Das steirische Landesbudget sorgt weiter für Unruhe. Die dritte Grazer Demo versammelte 15.000 Menschen am Hauptplatz. Dies war jedoch zuwenig. Bei der heutigen Landtagssitzung verließen drei SPÖ-Abgeordnete den Saal, dies war zu wenig um eine Mehrheit zu verhindern. Ein Bericht von Emanuel Tomaselli.

Schon über einer Stunde vor dem offiziellen Demo-Beginn fanden sich hunderte AktivistInnen am Treffpunkt, zimmerten Transparente zusammen, bliesen Luftballons auf, verteilten ihre Fahnen und Trillerpfeifen. Zum dritten Mal ging es in der Landeshauptstadt in Massen gegen ein Kürzungsprogramm der Extraklassse, erdacht von den rot-schwarzen Mitgliedern der „Reformpartnerschaft“, wie sich Landesregierung gerne bezeichnet.

Aufgerufen haben zur Demonstration der steirische ÖGB, der einem „Beschluss zu allgemeinen Kampfmaßnahmen“ im Petto hat, und die Plattform 25. Gekommen sind 15.000 Menschen. Besonders stark waren Beschäftige aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich vertreten. Die wohl größte Delegation stellten die hundert Kolleginnen der Volkshilfe Steiermark, die vereint und in einem lautstarken Block auftraten. Sehr beeindruckend war die Demoteilnahme von hunderten behinderten Menschen, die gemeinsam mit Familienmitgliedern, FreundInnen und BetreuerInnen gegen die massiven Kürzungen im Bereich der Behindertenbetreuung protestierten. Viele von ihnen hatten selbstgemachte Transparente mitgebracht. Die Fachgewerkschaften GPA-djp, vida und Proge stellten weitere große Abteilungen des langen Demozuges. Die GÖD und andere Gewerkschaften waren in kleinerem Ausmaß sichtbar. AnhängerInnen von KPÖ und Grüne waren mit ihren Luftballons über die ganze Demo verstreut, sichtbar und lautstark traten die Kommunistische Jugend und der VSSTÖ auf. Tausende Menschen folgten dem Demo-Aufruf ohne sich einer spezifischen politischen oder gewerkschaftlichen Organisation einzugliedern. Darunter auch viele Mitglieder der Sozialistischen Jugend Steiermark. Die Fahnen blieben zwar in den SJ-Lokalen, dafür wurden jedoch Schilder und Pickerl mit dem Logo der Kampagne „Reiche müssen zahlen“ verteilt. Generell waren unter den DemonstrantInnen auffällig viele Jugendliche. SchülerInnen, Lehrlinge, Studierende, junge ArbeiterInnen und Angestellte, viele von ihnen waren in dieser Bewegung erstmals politisch aktiv.

Der Funke ist geflogen!

Mit dabei waren auch eine Reihe von UnterstützerInnen des Funke. GenossInnen aus Oberösterreich, Salzburg und Wien unterstützen unsere Genossen gestern vor Ort. Bereits in den vergangen Wochen waren wir nicht nur auf allen Großdemonstrationen präsent, sondern argumentierten auf den Treffen der Plattform und anderen politischen Zusammenhängen für eine eskalative Ausweitung der Proteste. Marxistische SJ-Strukturen aus anderen Bundesländern versuchten in einer Resolution dem Genossen Vorsitzenden der SJ Steiermark und Landtagsabgeordneten Max Lercher den Rücken zu stärken, damit dieser entsprechend der offiziellen Linie der SJ im Landtag gegen diesen massiven Angriff stimmt. Leider waren wir nicht stark genug, und seine Prinzipien erwiesen sich als sehr biegsam. Max Lercher stellte seinen eigenen Status als Landtagsabgeordneter über die Interessen der Armen und Schwachen und gegen die politische Idee des Sozialismus. Damit leidet die gesamte Glaubwürdigkeit der Sozialistischen Jugend, die sich mit dieser Frage weiter beschäftigen wird müssen.

Auf der Demonstration selbst fanden unsere Ideen und konkreten Vorschläge zur Ausweitung der Proteste, ein breites und zustimmendes Echo. Unsere Analysen und Slogans verbreiteten wir mit unserer Sonderausgabe auch in schriftlicher Form. 290 Stück des Steier-Funken wurden gekauft! Auch fünf Ausgaben unserer jüngsten Publikation zur Arabischen Revolution wechselten auf der Demo den Besitzer. Mehrere DemonstrantInnen gaben uns ihre Mails und Telefonnummern um weiter in Kontakt bleiben zu können. Alle GenossInnen, insbesondere jene außerhalb Graz wurden vom Ambiente dieser Großdemonstration mit Enthusiasmus angesteckt.

Schwache Führung

Jedoch muss man kühlen Kopf bewahren. Die Regierungsmehrheit wurde zwar erschüttert, blieb aber intakt. Die direkte Verantwortung dafür hat die Führung der Protestbewegung. Anstatt von Anfang an auf eine Eskalation der Proteste zu setzen, wurde eine Abfolge von „kreativen Protestformen“ ersonnen. Diese Kreativität der Butterbrote, der fliegenden Luftballons etc. ging jedes Mal im Massenandrang der protestierenden Menschen unter. Richtig wäre es gewesen, wenn die Plattform 25, nach dem unerwarteten Erfolg der Demo am 25. März offensiv an einer Ausweitung der Proteste gearbeitet hätte. Der Vorschlag den Funke-UnterstützerInnen ins Rennen brachten, war und ist es eine Betriebsrätekonferenz einzuberufen um Kampfmaßnahmen und Streiks vorzubereiten (siehe hier). Dies wurde vom SprecherInnenrat als „zu radikal“ abgelehnt. Am dezidierten Veto der Grünen ist die Initiative der kommunistischen StudentInnen gescheitert, die inspiriert von der Arabischen Revolution für ein Protestcamp rund um den Landtag plädierten.

Wie sehr unser Konzept auf der Höhe der Zeit war, zeigte der gestrige Tag. Nach langem Zögern stellte sich der ÖGB auf die Seite der Protestbewegung. Dies hat die Bewegung numerisch und symbolisch gestärkt. Eine neue Qualität wurde dadurch jedoch nicht erreicht. Man hatte auf der Demo nicht das Gefühl, dass der ÖGB seinen Kampfbeschluss dahingehend umgesetzt hat, dass eine allgemeine Aufklärungs- und Mobilisierungskampagne in der breiten ArbeiterInnenbewegung stattgefunden hätte. Dies war insbesondere daher wichtig gewesen, dass die Auswirkungen des Sparpaketes und das Ausmaß der Protestbewegung in den bürgerlichen Medien kleingeredet oder gar gänzlich verschwiegen wurden. Dieser mediale Black-Out zeigt die Angst der Bürgerlichen und hätte offensiv beantwortet werden müssen. Insbesondere hätte man sich erwarten können, dass aus zentralen Betrieben der Steiermark (etwa aus der metallverarbeitenden Industrie) organisierte Betriebsdelegationen demonstrieren. So jedoch konnte man den Eindruck nicht loswerden, dass der „allgemeine Kampfbeschluss“ der ÖGB-Spitze die individuelle Wut der direkt betroffenen KollegInnen einen Kanal gab, jedoch nicht dazu gedacht war die gesamte Macht der ArbeiterInnenklasse in ihrem vollen Ausmaß zu demonstrieren.

Dies wurde auch in den Reden sowohl des Plattformvertreters Gerhard Zückert als auch des ÖGB-Vorsitzenden Horst Schachner deutlich. Durchgängiger Tenor war prinzipielles Verständnis für die Sparlogik. Das Sparpaket sollte aber durch die Einführung von Vermögenssteuern abgefedert werden. Konkrete nächste Schritte für den Protest wurden in den offiziellen Reden nicht genannt. Das Publikum, das durchgehend aufmerksam den RednerInnen zuhörte, und bei jeder kämpferischen Regung mit Applaus reagierte, wurde somit ohne klare Ideen nach Hause geschickt.

Heftige Konflikte in der Sozialdemokratie

Doch nicht alles wird öffentlich ausgetragen. Die Stimmung zwischen SPÖ und Gewerkschaft ist offensichtlich am Nullpunkt, oder anders betrachtet, an einem ersten Höhepunkt eines Kräfteringens. „Ich werde den Klubzwang nicht aufheben und kann nicht tolerieren, wenn wer ausschert“, und weiter „man werde vor der Gewerkschaft nicht in die Knie gehen“. Dies gibt der SPÖ-Klubobmann Kröpfl zu Protokoll. Grund dafür waren die halblauten Ankündigungen vereinzelter SPÖ-Mandatare gegen das Paket zu stimmen. Solche Worte sind offene Kampfansagen und stellen die Machtfrage in der SPÖ. Entweder ihr setzt unsere bürgerliche Politik um oder ihr seids weg vom Fenster, so die Parteispitze. Nun, unserer Meinung nach versucht hier der Schwanz mit dem Hund zu wedeln. Ohne die Unterstützung der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen wäre die SPÖ ein Häufchen Nichts. Daher sollte uns diese Ansage nicht nervös machen, Kröpfl hätte gehen müssen, wenn es Gegenstimmen gegeben hätte, und der Sozialdemokratie hätte Schlimmeres passieren können.

Denn wessen Politiks Kind ist diese sogenannte „Reformpartnerschaft“ der Landesregierung? Kröpfls Gegenüber von der ÖVP, Drexler, bringt die Weltsicht der Schwarzen auf den Punkt: „Wir sind kein Beliebtheitscontest, wir wollen keine Faserschmeichelwohlfühlpolitik.“ Er sieht im Sozialbereich einen „industriellen Komplex“ mit zu hoher Angebotsdichte. Da hätten wir das Programm des Sparpakets: Die pure Ideologie des Stärkeren, purer neoliberaler Sozialdarwinismus.

Drei sozialdemokratische Mandatare weigerten sich schlussendlich die völlige Unterwerfung unter diese kapitalistischen Dogmen zu vollziehen. Anstatt die Hand zu heben, verließen sie den Landtagssaal. Dies ist das Mindeste, was man sich erwarten durfte, aber nicht genug. Voves und Kröpfl haben sich durchgesetzt, und die Gewerkschafter im Landtag sind der Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen. Max Lercher jedoch hat es verabsäumt sich die volle öffentliche Unterstützung der SJ Steiermark und der SJÖ zu sichern, ging auf Tauschstation und hob seine Hand. Wir jedoch sagen ihm im Namen aller klassenkämpferischen SJlerInnen: „Local heros“ machen keinen Kniefall vor dem Bürgertum. Du bist kein besonderer Politiker, du bist Durchschnitt, der sein eigenes Interesse über die jener Menschen stellt, die für ihn gelaufen sind. Nicht vergessen ist deine Ansage auf der Stolzalpe, dass du als Landtagsabgeordneter zurücktreten wirst, wenn wichtige Abteilungen im dortigen LKH geschlossen werden. Wie der Moderator der Demo sagte: „An euren Taten werden wir euch messen!“ Einmal mehr hat sich erweisen: Die Höhe der Politikergehälter ist eine veritable Korruptionsmaschinerie, die jedes Gewissen zermalmt.

Wie die Löwen weiterkämpfen

Auch wenn es eine numerische Mehrheit im Landtag gegeben hat, der Kampf ist nicht vorbei. Gesetze müssen auch erst umgesetzt werden: Die 700 bis 2500 Posten im Landesdienst müssen abgebaut werden, Versorgungsfälle ins Heim gesteckt, SozialarbeiterInnen entlassen, Krankenanstalten geschlossen, Kulturinitiativen in den Konkurs geschickt werden. Der ÖGB ist mit dem Gesetzesbeschluss nicht aus seiner Verantwortung und seinen Beschlüssen entlassen, die Plattform 25, oder zumindest jene Kräfte in der Plattform 25, die nicht unter parlamentarischem Kretinismus leiden – und dies ist die große Mehrheit – werden weiter kämpfen.

Wir schlagen daher vor, dass bald eine breite Konferenz zur Diskussion und Beschlussfassung über die Weiterführung der Proteste abgehalten wird.
Die UnterstützerInnen des Funke sind heute fest in der Steiermark verankert, damit unsere Politik, Ideen und Vorschläge mehrheitsfähig werden, dazu brauchen wir noch dich und dich.


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