Bianca Schellander von der SJ Alsergrund wurde in der Vorarlberger Zeitung "Wann & Wo" zur Occupy-Bewegung interviewt.

In ganz Europa schließen sich immer mehr der „Occupy Wall Street“- Bewegung an. Studentin Bianca Schellander (21) aus Höchst protestiert in Wien gegen globales Spekulantentum & Co.

WANN & WO: Wieso beteiligst Du Dich an der Bewegung?

Bianca Schellander: Wir sind die 99 Prozent der Bevölkerung, welche durch das oberste 1 Prozent, repräsentiert durch Banken, kapitalistische Regierungen und Konzerne, unterdrückt und in eine Lohn - abhängigkeit gedrängt werden. Mit den Geldern von SteuerzahlerInnen werden Banken gerettet, die sich und somit auch uns durch abstrakte Spekulationen, eigentlich durch ein Glücksspiel an der Börse in die Krise gestürzt haben. Es wird Zeit, etwas an dieser Situation zu verändern. Es darf und kann nicht sein, dass wir uns diese Spielchen weiter gefallen lassen, wir müssen uns gegen dieses System wehren.

WANN & WO: Welche Forderungen verstritt „Occupy Wall Street/Austria“?

Bianca Schellander: Die Bewegung zeichnet sich durch autonomen Individualismus aus, wodurch die Forderungen leider nicht klar sind. Denn auch wenn es eine nette Idee scheint, sich gegen die Krise friedlich aufzulehnen und auf der Wall Street zu übernachten, hat dies mit tatsächlichem Widerstand leider wenig zu tun. Gegen Banker, die undemokratische Sparpakete verordnen, Regierungen, die auf DemonstrantInnen schießen und eine Unsicherheit der sozialen, staatlichen Leistungen, die immer weiter steigt, hat sich Wut und Zorn entwickelt, welche sich nicht in einem gemütlichen „Sit-in“ ausdrücken lassen.

WANN & WO: Gegen was oder wen richtet sich Dein Protest?

Bianca Schellander: Wichtig ist es, den Fokus nicht nur auf die Banken und Börsen zu legen. Dahinter steht in erster Linie das System und es ist die Aufgabe von uns, den 99 Prozent, dieses auf Profitmaximum gepolte System auszuhebeln. Vielmehr sollte man seine Aufmerksamkeit den Streiks schenken, welche die UnternehmerInnen erschüttern lassen. Wie der Metallerstreik, der ebenfalls am 15. Oktober stattfand und zeigt, dass Österreich nicht mehr stillsteht, sondern sich eben doch bewegt. Und genau dieser unerwartete Streik, der eben nicht von der üblichen StudentInnen- und SchülerInnenmasse ausging, beweist, dass die Bevölkerung Österreichs sich beginnt zu wehren.

WANN & WO: Wieso fallen die Proteste in Österreich/Vorarlberg im Vergleich zu den USA, Deutschland, Frankreich oder Italien so verhalten aus?

Bianca Schellander: In diesen Ländern herrscht eine andere, historische Tradition von Demonstrationen und Streiks. Außerdem liegt es in Österreich z.T. auch an den Gewerkschaften, welche meist in erster Linie ihre eigenen Interessen vertreten, und somit gewisse Bewegungen gar nicht erst entstehen lassen. Weiters denke ich, dass die Krise in Österreich für den/die DurchschnittsbürgerIn wahrscheinlich noch zu wenig spürbar ist, im Gegensatz zu den oben genannten Ländern.

WANN & WO: Wie weit würdest Du gehen, um eine Revolution zu unterstützen?

Bianca Schellander: Wenn es sich um eine sozialistische Revolution handelt, die von einer Massenbewegung getragen wird, würde und werde ich diese mit allen Mitteln unterstützen, denn unter den derzeitigen prekären Bedingungen und Perspektiven ist es unsere einzige Hoffnung, dass das verschlafene Österreich sich aufrafft und für soziale und gerechte Verbesserungen kämpft!

WANN & WO: Wie wird sich deiner Meinung nach die Bewegung in den nächsten Tagen und Monaten entwickeln?

Bianca Schellander: Ich denke dies ist schwer einzuschätzen. Die Bewegung „Occupy Wall Street/Austria“ wird mit ihren zur Zeit sehr esoterisch verwirrten Forderungen wahrscheinlich ziemlich schnell in Vergessenheit geraten, sollte es ihr nicht gelingen, ihre Perspektiven zu erweitern und sich mit anderen Schichten der Bevölkerung zu solidarisieren. Wenn sich jedoch eine solche Solidarität mit den selben sozialen Zielen entwickeln sollte, könnte es in den nächsten Monaten zu mehreren größeren Streiks und Protestbewegungen in den verschiedensten Ländern kommen und eine ähnliche Situation wie der arabische Frühling wäre denkbar. Auch wenn es in diesen Ländern gegen ein diktatorisches Regime ging, so wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass auch dort der Fehler nicht an einer einzelnen Person lag, sondern immer noch im System liegt!

Wann & Wo, 26.10.2011


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