Die illegalen Geldflüsse der Telekom an schwarz-blau-orange Politiker, Lobbyisten und Unternehmer offenbaren den vollständigen moralischen Bankrott der Bürgerlichen.
Es wird langsam unübersichtlich. Ein Skandal reiht sich an den anderen. In Kärnten brach mit der Hypo Alpe Adria Bank, die 2007 notverstaatlicht wurde, das System Haider zusammen. Jahrelang hatten sich die Kärntner Parteien unter Führung des BZÖ (heute FPK) selbst bedient. Dem nicht genug, soll eine Investorengruppe, der viele namhafte Unternehmer bis hin zum Chef der Industriellen-Vereinigung (IV) Veit Sorger angehörten, beim Verkauf der Bank an die BayernLB durch Insiderhandel das große Geld gemacht haben. Und dann gab es da die vielen Affären rund um Karl-Heinz Grasser. Als Finanzminister hatte er nicht nur „vergessen“, seine von der IV gesponserte Homepage zu versteuern, er musste später auch zugeben, Einnahmen aus Spekulationsgeschäften seiner eigenen Steuerbehörde nicht gemeldet zu haben. Über seine Verstrickungen beim Verkauf vieler Bundesanteile an staatsnahe Firmen kann man nur spekulieren; zumindest im Falle des Verkaufs von 60.000 Bundeswohnungen wird gegen ihn ermittelt. Nachdem die Baufirma Porr über zwei mit Grasser befreundeten FP-nahe Lobbyisten interveniert hatte, übersiedelte die oberösterreichische Finanzlandesdirektion trotz überhöhter Mieten in den Linzer Terminal Tower. Peter Hochegger, einer der beiden Lobbyisten, diente auch als Mittelsmann bei einer dubiosen Imagekampagne der bulgarischen Regierung in Millionenhöhe, bei der Zahlungen auch an Ex-Innenminster Ernst Strasser fließen sollten. Dieser wiederum hatte als Chef der ÖVP-EU-Parlamentsdelegation einen lukrativen Nebenjob als Lobbyist, worüber er im März stolperte. In Kärnten wurde derweil FPK-Chef Uwe Scheuch in erster Instanz wegen verbotener Geschenkannahme schuldig gesprochen, weil er mehreren Russen als Gegenleistung für Parteispenden und Investitionen die österreichische Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt hatte.
Und nun die Telekom-Affäre: Es wurde bekannt, dass in mindestens 16 Fällen Geldflüsse aus zweifelhaftem Grund an Lobbyisten gegangen sind. Noch sind nicht alle Fälle bekannt, doch was bereits veröffentlicht ist, hat Sprengkraft genug. Da ließ etwa Strasser als Innenminister ein neues Polizeifunk-System durch eines ersetzen, an dem die Telekom und Alcatel Österreich (geleitet vom ÖVP-Politiker Harald Himmer) profitiert haben. Dabei sollen Zahlungen über den ÖVP-nahen Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly gelaufen sein, seines Zeichens Ehemann von Ex-ÖVP-Minsterin Rauch-Kallat und bereits zentrale Figur in der undurchsichtigen Eurofighter-Vergabe. Weiters konnten sich 100 Telekom-Manager über 7,4 Millionen Euro extra freuen, nachdem der Aktienkurs vom Top-Management manipuliert worden war. Reingewaschen wurden die Schmiergeldzahlungen an den Broker, der die Manipulation organisierte, über eine fiktive Studie, die niemand anderer als Peter Hochegger verrechnete. Und schließlich soll es noch Zahlungen an Ex-Vizekanzler Gorbach und seine Partei, das BZÖ, gegeben haben, weil er bei der Neufassung eines Telekommunikationsgesetzes zugunsten der Telekom interveniert haben soll. Die Staatsanwaltschaft hatte laut „News“ auf eine anonyme Sachverhaltsdarstellung hin bereits ermittelt, doch ihre Tätigkeit bald wieder eingestellt.
Na, schon ausgestiegen? Wir verübeln es niemandem, denn nur mehr eine Hand voll Journalisten (und Menschen, die sich ein sehr seltsames Hobby ausgesucht haben), können und wollen sich in dem Wirrspiel aus Geld und Macht zurechtfinden. Was aber in den Köpfen hängen bleibt: Die da oben sind ja eh alle korrupt und können sich’s immer wieder richten.
Eigentlich eine große Chance für die SPÖ, den moralischen Bankrott des österreichischen Bürgertums zu nutzen. Würde sich Werner Faymann in einer Grundsatzrede an die Bevölkerung wenden, in der er die Korruptionsfälle zusammenfasst und die Verantwortung von ÖVP, FPÖ und BZÖ nachweist, könnte man aus der ungeliebten Koalition aussteigen und zuversichtlich in Neuwahlen gehen. Tut man dies nicht, so macht man sich in den Augen der Bevölkerung mitschuldig.
Aus Angst, den Segen der Koalition zu gefährden, will es die SPÖ-Führung aber bei ein paar Presseaussendungen belassen. Im äußersten Fall stimmt man mit der Opposition für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss – ein Gremium, das mehrheitlich von bürgerlichen Parteien besetzt ist, die durch eine gründliche Untersuchung viel zu verlieren haben. Erwarten darf man sich davon nichts. Oder hat jemand noch etwas vom Eurofighter-U-Ausschuss aus dem Jahr 2006 gehört?
Wir werden die SPÖ-Führung nicht dazu bewegen können, in die Offensive zu gehen, dazu ist die Linke in der Partei noch zu schwach. Zumindest auf Betriebsebene könnten wir aber aktiv werden: Man könnte bei der Telekom Betriebsversammlungen zum Thema Korruption im Unternehmen abhalten und Einsicht in sämtliche Unternehmensgeschäfte fordern. Diesem Beispiel könnten die Beschäftigten in den anderen Betrieben, die in den vergangenen Jahren privatisiert worden sind, folgen. Man könnte dem diskreditierten Modell der alten Verstaatlichten und dem schwarz-blau-orangen Privatierungsschwindel ein neues Modell entgegenstellen: Wiederverstaatlichung bei gleichzeitiger demokratischer Kontrolle aller Unternehmensbereiche durch die Belegschaft. Die Zeiten sind besser denn je: Das Bürgertum hat jede Glaubwürdigkeit verspielt.
Friedrich Pomm
SJ Linz/Römerberg