Das Donauinselfest ist längst zu einer Mischung aus Kommerz und Repression verkommen, wie der folgende Bericht zeigt.
Sonntagabend, das 28. Donauinselfest, das unter dem Motto „Mit Sicherheit Spaß“ stand, geht seinem Ende entgegen. Spätestens heuer ist es auch in Orwells 1984 angekommen. Innerhalb einer halben Stunde sind der Autor und seine Familie Ziel zweier (wahrgenommener) Zivil-Überwachungen und einer Handy-Ortung geworden. Man nimmt mehr Polizeistreifen wahr als ausgelassene Partygruppen. Ausweichräume wurden mit Werbung verzierten Gittern abgesperrt, dahinter langweilen sich wiederholt weitere Abteilungen von Uniformierten in lässiger Bereitschaft. Die wunderschöne Naturarena der FM4-Bühne wurde durch fünf Reihen Absperrgitter in einen (videoüberwachten) Laufstall ähnlich denen für Rindvieh verwandelt.
Man muss sagen, die Band bemühte sich und gab ihr bestes für ein Publikum, das sich nicht und nicht bewegen ließ. „Mach kaputt was dich kaputtmacht“, sangen sie und unaufhörlich schwenkte die Videokamera, die auf einem zivilen grünen VW-Transporter mit steirischer Nummerntafel montiert war, über den BesucherInnen. Als die Band endet, macht auch die Kamera Pause. Zwei verschwitzte Zivilbeamte (?) dürfen nun auch Pause machen. Wir gehen nach Hause. Dort kann ich im Internet lesen, dass man das was ich erlebt habe „Präventivstaat“ nennt. Es geht darum bereits im Vorfeld kritische Situationen und Delikte zu verhindern und durch „chirurgische Eingriffe“ zu unterbinden. Wie wichtig der Wiener SPÖ die Durchsetzung dieser neuen Hausordnung auf der Insel ist, erkennt man auch daran, dass nicht wie alljährlich getitelt wird: „Häupl mischt sich unters Inselvolk“ sondern: „Bürgermeister Häupl besucht die neue Sicherheitszentrale“ (http://www.2011.donauinselfest.at/?lang=de&module=news&id=261). Hier ist der Kontakt mit dem Wahlvolk auch viel intimer, wie man erfährt: „Auf die Frage einer Journalistin, wie nahe man denn heran zoomen könne, scherzte Kostelecky: ’So nahe, dass wir sehen ob die Gastronomen die Suppe versalzen.’ Der Bürgermeister zeigte sich beeindruckt von der Technik und fachsimpelte ein wenig mit den MitarbeiterInnen der Sicherheitszentrale. Er selbst sei beim Bundesheer Funker gewesen, erzählte er.“ (ebenda)
Darüber wer dieser Herr Kostelecky ist, und dass er geneigt ist die Qualität der Speisen voll den Kräften des Marktes zu überlassen, dazu später mehr. Uns interessieren nun noch die Kameras: „So werden beispielsweise alle Zu- und Abgänge und neuralgische Punkte am Festivalgelände erstmals Video überwacht, um die BesucherInnenströme besser kontrollieren zu können.“ Macht Sinn. Warum schwenkt dann aber die Kamera gerade während des Konzerts permanent über das Publikum, und macht genau dann eine Pause wenn der Gig vorbei ist und das Publikum sich in Bewegung setzt? Vielleicht ein kleiner Benefit, dass niemand zu sehr ausflippt, vier Stahlbarrieren durchbricht und seinen Bierbecher auf die Bühne haut? Wieso lässt sich das der „Alternativsender“ FM4 überhaupt gefallen?
Das Donauinselfest ist zu einer Diktatur verkommen. Nicht die dreitägige Diktatur des feiernden Proletariats, dem die SPÖ einige schöne Stunden ermöglicht, sondern zur Diktatur der Konsum-Monopole. „Pro Event“, eine der SPÖ Wien angelagerte Firma, hat die Gesamtorganisation übernommen. Sie verwirklicht nicht nur das „Präventionskonzept“ des Bürgermeisters, sondern auch die Vermarktung des Fests. Sicherheit und Umsatz stehen im direkten Zusammenhang: Betrinken darfst dich (sollst dich ja sogar), aber nicht mit den Dosen aus dem Discounter. Das ist zu gefährlich. Kauf vor Ort, und konsumier die Werbung. Geh die vorgesehenen Wege, weil nur dann erreicht dich die dort aufgehängte Werbung.
Monopolisierung heißt auch Gleichschaltung. Und den politischen und gewerkschaftlichen Initiativen werden immer mehr Auflagen erteilt, sodass man befürchten muss, dass sie bald gar nicht mehr präsent sein werden. Und es gibt nicht wenige, die meinen, dass das den Partei-Unternehmern nur recht wäre. Es stört nun also das Gesamtkonzept, wenn die GPA-Jugend Cocktails mixt (das dürfen nur noch „professionelle“ Bars). Die Weinliebhaber der FSG Wieden wiederum dürfen ihren Qualitätswein nur noch in Plastik ausschenken. Und weil Pro-Event dafür sorgt, dass nur noch Bacardi getrunken werden darf, ist die Österreich-Kubanische Gesellschaft (ÖKG) gezwungen auf dem Trockenen zu sitzen. Oder soll die Kuba-Solidaritätsgruppe etwa den Fusel jenes gestürzten Zuckerbarons ausschenken, der noch heute anti-kubanische rechtsradikale Terrorgruppen finanziert? Ach ja, diese Lösung war ich noch schuldig: Das ist der Herr Kostelecky, Geschäftsführer der Betreiberfirma „Pro Event“, der sich für all das verantwortlich zeichnet.
Auch „Der Funke“ bekam die neue Zeit deutlich zu spüren. Wie jedes Jahr waren wir auch heuer mit einem kleinen Infotisch bei der SJ-Bühne am Donauinselfest präsent und boten neben der aktuellen Zeitung noch marxistische Bücher und linke, antikapitalistische T-shirts an. Nach einer halben Stunde kamen aber bereits die ersten „Gastro“-Securities von der Firma „Pro Event“ und fragten nach unserer Standgenehmigung. Da wir keine hätten, müssten wir wieder zusammen packen. Nach langem hin und her beließen sie es bei einer Verwarnung und der Drohung, dass die nächsten „Kollegen“, die vorbeikommen würden, sicher eine Strafe in der Höhe von 500 Euro ausstellen würden. Doch kurz darauf baute sich vor unserem Infotisch auch schon der Landessekretär der SJ Wien ganz wichtig vor uns auf und forderte, dass wir den Infotisch abbauen. Was natürlich nicht fehlen durfte, war der Verweis auf drohende Strafen durch die Betreiberfirma „Pro Event“. Unter diesen Umständen zogen wir mal weiter. Bei der Menschenrechtsbühne der JG versuchten wir nochmal unser Glück. Die dort Verantwortliche sagte, es wäre für nächstes Jahr kein Problem, wenn wir uns rechtzeitig anmelden, aber wenn sie uns dieses Jahr den Infotisch aufstellen lassen würde, dann gibt das Probleme mit „Pro Event“. So ging die Herbergssuche weiter. Schlussendlich gewährte uns Kollege Robert Wurm, Betriebsrat vom Postbus, politisches Asyl, ließ uns den Infotisch bei der Bühne der FSG-GPF wieder aufbauen und sorgte sich freundschaftlich um uns. Doch selbst hier standen die Securities von „Pro Event“ binnen kürzester Zeit wieder auf der Matte und verlangten eine „Genehmigung“. Erst als Kollege Wurm erklärte, dass das in Ordnung geht, zogen sie weiter. Auch wenn die Umstände nicht gerade optimal waren, konnten wir dann doch noch einiges an T-shirts, Zeitungen und unseren Büchern zur Arabischen Revolution unters Festvolk bekommen.
Der Wahnsinn ist, welches Menschenbild die SPÖ Wien offensichtlich hat, wenn sie das Donauinselfest in dieser Form organisiert. Hier werden junge und alte Proleten rein wie eine dumme, dumpfe, zu überwachende und gleichzuschaltende Konsumentenmasse behandelt. Ich konnte mich des Eindruckes nicht verwehren, dass hier auch für den Ernstfall geübt wird. Wie schon die Fußball-EURO zu einer Erneuerung und Brutalisierung der Demopolizeieinsätze führte, so kam mir das DIF 2011 wie eine Einsatzübung zur Vorbereitung auf den Umgang mit massiven sozialen Erhebungen, wie wir es momentan in Griechenland erleben, vor.
Wer das heurige Donauinselfest ähnlich erlebte, oder auch ganz anders, soll uns seine Eindrücke und Erfahrungen schicken. In der Funke-Redaktion wartet eine Ausgabe von George Orwells Roman „1984“ für die beste Einsendung. Als Trostpflaster für ein verpatztes Wochenende. Mail an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!