Frage der Perspektiven des Protests. In einer solchen Situation kann eine Bewegung nur erfolgreich sein, wenn sie eins drauflegen kann, wenn sie den Druck auf die Regierung weiter zu erhöhen vermag. Die Antwort hätte damals lauten müssen: Mit einem Streik die Unis lahm legen, den Protest nach außen auf die Straße tragen und die Bewegung gezielt auf andere gesellschaftliche Bereiche, vor allem die Schulen und die Gewerkschaften, ausweiten.

Zu einer solchen Vorgangsweise konnte sich die Bewegung jedoch nicht durchringen. Der Grund dafür ist vor allem in der Dominanz postmoderner Organisations- und Kampfformen unter den BesetzerInnen zu sehen.

Demokratiedefizite

Ihr Credo lautete von Anfang an Basisdemokratie. Dieses basisdemokratische Selbstverständnis der Bewegung hat mit Sicherheit seine Ursache in der tiefgehenden Kritik an den uns bekannten Formen der bürgerlichen Demokratie, wo die Stimmabgabe gleichzeitig das Abgeben jeglicher Verantwortung und die politische Entmündigung der WählerInnen bedeutet. In Form dieser partizipatorischen „do-it-yourself“ Demokratie wollen die Studierenden ihr Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen, und keine Hoffnungen in Entscheidungen die über ihre Köpfe hinweg beschlossen werden setzen. Es ist aber auch Ausdruck für die ideologische Dominanz postmoderner Ideologie an den Unis, die seit rund einem Jahrzehnt die studentische Linke prägt. Frühere Uni-Bewegungen (1987, 1996, 2001) verstanden sich durchaus auch als basisdemokratisch, in dem Sinne, dass die damaligen Proteste an den offiziellen ÖH-Strukturen vorbei selbstorganisiert waren. Es kam auf Institutsversammlungen bzw. in den besetzten Hörsälen auf der Grundlage einer kollektiven politischen Debatte über Ziele und Methoden zur Wahl von Aktions- oder Streikräten, die den Plena rechenschaftspflichtig und auch wieder abwählbar waren. Diese Tradition konnte sich heuer nicht durchsetzen.

Die Art und Weise, wie sich die Besetzungen ausgehend vom AudiMax strukturierten, beinhaltet trotz all der anfänglichen Euphorie, einige schwere Demokratiedefizite. Die Arbeitsgruppen, die eigentlich die Grundlagen für die Diskussion im Plenum erarbeiten bzw. für die konkrete Umsetzung der dort gefassten Beschlüsse verantwortlich sein sollten, wurden plötzlich zu der zentralen Organisationseinheit. Diese AGs sind letztendlich niemandem Rechenschaft schuldig, Verantwortliche weder repräsentativ für den politischen Gesamtwillen der Bewegung noch abwählbar. Zwar kam es doch noch zu Vernetzungstreffen mit VertreterInnen verschiedener Unis, die dort Anwesenden wurden jedoch von niemandem gewählt. Diese Form der Basisdemokratie führt natürlich über informelle Kanäle zur Herausbildung einer Hierarchie. Wer mehr Zeit hat oder es sich leisten kann, sein Studium für einige Wochen zu vernachlässigen, der entscheidet letztlich. Wer schauen muss, dass er/sie seine Lehrveranstaltungen besucht, Geld mit Nebenjobs aufstellt und oben drein vielleicht noch Kinder zu betreuen hat, hat in dieser Struktur keine Chance mitzuentscheiden. Zeit ist im Rahmen der ökonomischen Umstrukturierungen der Unis nun mal leider eine begrenzte Ressource. Dies erklärt auch, warum sich mit der Zeit immer weniger StudentInnen an den Besetzungen und Plena aktiv beteiligten. Oben drein machte sich die Bewegung durch die breite Ablehnung von Abstimmungen als Modalität der Entscheidungsfindung, selbst wenn sich grundsätzlich gegensätzliche Meinungen gegenüberstehen und ein Konsens nicht möglich ist, selbst handlungsunfähig.

Die besetzten Hörsäle sind so immer mehr zu einem Selbstzweck geworden, zu einem Freiraum für eine kleine Minderheit von AktivistInnen. Sie sind aber nicht mehr das strategische Zentrum einer Massenbewegung, die für die Beendigung der miserablen Studienbedingung an den heimischen Unis zu kämpfen imstande ist.

Solidarisieren, mitmarschieren!

Einer der positivsten Aspekte dieser Besetzung war, dass sie zumindest für kurze Zeit zum Bezugspunkte all jener Kräfte werden konnte, die die herrschenden Verhältnisse nicht länger akzeptieren wollen. Die Welle der Solidarität in den letzten Wochen war extrem beeindruckend. Mit den gemeinsamen Demos von StudentInnen und GewerkschafterInnen in Innsbruck und Wien wurden erste konkrete Ansätze geschaffen, wie ein gemeinsamer Kampf aussehen könnte. Zeitweise hatte diese Bewegung das Potential ausgehend von den Unis einen sozialen Flächenbrand in Österreich zu entfachen.

Gerade die ÖH versuchte die Bewegung auf den Aufschrei einer bildungsbornierten StudentInnenschaft zu reduzieren, wonach eine höhere Akademikerquote das Um und Auf wäre. Auf die ideologischen Debatten im Audimax nach der Frage „Sind wir überhaupt politisch?“ antworten wir mit „Ja!“ – unsere Forderungen bewegen sich ganz klar auf einer politischen Ebene, im Kontext der Wirtschaftskrise und des jahrelangen Bildungs- und Sozialabbaus. Genau deshalb müssen wir konkrete Vorschläge zur Finanzierung unserer Forderungen nach freier Bildung aufstellen, die den Funken von den Bildungsinstituten auch in die Gesellschaft überspringen und dem Motto der ersten Demonstration „Geld für Bildung statt für Banken und Konzerne“ Taten folgen lassen: Wir fordern eine Vermögenssteuer und weitere Maßnahmen der Umverteilung von oben nach unten! Und wir unterstützen die Forderungen im Interesse aller Lohnabhängigen: Schluss mit prekären Beschäftigungsverhältnissen! Mindestlohn von 10€ netto die Stunde! Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und mehr Arbeitsplätze für alle!

Perspektiven

In diesen Protesten politisierte sich eine neue Generation von StudentInnen. Viele werden auch nach dem ersten Abflauen der Besetzungen aktiv bleiben. Die Missstände an den Unis sind genauso groß wie zu Beginn dieses Semesters, und die Regierung wird ausgehend vom Uni-Gipfel auf diese Bewegung mit einer weiteren Verschärfung der Zugangsbedingungen zu den Unis antworten. Dies gilt es zu verhindern.

Es ist Zeit, dass wir eine Zwischenbilanz ziehen und die Perspektiven unseres Protests diskutieren. Aus diesem Grund plädieren wir für die Abhaltung eines großen Bildungskongresses. Dort sollten Delegierte, die zuvor an den Unis in HörerInnenversammlungen gewählt wurden, darüber entscheiden, wie unser Widerstand so demokratisch und transparent wie möglich fortgesetzt werden kann. Wir schlagen in diesem Sinne eine Kampagne für einen bundesweiten Bildungsstreik im Rahmen einer Aktionswoche für freie Bildung vor.


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