Ein Bericht von der Betriebsversammlung in der Saline Ebensee. Von unserem Korrespondenten aus dem Salzkammergut.

Dunkle Wolken hängen über dem Salzkammergut. Das düstere Wetter passt zur Stimmung in Ebensee, dieser roten Hochburg mit langer, kämpferischer Tradition. Der Ort steht und fällt mit dem Salzbergbau, der eine lange Geschichte in der Region hat. Die „Pfannhäuser“, wie die SalinenarbeiterInnen respektvoll genannt werden, prägen seit jeher Ebensee. Beim „Konsum“, der als Genossenschaft geführten Supermarktkette, die es hier im Salzkammergut noch immer gibt und wo Kindheitserinnerungen lebendig werden, erklärt mir eine Frau den Weg zur Saline, die etwas außerhalb des Orts liegt.

Ankunft bei der Saline

Bei der Abfahrt von der Bundesstraße werde ich aufgehalten. Ein Arbeiter fragt mich, wohin ich will. Ich antworte, dass ich über den Arbeitskampf in der Saline berichten möchte. Er winkt mich durch. Auf der Zufahrt zur Saline stehen Plakatständer, auf denen gegen die Willkür im Betrieb und gegen die Kündigung eines Betriebsrats protestiert wird.

Vor dem Betrieb stehen neuerlich einige Arbeiter und halten die ankommenden Fahrzeuge auf. Die Werkseinfahrt wird von anderen „Ordnungshütern“ bewacht. Ein privater Sicherheitsdienst hat Stellung bezogen.

Vor dem Werk hat die Gewerkschaft eine kleine Bühne aufgebaut. Das Rote Kreuz ist mit einem Wagen gekommen und bereitet die Verpflegung für die Betriebsversammlung vor. Ich versuche mit den Arbeitern ins Gespräch zu kommen, die auf ihre KollegInnen warten, die gerade Schicht haben und noch im Werk sind. Sie sind aber nicht sehr gesprächig und verweisen auf den Betriebsrat. Dann kommt aber doch ein Kollege zu mir her und erzählt über die Hintergründe des Konflikts bei der Saline. Mit der Aktion wolle der Betriebsrat die Geschäftsführung davon überzeugen, wieder auf ein gutes Betriebsklima hinzuwirken. Die Saline drohe unterzugehen, wenn die Belegschaft weiter so schlecht behandelt wird. Er erzählt mir, dass rund 240 Menschen im Werk ihren Arbeitsplatz haben. Der Eigentümer ist seit der Privatisierung Salzbaron Hannes Androsch gemeinsam mit der Raiffeisenbank. In Ebensee residiert Herr Maix an der Spitze des Vorstands der Salinen AG, der Schwiegersohn von Androsch. Ein Kollege wirft ein: „Was halt zu wenig Qualifikation für so eine Position ist.“ Jedenfalls sei die heutige Betriebsversammlung erst der Anfang in diesem Konflikt. Erste Wirkung habe der Protest schon gezeigt. Der „Tag der offenen Tür“ wurde von der verängstigten Geschäftsleitung kurzfristig abgesagt. Ich bedanke mich für die ersten Informationen und wende mich dann zwei jungen Arbeitern zu. Heute hätten sie eigentlich frei, aber es sei wichtig ein Zeichen zu setzen – deshalb sind sie trotzdem gekommen. Was sie im Betrieb störe? „Das Schichtzeitmodell, das macht einen fertig“, antwortet der eine. Sein Kollege stößt nach: „Die Schichtarbeit ist so anstrengend, dass ich den ersten von meinen zwei freien Tagen ganz verschlafe. Es ist auch schon öfters vorgekommen, dass man von der Schicht heimkommt und nach zwei Stunden einen Anruf aus dem Werk erhält, dass man noch mal kommen solle, um Überstunden zu machen. Aber das Ärgste ist der Umgang der Vorgesetzten mit uns Arbeitern. Ständig wird gedroht, dass sie einen versetzen. Einmal ist bei einer Maschine was kaputt gegangen, da haben sie einem Kollegen gleich gesagt, dass er beim nächsten Mal eine abfangt.“
Dann frage ich eine jüngere Kollegin zu ihren Erfahrungen. Sie ist Angestelltenbetriebsrätin. Mehr kann sie nicht sagen. Sie ist sichtlich angespannt und kämpft sogar mit den Tränen. Vor der Versammlung könne sie leider keine Stellungnahme abgeben.

Jetzt kommen aus dem Werkstor die ArbeiterInnen, die gerade Schicht haben. Etwas dahinter auch die Angestellten. Der Platz vor der Bühne füllt sich schön langsam. Neben den Belegschaftsangehörigen waren auch viele ehemalige „Pfannhäuser“ sowie eine Reihe von SozialdemokratInnen aus Ebensee gekommen. Ein Mann erzählt mir, dass er vor kurzem ebenfalls rausgeschmissen wurde. In mehreren Abteilungen werde systematisch Personal ausgetauscht. Immer mehr LeiharbeiterInnen ersetzen ehemaliges Stammpersonal. Er sei gekommen, um seine Solidarität mit den ehemaligen KollegInnen zu zeigen.

Während die Belegschaft auf die beiden Vertreter der Gewerkschaft wartet, die noch ein Gespräch mit der Geschäftsleitung führen, frage ich einen Lehrling, wie er die Arbeitssituation in der Saline sieht. „Zuerst wurden wir neuen Lehrlinge groß begrüßt, aber den Staplerschein wollten sie uns nicht zahlen. Der kostet aber 240 Euro. Die Kollegen haben dann aber zusammengelegt, der Betriebsrat hat diese Spendenaktion auch unterstützt.“

Die Betriebsversammlung

Mit einer halben Stunde Verspätung beginnt dann die Betriebsversammlung. Der Angestelltenbetriebsrat begrüßt alle TeilnehmerInnen und übergibt dann dem ArbeiterInnenbetriebsratsvorsitzenden Karl-Heinz Klausner das Wort. Dieser wurde erst vor einigen Monaten gewählt. Er berichtet, dass er von Anfang an das Gespräch mit dem Vorstand gesucht habe, diese Aktion sei ganz im Interesse des Unternehmens, weil die Saline nur Zukunft habe, wenn die ArbeiterInnen sich mit ihrem Arbeitsplatz identifizieren können. Der Umgang der Geschäftsleitung mit den ArbeiterInnen im Werk sei aber untragbar. Deshalb wurde diese Betriebsversammlung zur Notwendigkeit. Der Betriebsrat wolle die gesamte Belegschaft über die Missstände in der Saline informieren und eine Resolution zur Abstimmung bringen, mit der die Geschäftsleitung wieder an den Verhandlungstisch gebracht werden soll.

Die Vertreter der PROGE und der GPA-djp berichten dann von ihren Gesprächen mit den Herren Androsch und Maix, die sich gegen jede Einmischung seitens der Gewerkschaft wehrten und die Betriebsräte als „faule Äpfel“ (!) bezeichneten, die ausgesondert werden müssen, damit sie nicht die guten Äpfel im Korb verderben.

Alle Reden bringen den Wunsch nach einer Rückkehr zu sozialpartnerschaftlichem Umgang im Werk zum Ausdruck. Gleichzeitig sind sie aber auch eine beinharte Anklage gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen im Werk. Die zu verbessern, wird nur über den Weg des offenen Konflikts gehen. Dessen sind sich auch die meisten ArbeiterInnen bewusst. Ihre Anspannung und Ernsthaftigkeit bringt dies gut zum Ausdruck.

Interessensgegensätze

Offensichtlich verfolgt Herr Maix eine offensive Unternehmensstrategie, die aus seiner Sicht einen harten Kurs im Betrieb gegen die Belegschaft notwendig macht. Deshalb die systematischen Verstöße gegen die Arbeitszeitbestimmungen und Pausenregelungen, willkürlich angesetzte Überstunden, Kündigungen...

Ein aktiver Betriebsrat wie das Team um Kollege Klausner steht dieser Strategie im Weg. Die Geschäftsleitung versucht den Betriebsrat als kleine radikale Minderheit ohne Unterstützung in der Belegschaft darzustellen. So ist es auch kein Zufall, dass seit kurzem eine Unterschriftenliste im Werk kursiert, die die Abwahl des Betriebsrats fordert. Initiiert wurde sie offensichtlich von leitenden Angestellten, wenn nicht sogar direkt im Auftrag der Geschäftsleitung. Die Betriebsversammlung hat aber eindeutig gezeigt, dass die ArbeiterInnen mit überwiegender Mehrheit hinter den Forderungen des Betriebsrats stehen. Einzig eine kleine Gruppe von höheren Angestellten stellt sich offen gegen den eigenen Betriebsrat und steht auf der Seite des Vorstands. Der Angestelltenbetriebsrat hat hier noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, um die Gruppe der Angestellten im Werk für solidarische Aktionen mit den ArbeiterInnen in der Produktion zu gewinnen. Eine negative Rolle spielt sicher Johannes Weißenbacher, der Zentralbetriebsratsobmann der Angestellten in den Bergbaustandorten Altaussee, Hallstatt und Bad Ischl, der sich öffentlich von der Protestaktion in Ebensee distanziert hat. Umso wichtiger ist jetzt die Solidarität der ganzen Gewerkschaftsbewegung. Aus dieser Sicht war diese öffentliche Protestaktion ein wichtiger erster Schritt.

Nach der erfolgten geheimen Abstimmung über die Resolution fährt die gesamte Belegschaft ins ArbeiterInnenheim Ebensee, um die Betriebsversammlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortzusetzen. Ich setz mich ebenfalls ans Steuer und fahre weiter. In der Zwischenzeit sind vor dem Werk ein halbes Dutzend LKWs zum Stillstand gekommen. Die LKW-Fahrer warten geduldig auf die Wiederaufnahme der Produktion in der Saline…


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