Arbeiter wehren sich bei Stahlrohrproduzent Schöller-Bleckmann erfolgreich gegen die Einführung des 4-Schichtbetriebs. Vier Arbeiter werden aber gekündigt, 14 weitere sind von der Kündigung bedroht. Das nunmehrige Ziel ist es, die Kündigungen rückgängig zu machen.

Das in Ternitz/NÖ ansässige und rostfreie Stahlrohre produzierendes Unternehmen Schöller & Bleckmann mit 400 Mitarbeitern wollte in einer Nacht und Nebel Aktion den 4-Schicht-Betrieb durchsetzen. Als Begründung wurde die Übernahme von einem Teil der Produktion von der in Spanien ansässigen Muttergesellschaft angeführt. Doch die Pläne zur Ausweitung des Schichtbetriebes sind bereits seit Februar bekannt. In dieser Zeitspanne haben sich die Arbeiter solidarisiert und erfolgreich gegen die Absichten der Unternehmensführung behauptet. Hierzu wurden auch Unterschriften gesammelt.

Vier Arbeiter wurden gekündigt, 14 sind gefährdet

Die Unternehmensführung hat daraufhin jeden Arbeiter, der gegen den 4-Schicht-Betrieb unterschrieben hat, ins Büro gerufen und auf die Rücknahme ihrer Unterschriften gedrängt. Als letzte Konsequenz soll sie den Arbeitern mit der Entlassung gedroht haben. Die Arbeiter sind jedoch standhaft geblieben. Letzten Endes hat die Unternehmensführung die Einführung des Mehrschichtbetriebes wieder abgesagt. Das nunmehrige Ziel der Arbeiter ist es, die Kündigung ihrer Kollegen wieder rückgängig zu machen. „Yeni Hayat“ hat mit den Arbeitern gesprochen.

Reportage: Murat Kapçak, Schichtaufseher

Yeni Hayat: Es gibt Entlassungen in der Firma, die Diskussionen haben sich ausgeweitet, was passiert da?

Murat Kapçak: Ich bin seit 16 Jahren bei Schöller & Bleckmann tätig. Es gab Gerüchte über eine Ausweitung auf den 4 oder 5 Schichtbetrieb. Meine Kollegen und ich haben uns dagegen gewehrt. Denn wir haben schon in der Vergangenheit im 4-Schicht-Betrieb gearbeitet und wissen, unter welch schwierigen Umständen gearbeitet werden muss. Das hat unsere Familien und uns negativ beeinflusst.

Yeni Hayat: Wieviele Arbeiter sind sie in der betroffenen Abteilung?

Murat Kapçak: Insgesamt sind wir 21 Arbeiter, 18 von ihnen haben mit Nein gestimmt. Wir haben eine Liste erstellt und dem Betriebsrat übergeben. Er hat diese Unterschriftenliste dem Abteilungsleiter überreicht. Daraufhin wurden vier Kollegen entlassen. Das war ein klares Signal an die Nein-Sager. Wir wehren uns aber weiterhin. Die Firmenleitung hat inzwischen 30 bis 40 Leiharbeiter eingestellt.

Yeni Hayat: Sie haben auch eine Unterschriftenkampagne für die Rücknahme der Entlassungen gestartet. Wie stehen die Chancen?

Murat Kapçak: Ich glaube nicht, dass unsere entlassenen Kollegen wieder eingestellt werden. Trotzdem, wir haben mit der Absage des 4-Schicht-Betriebes einen wichtigen Sieg errungen.

Yeni Hayat: Sind die Arbeiter Migranten, oder gibt es unter ihnen auch Einheimische?

Murat Kapçak: Es gibt in unserer Abteilung mehr Einheimische als Migranten. Drei der Entlassenen sind sogar Einheimische, der vierte ist Kurde. Sie sind seit 21, 8, 6 und nochmal 6 Jahren in der Firma. Immer noch versucht die Firmenleitung die Arbeiter in Vier-Augen-Gesprächen unter Druck zu setzen. Auf der einen Seite versichert sie die Absage der Pläne, auf der anderen Seite macht sie Druck auf die Arbeiter. Die Firmenleitung versucht neue Verträge mit uns abzuschließen, um sich abzusichern. Mit den neuen Verträgen wird es möglich sein, dass sie jene Arbeiter, die sich gegen den Mehrschichtbetrieb wehren, fristlos zu entlassen. Das ist eine Falle.

Yeni Hayat: Was sagt euer Betriebsrat dazu?

Murat Kapçak: Er war drei Wochen verschwunden. Sein Stellvertreter beteuerte uns, dass es nicht möglich sei, mit dem Chef zu reden, da dieser viel zu aufgeregt sei. Sie haben uns nicht unterstützt. Es wäre sogar nicht übertrieben, wenn wir behaupten, dass der Betriebsrat bei der Entlassung des Kollegen Hasan seine Finger im Spiel hatte.


Reportage: Hasan Orhan, Arbeiter

Yeni Hayat: Herr Orhan, sie wurden entlassen, was war die Ursache?

Hasan Orhan: Die Ursache ist jener, dass die Firmenleitung in den Arbeitern lediglich Zahlen sieht und keine Widerwehr seitens der Arbeiter sehen will. Es geht um Folgendes: Wir haben uns gegen den 4-Schicht-Betrieb gewehrt, weil wir in der Vergangenheit für eine gewisse Zeit mit diesem Schichtmodell gearbeitet haben. Dieser Schichtbetrieb ist nicht nur aufreibend, sondern führt auch dazu, dass die Wochenendruhen, Feiertage und Überstundenauszahlungen gestrichen werden. Darunter leidet auch das Sozial- und Familienleben. Mit einem Strich will man die hart erkämpften Rechte zunichte machen. Deswegen haben wir uns dagegen gewehrt.

Yeni Hayat: Und wurde das neue Schichtmodell wieder abgesagt?

Hasan Orhan: Ja, die Firmenleitung scheint vor der entschlossenen Haltung der Arbeiter kapituliert zu haben. Sie hat gemeinsam mit dem Betriebsrat verkündet, dass der 4- oder 5-Schicht-Betrieb nicht umgesetzt werden wird. Das ist natürlich erfreulich, doch fehlt uns allein der Glaube. Denn vier Arbeiter wurden gekündigt. Die restlichen 14 Arbeiter, die ebenfalls gegen den 4-Schicht-Betrieb unterschrieben haben, sind nervös. Der Chef hatte damit gedroht, alle zu entlassen. Falls die Pläne nun tatsächlich abgesagt wurden, wieso werden die Entlassenen nicht wieder eingestellt? Immer noch werden die Arbeiter einzeln angesprochen und unter Druck gesetzt. Außerdem glaube ich nicht, dass das der Grund für meine Entlassung gewesen ist. Meine Kollegen denken das gleiche.

Yeni Hayat: Sie behaupten, dass ihre Kollegen ebenfalls entlassen werden und dass ihr Entlassungsgrund ein anderer gewesen ist, was meinen sie damit genau?

Hasan Orhan: An meinem ersten Arbeitstag nach dem Urlaub wurde ich ins Büro der Firmenleitung bestellt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich der erste sein würde, der entlassen wird. Ich war nicht direkt involviert in die Unterschriftenkampagne, habe sie aber unterstützt. Trotzdem bin ich der erste gewesen, der entlassen wurde. Ich bin gemeinsam mit dem Betriebsrat ins Büro gegangen. Der Chef hat Folgendes gesagt: „Ich hab von euch etwas verlangt, ihr habt abgelehnt, ich werde euch alle entlassen. 4 von euch werden jetzt entlassen, die restlichen sobald sich die neuen Arbeiter eingearbeitet haben“. Wir haben versichert, dass es zu keinen Produktionsverzögerungen kommen wird und dass wir auch bereit seien, Überstunden zu machen, um die Aufträge rechtzeitig zu erfüllen. Doch der Chef wollte deswegen das neue Schichtmodell einführen, um eben keine Überstunden zahlen zu müssen. Er hat mir auch angelastet, dass ich immer gegen die Interessen der Firma handle. Doch bis zu dem Zeitpunkt hatte ich keine einzige Diskussion mit der Firmenleitung geführt.

Yeni Hayat: Was sagt der Betriebsrat dazu?

Hasan Orhan: Er hat nur gemeint, dass die Abteilung ohne die erfahrenen Arbeiter die Aufträge nicht erfüllen kann. Der Chef hat darauf geantwortet, dass er das schon irgendwie hinkriegen wird und dass er lieber mit Leuten arbeitet, die er einschätzen kann. Meine Entlassung hat auch wesentlich damit zu tun, dass ich bei der letzten Betriebsratswahl kandidiert habe. Ich habe die Firma nun verklagt und werde meine Rechte einfordern. Eine gerichtliche Entscheidung steht noch aus.

aus: Yeni Hayat (Neues Leben), Juli/Aug 2012


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