Die ÖVP will wieder Studiengebühren einführen. Der Kampf um freien Bildungszugang geht in eine neue Runde. Zeit die Lehren aus dem Scheitern der letzten Uniproteste zu ziehen und sich auf die nächste Bewegung vorzubereiten.
Kürzlich umriss Wissenschaftsminister Töchterle seine Vorstellungen für weitere Hochschul-„Reformen“. Die Richtung ist klar: Der Staat soll zukünftig weniger ausgeben, die Studierenden dafür zur Kasse gebeten werden. Ihm schweben Studiengebühren von etwa 500 € pro Semester vor. Außerdem soll der Anteil der Studienplätze an FHs von derzeit 11% auf 40% gesteigert und das „Überangebot“ von Studienrichtungen an den Unis „eingeschränkt“ werden. Kurz: Die Bürgerlichen, vertreten durch Töchterle, wollen (und müssen aus ihrer Sicht!) die Ausgaben im Bildungssystem senken, gleichzeitig jedoch weiterhin möglichst viele billige, aber gut ausgebildete Arbeitskräfte für die Wirtschaft „auf Halde“ produzieren.
Diesen Plänen müssen wir etwas entgegensetzen, und die Studierenden in Österreich haben in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass sie dazu bereit sind: Damit eine Bewegung aber Erfolg haben kann, braucht es mehr als nur Kampfbereitschaft. Es ist eine Analyse vergangener Bewegungen nötig, um aus den Fehlern zu lernen und die Stärken wiederzubeleben.
Der Kapitalismus ist ein System, das durch seine Funktionsweise in normalen Zeiten die Menschen vereinzelt, Individualismus und Konkurrenz fördert. ArbeiterInnen konkurrieren um Jobs, SchülerInnen und Studierende um die besten Abschlüsse, wiederum um bessere Jobs zu bekommen. Die Menschen versuchen, Probleme vor allem individuell zu lösen. Doch immer wieder wird der Druck des Systems für eine kritische Masse aus den unterdrückten und ausgebeuteten Schichten der Bevölkerung zu stark. Dann wird die Vereinzelung durchbrochen und eine kollektive, gemeinsame Lösung für die dringendsten Probleme gesucht. Eine soziale Bewegung entsteht.
Eine solche Situation sahen wir zuletzt im Herbst 2009 an den österreichischen Universitäten. Studis, die all die Missstände jahrelang scheinbar teilnahmslos hinnahmen, gingen zu Zehntausenden auf die Straße, besetzten Hörsäle und zeigten unter dem Slogan „Uni brennt“ eine hohe Kampfbereitschaft. Doch wie ein roter Faden zog sich durch die gesamte Bewegung, dass ihre führenden Köpfe in vielen Fragen noch zu sehr in den alten individualistischen Denkweisen gefangen waren. So herrschte am Anfang der Bewegung ein großes Maß an Verwirrung über deren Stoßrichtung. Scheinbar gleichberechtigt geisterten nebeneinander Forderungen über eine vollständige Abschaffung der Studiengebühren, freie Bildung für alle bis hin zu „Schaffung von Freiräumen“ oder verschiedene Spezialforderungen (z. B. längere Bibliotheksöffnungszeiten, andere Studienpläne etc.). Das ist am Anfang so einer Bewegung völlig normal, denn jedes Individuum bringt seine eigenen, speziellen Erfahrungen und damit Bedürfnisse und Forderungen mit. Doch damit sie erfolgreich ist, muss eine Bewegung als Ganzes eine klare Richtung und ein eindeutiges Programm entwickeln, das jeder kennt und nach außen vertritt und auf das die einzelnen Kampfmaßnahmen ausgerichtet werden. In einer vollständig demokratischen Diskussion müssen Prioritäten gesetzt und die Mittel (wie Besetzungen, VoKü usw.) dem Zweck untergeordnet werden.
An dieser Stelle stieß die Uni-Bewegung auf ein Hindernis, das sich durch die ganze vorangegangene Situation aufgebaut hatte: Jahrelang mach(t)en wir die Erfahrungen, dass unsere VertreterInnen in „demokratischen“ Parlamenten und Parteien „das Volk“ immer und immer wieder an die meistbietenden Banken und Konzerne verkaufen. Die spezifischen Probleme der Studierenden wurden nicht durch Massenmobilisierungen gelöst, sondern in kleinen Zirkeln oder Gremien informell diskutiert; im besten Fall gab es kleine Protestkundgebungen, Flashmobs oder Medienaktionen, um auf die zunehmend untragbare Situation aufmerksam zu machen. In dieser Situation fielen sogenannte basisdemokratische Ideen (in manchen Städten mehr, in anderen weniger) auf fruchtbaren Boden. Die Wahl von VertreterInnen sei abzulehnen, es müsse über jedes Thema demokratisch diskutiert werden (was richtig ist), bis ein Konsens herrscht (was falsch ist). Die Diskussionen in den Plena drehten sich oftmals im Kreis. Das Aktivitätsniveau sank zunehmend, Verantwortlichkeiten blieben unklar und die Arbeit blieb an einigen wenigen KollegInnen hängen, die zwar eine ungemeine Opferbereitschaft an den Tag legten, aber doch mit ihrer Arbeit nicht die Massenbewegung ersetzen konnten. Das Vertrauen der (angeblich nicht vorhandenen) FührerInnen in die Kampfbereitschaft der Studierenden sank dadurch immer mehr und daraus wuchs das Bedürfnis, kleine Zugeständnisse zu sichern. Kleinaktionen, die zur Mobilisierung durchaus wichtig sind, ersetzten die Massenaktionen. Ein positiver Bericht in den Massenmedien wurde bald zu einem Höhepunkt des Tages. Schließlich waren auch die Motiviertesten am Ende ihrer Kräfte und einer nach dem anderen zog sich zurück.
Was blieb, war der gewaltige Ausbruch des Zornes der StudentInnen in Massenprotesten und Hörsaalbesetzungen, Freude darüber, dass „endlich mal etwas passierte“, aber doch eine Unfähigkeit, die Bewegung auf eine höhere, bundesweite und organisierte Stufe zu stellen. Wir schlugen damals in unserer Sonderausgabe zu den Uniprotesten vor, es „[…] sollten auf allen Instituten Delegierte gewählt werden, die einen Widerstandsrat bilden […]. Dieser […] sollte auf täglicher Basis in den Plenas abwählbar und erweiterbar sein. Die demokratisch legitimierte Vernetzung aller Universitäten könnte auf einem Studierendenkongress erfolgen.“ Diese Vorschläge haben grundsätzlich auch für eine kommende Bewegung Gültigkeit. Nur durch eine klare, demokratisch legitimierte (und kontrollierte!) Führung auf bundesweiter Ebene kann eine Unibewegung genügend Kampfkraft entfalten, um nicht nur ein mediales Echo auszulösen, sondern vor allem an andere Gesellschaftsschichten zu appellieren, die ebenfalls unter der Sparpolitik der Regierung leiden. Die SchülerInnen, die unter ähnlichen Bedingungen leben wie die Studierenden und die nächsten im universitären Fleischwolf sind, können leicht für den gemeinsamen Kampf gewonnen werden. Aber die Erfahrungen anderer europäischer Länder (v. a. Griechenland, S. 2) in den letzten Monaten zeigten, dass insbesondere ein Appell an die ArbeiterInnen und ihre Organisationen notwendig ist. Auch sie leiden unter den durch die kapitalistische Krise verursachten Kürzungen. Nur die organisierte Arbeiterklasse hat die gesellschaftliche Kraft, „alle Räder stillstehen zu lassen“ und der Krise, die wir auch an der Uni spüren, letztendlich durch eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft ein für allemal ein Ende zu setzen.
Florian Keller
GPA-djp StudentInnen Salzburg